Herbsttouren am Gardasee
Spätherbst am Gardasee: Der Charme des Südens
© Andreas Strauß
Spätherbst in den Wäldern der Gardaseeberge – ein Farbenrausch!
Spätherbst in den Wäldern der Gardaseeberge – ein Farbenrausch!
Die Wand erscheint erdrückend und beinahe unwirklich, als ich abends aus der Pizzeria in Pietramurata trete. Drohend bäumt sich das konkave Gemäuer unmittelbar über dem Ort im Sarcatal auf, das Mondlicht erzeugt im hellen Kalk einen fahlen Widerschein. Nicht ganz unbeeindruckt sehe ich der kommenden Tour entgegen, die genau dort hinaufführen soll.
Sie beginnt am nächsten Morgen denkbar unattraktiv in einem Industriegebiet. An einer Kiesgrube vorbei gilt es erst einmal, den richtigen Weg zu finden, dann verschwinde ich im dichten Pinienwald. Doch was nach der halbstündigen Einlaufphase folgt, darf man wohl zu Recht als den schönsten Klettersteig der Gardaseeregion bezeichnen. Erst in den 90er-Jahren angelegt, ist die »Ferrata Che Guevara« rasch zu einem Publikumsmagneten avanciert. Superlang ist sie, aber entgegen aller anfänglichen Mutmaßungen überhaupt nicht superschwer. Dafür bin ich schwer begeistert…
Dies insbesondere auch, weil ich heute einen Traumtag erwischt habe. Es ist Mitte Oktober, also schon weit im Herbst und mithin die beste Zeit für die Berge um den Gardasee. Gerade jetzt, da ein heftiger Kaltlufteinbruch den Nordalpen bereits Schnee bis unter 1000 Meter beschert hat, fühle ich mich im sonnig-milden Süden pudelwohl. Schließlich ist ja auch einer meiner besten Freunde dabei, der Nordföhn. Er ist es, der den blank geputzten Himmel und die bestechend klare Luft garantiert, Endorphine in Schwung bringt und das Gemüt Luftsprünge machen lässt. Anderen geht es wohl ähnlich, sie jauchzen und jubilieren, als sie nach der fast endlosen »Che Guevara« das grasige Gipfelplateau des Monte Casale erreichen. Als stiller Vertreter bin ich darob zwar etwas irritiert, aber doch innerlich zutiefst ausgeglichen, um ihnen das leicht partyhafte Gehabe nachzusehen…
Unterwegs am Monte Misone im Spätherbst, hinten die schroffen Brentaburgen
Aber ist das alles? Bereits Geheimrat Goethe huldigte anno 1786 dem größten See Italiens und legte damit wohl einen Grundstein für den heutigen Kultstatus. Mediterranes Flair verbindet sich hier mit einem überraschend alpinen Relief, das kaum Wünsche offenlässt. Mountainbiker finden ein Dorado von Singletrails und alten Militärstraßen, Wanderer eine unerschöpfliche Auswahl von bequemen Bergspaziergängen bis hin zu ausgedehnten Überschreitungen.
Die akrobatisch Veranlagten turnen relaxed (oder manchmal auch sportlich verbissen) an sonnenwarmen Felsen und die besondere Spezies der Ferratisti hat hier ebenfalls eine »location« ausgemacht, die zu den »Tops« im ganzen Alpenraum zählt. Jeder, wie er’s mag. Ich persönlich halte es ja eher mit den nicht ganz so exzessiv sportlichen Angelegenheiten, damit unterwegs auch noch Muße für das Drumherum bleibt. So wie auf der »Che Guevara« mit ihren grandiosen Tiefblikken, den anregenden Plattenpassagen vor allem im mittleren Teil und einem Fazit, das sich am Ende des Tages leicht ziehen lässt: eine tolle, große Bergtour, nicht nur am Eisengehalt gemessen.
Ich bin zur Abwechslung in Biacesa am Eingang zum ruhigeren Val di Ledro gestartet. Wieder kündigt sich ein verheißungsvoller Tag an, der Föhnwind hält mir die Treue. Da kommt vor lauter Freude nicht mal ein Fünkchen Mitleid auf, für all jene, die jetzt jenseits des Alpenhauptkamms im Schneegestöber frieren.
Sonnenschein und frische, glasklare Luft lassen auch heute den Bergsteigermotor leichtgängig laufen. Und dann diese Seeblicke, zum Beispiel von der Cima Capi! Sie misst nur gut 900 Meter, entragt mit ihren Felsen kaum dem Waldkleid, doch man lasse sich nicht täuschen: Die absolute Höhe ist über dem Gardasee fast gleich der relativen, und weil der Gipfel der Cima Capi bloß 500 Horizontalmeter vom Ufer entfernt liegt, kann sich jeder ausmalen, wie steil die Topografie und wie gigantisch der Tiefblick auf die Wellen und flitzenden Surfer im tiefen Blau des Lago sein muss.
Da ich den Tag zur Gänze auszunutzen gedenke, schalte ich noch eine Extraschleife über die Via dell’Amicizia ein, deren lange Leitern beim Klettersteigvölkchen höchste Popularität genießen. Mein subjektives Urteil ist hingegen gespalten: Spektakulär sind sie allemal, fordern regelmäßig zu Mutproben heraus und erzeugen schließlich bei manchen Anwärtern echte Zitterpartien, doch das Gefühl, wie bei einer Feuerwehrübung dabei zu sein, macht die Sache etwas albern – kein Vergleich zur wirklich pfundigen »Che Guevara«. Über jeden Zweifel erhaben sind freilich auch hier die stetig wachsenden Blicke in die gähnende Tiefe; man wäre fast geneigt, direkt auf die Dächer von Riva zu spucken…
Ein Klassiker ist der Mori-Klettersteig am Monte Albano
Es ist ein bisschen so wie bei den Immobilien: Touren mit Seeblick gelten mehr. Und natürlich neigt man dazu, den Lago zumindest optisch immer wieder in den Mittelpunkt seiner Ausflüge zu stellen – ob am Rocchetta-Massiv über Riva, am Monte Carone und seinen Ausläufern, die man so trefflich vom Terrassendorf Pregasina aus anpacken kann, oder noch weiter südlich.
Dort kommt mir zum Beispiel der Monte Pizzòcolo in den Sinn, den ich vor ein paar Jahren einmal etwas ungewöhnlich und mit leichter Kletterei gewürzt über den Südgrat bestiegen habe. Oder die sogar wintertaugliche Wanderung zur Cima Comér, vorbei an der sehenswerten Eremitage San Valentino: Klein-Tibet über dem Gardasee.
Ein paar Etagen tiefer schmiegen sich pittoreske Dörfer mit schlanken Kirchtürmen an die Gestade, nutzen bald jede kleine Landzunge. Die seeseitigen Abbrüche sind auch an der Cima Comér respektabel, während sich gegen das Hinterland eine bukolische Szenerie von Wald- und Wiesenhügeln auftut. Dieses Hinterland mag seinen Charme nicht so offenkundig zur Schau stellen, aber es schlägt allemal interessante Facetten auf und kommt praktisch ohne den notorischen Trubel der »Hot Spots« aus. Die Kehrseite besitzt halt auch immer ihre Vorteile.
Wer schon mal den Monte Corno überschritten hat, war bestimmt nicht enttäuscht, mit dem Lago di Ledro nur den bescheidenen Nachbarn des großen Benacus gesehen zu haben. Und mit dem Monte Cadria erhebt sich nicht weit entfernt sogar der höchste Gipfel der gesamten Gardaseeberge.
An einem schönen Oktobertag mache ich mich auf den Weg zu ihm, aus dem Valle dei Concei über die Malghe Vies und Cadria, schließlich über den schrofigen Südgrat zum höchsten Punkt und auf einer leicht abenteuerlichen, weglosen Route über die verfallene Baita Vesi wieder retour. Ringsum das zerknitterte, grüne Relief der Berge zwischen dem Gardasee und den Tälern Judikariens, während Adamello und Brenta wie steif gefroren am Horizont stehen.
Stille macht sich breit und das Ambiente einer typisch vorwinterlichen Voralpentour, die halt am anderen Ende unserer gewohnten Alpenwelt stattfindet. Für das nächste Mal nehme ich mir spontan die ganze Umrahmung des Valle dei Concei vor, von einem Gipfel zum nächsten, bestimmt an die zehn, zwölf Stunden lang…
Der Monte Baldo wurde von den eiszeitlichen Gletschern um-, aber nicht überflossen, weshalb zahlreiche Vertreter einer Tertiärvegetation überleben konnten und nun als seltene Endemiten aufscheinen. Als ich nach fast fünfstündigem Aufstieg von Nago über mehr als 1800 Höhenmeter auf dem Monte Altissimo ankomme, sind noch einige Tageswanderer unterwegs.
Doch bald kehrt die große Einsamkeit ein. Nachdem die Sonne am westlichen Horizont verschwunden ist, finde ich im komfortablen Winterraum des Rifugio Chiesa Unterschlupf und wähne mich plötzlich ganz allein mit dem großen Monte Baldo. Am Morgen darauf fehlt der Blick in die tiefe Gardaseefurche. Schade! Aber der Kampf, den sich die Sonne mit dem wallenden Hochnebel liefert, ist nicht minder sehenswert.
Als ich auf dem Kammweg Richtung Süden bald wieder über dem Wolkenmeer stehe, fühle ich mich unendlich frei und in einer buchstäblich eigenen Sphäre. Wie auf einem urweltlichen Drachenrücken geht es dahin. Solche Eindrücke beschert eigentlich nur der Herbst, den ich ja längst zur »hohen Zeit« für die Gardaseeberge erkoren habe.
Eigentlich müsste sich heuer noch was ausgehen! Vielleicht mal wieder auf den Monte Stivo, um die grenzenlose Aussicht zu genießen? Oder eine stille Tour auf den Misone? Oder einen letzten zünftigen Klettersteig? Oder rund um den Tremalzo mal ganz neue Entdeckungsstreifzüge starten? Ich glaube, ich werde immer einen Grund finden, zum Saisonabschluss nochmals an den Benacus zu pilgern. Und sei es nur des Hauchs von südlicher Exotik wegen, die mich gewiss ein Stück weit besser durch die harte Zeit des mitteleuropäischen Winters tragen wird…
Informationen: APT del Garda Trentino, I-38066 Riva del Garda, Tel. 00 39/04 64/55 44 44, www.gardatrentino.it
Tourenführer: Sabine Malecha/Joachim Lutz »Genusswandern Gardasee«; Eugen Hüsler »Klettersteigführer Gardasee«, beide Bruckmann Verlag; Heinrich Bauregger »Gardaseeberge«; Mark Zahel »Trentino – Gardasee«, beide Bergverlag Rother.
Karten: Kompass, 1:50 000, Blätter 102 »Lago di Garda – Monte Baldo« und 071 »Alpi di Ledro – Valli Giudicarie«; Freytag & Berndt-Wanderkarte, 1:50 000, Blatt WKS 20 »Gardasee«.
Sie beginnt am nächsten Morgen denkbar unattraktiv in einem Industriegebiet. An einer Kiesgrube vorbei gilt es erst einmal, den richtigen Weg zu finden, dann verschwinde ich im dichten Pinienwald. Doch was nach der halbstündigen Einlaufphase folgt, darf man wohl zu Recht als den schönsten Klettersteig der Gardaseeregion bezeichnen. Erst in den 90er-Jahren angelegt, ist die »Ferrata Che Guevara« rasch zu einem Publikumsmagneten avanciert. Superlang ist sie, aber entgegen aller anfänglichen Mutmaßungen überhaupt nicht superschwer. Dafür bin ich schwer begeistert…
Dies insbesondere auch, weil ich heute einen Traumtag erwischt habe. Es ist Mitte Oktober, also schon weit im Herbst und mithin die beste Zeit für die Berge um den Gardasee. Gerade jetzt, da ein heftiger Kaltlufteinbruch den Nordalpen bereits Schnee bis unter 1000 Meter beschert hat, fühle ich mich im sonnig-milden Süden pudelwohl. Schließlich ist ja auch einer meiner besten Freunde dabei, der Nordföhn. Er ist es, der den blank geputzten Himmel und die bestechend klare Luft garantiert, Endorphine in Schwung bringt und das Gemüt Luftsprünge machen lässt. Anderen geht es wohl ähnlich, sie jauchzen und jubilieren, als sie nach der fast endlosen »Che Guevara« das grasige Gipfelplateau des Monte Casale erreichen. Als stiller Vertreter bin ich darob zwar etwas irritiert, aber doch innerlich zutiefst ausgeglichen, um ihnen das leicht partyhafte Gehabe nachzusehen…
Unterwegs am Monte Misone im Spätherbst, hinten die schroffen Brentaburgen
Und ewig lockt der Gardasee
Weshalb zieht es so viele Bergfreunde aus unseren Breiten ausgerechnet an den Gardasee? Auf diese Frage könnte man glatt einmal ein Soziologie-Seminar ansetzen. Und sicher würden sie auch die Binsenweisheit aufdecken, dass sich das Klima – gerade wenn der Spätherbst trübe in unsere Lande zieht – hier eben ganz wunschgemäß verhält. Wenn man noch gar nicht recht auf den bevorstehenden Winter programmiert ist, buhlt man als Bergaktiver um jede Saisonverlängerung…Aber ist das alles? Bereits Geheimrat Goethe huldigte anno 1786 dem größten See Italiens und legte damit wohl einen Grundstein für den heutigen Kultstatus. Mediterranes Flair verbindet sich hier mit einem überraschend alpinen Relief, das kaum Wünsche offenlässt. Mountainbiker finden ein Dorado von Singletrails und alten Militärstraßen, Wanderer eine unerschöpfliche Auswahl von bequemen Bergspaziergängen bis hin zu ausgedehnten Überschreitungen.
Die akrobatisch Veranlagten turnen relaxed (oder manchmal auch sportlich verbissen) an sonnenwarmen Felsen und die besondere Spezies der Ferratisti hat hier ebenfalls eine »location« ausgemacht, die zu den »Tops« im ganzen Alpenraum zählt. Jeder, wie er’s mag. Ich persönlich halte es ja eher mit den nicht ganz so exzessiv sportlichen Angelegenheiten, damit unterwegs auch noch Muße für das Drumherum bleibt. So wie auf der »Che Guevara« mit ihren grandiosen Tiefblikken, den anregenden Plattenpassagen vor allem im mittleren Teil und einem Fazit, das sich am Ende des Tages leicht ziehen lässt: eine tolle, große Bergtour, nicht nur am Eisengehalt gemessen.
Klettersteig ist Trumpf am Gardasee
Sehr unterhaltsam und nicht mal so anstrengend geht es auch auf den vier gesicherten Steigen rund um Cima Capi und Cima Rocca zu. Man kann sie prima kombinieren und bekommt dabei ständig neue Szenenwechsel geboten. Zeitweise findet man sich im typisch niederen Gehölz der Bergflanken wieder, dann steht man plötzlich vor einem eleganten Grataufschwung oder vor einer leicht kitzligen Traverse, am Sentiero dei Camminamenti schließlich auch vor einem Loch im Fels: Relikt aus dem Ersten Weltkrieg, als Tunnel und Schützengräben geschaffen, die Berge zum Austragungsort politischer Feindseligkeiten degradiert wurden.Ich bin zur Abwechslung in Biacesa am Eingang zum ruhigeren Val di Ledro gestartet. Wieder kündigt sich ein verheißungsvoller Tag an, der Föhnwind hält mir die Treue. Da kommt vor lauter Freude nicht mal ein Fünkchen Mitleid auf, für all jene, die jetzt jenseits des Alpenhauptkamms im Schneegestöber frieren.
Sonnenschein und frische, glasklare Luft lassen auch heute den Bergsteigermotor leichtgängig laufen. Und dann diese Seeblicke, zum Beispiel von der Cima Capi! Sie misst nur gut 900 Meter, entragt mit ihren Felsen kaum dem Waldkleid, doch man lasse sich nicht täuschen: Die absolute Höhe ist über dem Gardasee fast gleich der relativen, und weil der Gipfel der Cima Capi bloß 500 Horizontalmeter vom Ufer entfernt liegt, kann sich jeder ausmalen, wie steil die Topografie und wie gigantisch der Tiefblick auf die Wellen und flitzenden Surfer im tiefen Blau des Lago sein muss.
Da ich den Tag zur Gänze auszunutzen gedenke, schalte ich noch eine Extraschleife über die Via dell’Amicizia ein, deren lange Leitern beim Klettersteigvölkchen höchste Popularität genießen. Mein subjektives Urteil ist hingegen gespalten: Spektakulär sind sie allemal, fordern regelmäßig zu Mutproben heraus und erzeugen schließlich bei manchen Anwärtern echte Zitterpartien, doch das Gefühl, wie bei einer Feuerwehrübung dabei zu sein, macht die Sache etwas albern – kein Vergleich zur wirklich pfundigen »Che Guevara«. Über jeden Zweifel erhaben sind freilich auch hier die stetig wachsenden Blicke in die gähnende Tiefe; man wäre fast geneigt, direkt auf die Dächer von Riva zu spucken…
Vom Lago ins Hinterland
Ein Klassiker ist der Mori-Klettersteig am Monte Albano
Dort kommt mir zum Beispiel der Monte Pizzòcolo in den Sinn, den ich vor ein paar Jahren einmal etwas ungewöhnlich und mit leichter Kletterei gewürzt über den Südgrat bestiegen habe. Oder die sogar wintertaugliche Wanderung zur Cima Comér, vorbei an der sehenswerten Eremitage San Valentino: Klein-Tibet über dem Gardasee.
Ein paar Etagen tiefer schmiegen sich pittoreske Dörfer mit schlanken Kirchtürmen an die Gestade, nutzen bald jede kleine Landzunge. Die seeseitigen Abbrüche sind auch an der Cima Comér respektabel, während sich gegen das Hinterland eine bukolische Szenerie von Wald- und Wiesenhügeln auftut. Dieses Hinterland mag seinen Charme nicht so offenkundig zur Schau stellen, aber es schlägt allemal interessante Facetten auf und kommt praktisch ohne den notorischen Trubel der »Hot Spots« aus. Die Kehrseite besitzt halt auch immer ihre Vorteile.
Wer schon mal den Monte Corno überschritten hat, war bestimmt nicht enttäuscht, mit dem Lago di Ledro nur den bescheidenen Nachbarn des großen Benacus gesehen zu haben. Und mit dem Monte Cadria erhebt sich nicht weit entfernt sogar der höchste Gipfel der gesamten Gardaseeberge.
An einem schönen Oktobertag mache ich mich auf den Weg zu ihm, aus dem Valle dei Concei über die Malghe Vies und Cadria, schließlich über den schrofigen Südgrat zum höchsten Punkt und auf einer leicht abenteuerlichen, weglosen Route über die verfallene Baita Vesi wieder retour. Ringsum das zerknitterte, grüne Relief der Berge zwischen dem Gardasee und den Tälern Judikariens, während Adamello und Brenta wie steif gefroren am Horizont stehen.
Stille macht sich breit und das Ambiente einer typisch vorwinterlichen Voralpentour, die halt am anderen Ende unserer gewohnten Alpenwelt stattfindet. Für das nächste Mal nehme ich mir spontan die ganze Umrahmung des Valle dei Concei vor, von einem Gipfel zum nächsten, bestimmt an die zehn, zwölf Stunden lang…
Zwei Unzertrennliche
Noch länger, wenn es beliebt, kann man über den Monte Baldo wandern. Der Gebirgszug, der fast das gesamte Ostufer begleitet, ist wie kein anderer mit dem Gardasee verbunden – auch im Bewusstsein der Wanderer und Biker, die hier genügend Raum zum Austoben vor sich haben. Als paradiesisch gelten die Zustände auch für die Flora, die sich freilich eher im frühen Sommer farbenfroh ausbreitet.Der Monte Baldo wurde von den eiszeitlichen Gletschern um-, aber nicht überflossen, weshalb zahlreiche Vertreter einer Tertiärvegetation überleben konnten und nun als seltene Endemiten aufscheinen. Als ich nach fast fünfstündigem Aufstieg von Nago über mehr als 1800 Höhenmeter auf dem Monte Altissimo ankomme, sind noch einige Tageswanderer unterwegs.
Doch bald kehrt die große Einsamkeit ein. Nachdem die Sonne am westlichen Horizont verschwunden ist, finde ich im komfortablen Winterraum des Rifugio Chiesa Unterschlupf und wähne mich plötzlich ganz allein mit dem großen Monte Baldo. Am Morgen darauf fehlt der Blick in die tiefe Gardaseefurche. Schade! Aber der Kampf, den sich die Sonne mit dem wallenden Hochnebel liefert, ist nicht minder sehenswert.
Als ich auf dem Kammweg Richtung Süden bald wieder über dem Wolkenmeer stehe, fühle ich mich unendlich frei und in einer buchstäblich eigenen Sphäre. Wie auf einem urweltlichen Drachenrücken geht es dahin. Solche Eindrücke beschert eigentlich nur der Herbst, den ich ja längst zur »hohen Zeit« für die Gardaseeberge erkoren habe.
Eigentlich müsste sich heuer noch was ausgehen! Vielleicht mal wieder auf den Monte Stivo, um die grenzenlose Aussicht zu genießen? Oder eine stille Tour auf den Misone? Oder einen letzten zünftigen Klettersteig? Oder rund um den Tremalzo mal ganz neue Entdeckungsstreifzüge starten? Ich glaube, ich werde immer einen Grund finden, zum Saisonabschluss nochmals an den Benacus zu pilgern. Und sei es nur des Hauchs von südlicher Exotik wegen, die mich gewiss ein Stück weit besser durch die harte Zeit des mitteleuropäischen Winters tragen wird…
Info kompakt - Gardasee
Anreise: Über die Brenner-Autobahn bis Ausfahrt Rovereto Süd und weiter über die SS 240 Richtung Torbole und Riva del Garda. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ebenfalls über Rovereto (Bahn, dann Busanschluss). Buslinien bedienen auch viele Ortschaften im Hinterland des Gardasees, z. B. im Val di Ledro.Informationen: APT del Garda Trentino, I-38066 Riva del Garda, Tel. 00 39/04 64/55 44 44, www.gardatrentino.it
Tourenführer: Sabine Malecha/Joachim Lutz »Genusswandern Gardasee«; Eugen Hüsler »Klettersteigführer Gardasee«, beide Bruckmann Verlag; Heinrich Bauregger »Gardaseeberge«; Mark Zahel »Trentino – Gardasee«, beide Bergverlag Rother.
Karten: Kompass, 1:50 000, Blätter 102 »Lago di Garda – Monte Baldo« und 071 »Alpi di Ledro – Valli Giudicarie«; Freytag & Berndt-Wanderkarte, 1:50 000, Blatt WKS 20 »Gardasee«.
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Mark Zahel
Herbsttouren am Gardasee
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 11/2010. Jetzt abonnieren!
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