Ein Blick in die Vergangenheit der Spronser Seen-Region

Naturpark Texelgruppe: Grenzgänger und Sterngucker

Schmuggler und Leichenprozessionen zogen einst übers Gebirge nördlich von Meran. Doch sie waren nicht die ersten. Bearbeitete Steine bei den Spronser Seen geben bis heute Rätsel auf.

 
Es war eine ungewöhnliche Prozession, die durch das Texelgebirge zum fast 2600 Meter hohen Spronser Joch hinaufzog. Vier Männer balancierten ein Holzbrett auf ihren Schultern, darauf festgezurrt: ein großes Stoff bündel. Schweiß rann ihnen über die Stirn, bei jedem Schritt schwankten sie gefährlich auf dem steinigen Steig. Hinter ihnen murmelten Frauen und Männer Gebete.

Über Jahrhunderte trugen die Bauern von Pfelders, einem Weiler im hintersten Passeiertal, ihre Toten zur Pfarrei von St. Peter bei Dorf Tirol. Starb jemand im Winter, ließ man den Leichnam auf dem Dachboden einfrieren, bis die Wege über das Spronser Joch begehbar waren. Auch die Neugeborenen wurden von ihren Müttern durch das Hochgebirge getragen, um sie in St. Peter taufen zu lassen. Bis zum Einzug des Tourismus war Pfelders ein armes Bergbauerndorf, das abgeschieden in einem von Dreitausendergipfeln eingerahmten Hochtal lag.

In Wollstrümpfen übers Geröll

Wie ein unüberwindbarer Wall wächst im Norden der Gurgler Kamm empor. Die südlichsten Gipfel der Ötztaler Alpen sind rau, unzugänglich, menschenleer – ein Terrain wie geschaffen für Schmuggler. Jenseits liegt das Ötztal, Nordtirol. Dort gab es Pfeifentabak, Zigarettenpapier, Feuerzeuge und Saccharin, Dinge, die in Italien knapp waren.

Drüben im Ötztal waren Salz, Felle und Branntwein begehrt. Junge Burschen wie Vigil Kuprian aus Pfelders schleppten die Waren in ihren Rucksäcken über den Berg, meistens im Herbst, wenn es für sie nichts mehr zu tun gab. »Eine Schmuggeltour hat so viel eingebracht wie drei Monate Arbeit«, erinnert sich Vigil Kuprian, der 1960 als 14-Jähriger zum ersten Mal ins Ötztal aufbrach.
Text: Franziska Bamann. Fots: Franziska Baumann, Dorf Tirol Tourismus
 
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