Nach dem großen Sturm 2011 ist wandern wieder möglich
Wandern in der Cinque Terre
© Andreas Strauß
Wandern in der Cinque Terre. Manarola bietet das perfekte Ambiente für Wein und Pizza.
Wandern in der Cinque Terre. Manarola bietet das perfekte Ambiente für Wein und Pizza.
Eine Lawine aus Schlamm bahnt sich ihren Weg durch Vernazza in der Cinque Terre, angeschoben von Regen und immer mehr Regen, der an diesem 25. Oktober 2011 in einer ungekannten Heftigkeit vom Himmel fällt. Die Schulkinder können auf ihrem Heimweg gerade noch durchs Wasser waten. Der Bäcker und seine Frau sind bereits damit beschäftigt, den Eingang ihres Ladens mit Brettern abzusichern. Am Ende ist von der Bäckerei, den Vinotheken, Bars und Wohnungen nichts mehr zu sehen. Bis zum ersten Stock reichen die Wassermassen, die durchs Dorf schießen – und mit ihnen Baumstämme, Teddybären, Autos. Den Geruch von Schlamm werden die Einwohner über Wochen und Monate nicht mehr aus den Nasen bekommen.
Als es endlich zu regnen aufhört, wird aus der braunen Brühe eine kompakte, stinkende Masse. Die Bilanz: drei Tote; der Sachschaden ist immens. 120 Touristen, die zum Saisonende noch hier waren, und der Großteil der Einwohner werden evakuiert. Das Dorf ist ohne Trinkwasser, Essen, Strom, Heizung, Hafen, Straßen- und Bahnanschluss. »Vernazza gibt es nicht mehr«, sagt Bürgermeister Vincenzo Resasco. So richtig verstanden, was das heißt, hat er allerdings erst später. »Anfang Dezember kam ich nachts vom Aufräumen heim. Vierzig Leute waren ja hier geblieben, um die Trümmer und den Schlamm wegzubringen. Ich habe übers Land geschaut und da war nichts mehr. Kein Licht, kein Mensch. Wir waren regelrecht ausgelöscht. Das war der schlimmste Moment in meinem Leben.«
Ein Jahr später. Zwei Engländer kaufen in der Bäckerei Panini ein. Die Einrichtung glänzt und strahlt. Nur ein Foto an der Wand zeigt, wie der Laden nach dem 25. Oktober ausgesehen hat. Auch die anderen Geschäfte haben wieder geöffnet, die Bewohner sind zurückgekommen. Am Kanal wird noch gearbeitet, die Straße ins Dorf ist offiziell gesperrt. Der Nationalparkbus, der die Touristen bringt, holpert über eine Behelfsbrücke, aus der die Armierungseisen wie Finger in die Luft greifen. Man mag kaum glauben, wie viel geschehen ist in diesem Jahr. Bürgermeister Resasco schmunzelt: »Italien im Alltag ist schrecklich. Aber im Notfall sind wir außergewöhnlich.«
Im vergangenen Sommer sind auch die ersten Wanderer zurückgekommen. In den Cinque Terre bringt man ihnen viel Sympathie entgegen. Und so waren viele Wege schon bald wieder begehbar. Der bekannteste Weg, die Via dell’ amore, führt nur wenig oberhalb der Küste durch Steilgelände und ist daher besonders gefährdet für Steinschlag und Erdrutsch. Nach dem ersten kräftigen Herbstregen hieß es daher auch 2012: Italien ohne l’amore, Liguriens berühmtester Wanderweg ist gesperrt.
Und sie kommen, um die Via dell’ amore zu gehen. Vor allem der Abschnitt von Riomaggiore nach Manarola ist spektakulär: Mitten in die Steilküste ist der Weg in den Felsen gehauen. Wer hier entlang geht, hat das Gefühl über das Wasser zu wandern. Aber auch der Pfad weiter bis nach Monterosso verläuft knapp über dem Meer und gibt den Blick frei auf tiefblaues Wasser und bunte Dörfer. Seit Jahrzehnten ist die Via dell’ Amore fester Programmpunkt für jeden Ligurienreisenden und im Angebot unzähliger Veranstalter. Ruhiger, aber nicht weniger schön sind die Wanderwege, die von den Dörfern über die Terrassen nach oben führen.
»Even better!«, findet das englische Ehepaar in der Bäckerei. Sie sind zum siebten Mal in den Cinque Terre. Dass sie auch 2012 wieder gekommen sind, war für sie keine Frage. Auch wegen der Überschwemmung. Gerade jetzt brauche man hier doch das Geld aus dem Tourismus. 40 Milliarden Euro wären in Italien nötig, um sich für Umweltkatastrophen wie jene am 25. Oktober 2011 zu rüsten. Solche Beträge sind nicht da. In Vernazza hat Bürgermeister Vincenzo Resasco ein griffigeres Konzept. Ein Gleichgewicht aus Tourismus und funktionierender Landwirtschaft. Er setzt sich dafür ein, dass die Wein- und Oliventerrassen in Stand gehalten werden und die charakteristischen Trockenmauern gepfl egt und wieder aufgebaut werden. Sie stützen die Hänge und sind gleichzeitig für den Wanderer einzigartig. Tatsächlich wird seit kurzem wieder gemauert an den steilen Hängen über Vernazza und Corniglia.
Oben an der Hangkante wird aufgeforstet. Durch den Klimawandel wird es den Pinien dort zu trocken, die Zusammenarbeit mit der Nachbargemeinde im Hinterland läuft bereits. Intakte Landschaft bietet Schutz und erhält den Tourismus langfristig. Dass das in den Cinque Terre nicht einfach ist, weiß man hier: »Natura dura«, die Härten der Natur. Dagegen hilft nur eines, nämlich anpacken und den Mut nicht verlieren. So haben sich die Vernazzesi in den Wochen nach dem 25. Oktober geholfen und so wird es auch in Zukunft sein. Ihr Lebensgeist wird auch den Wanderern zu Gute kommen, bis zum Frühling soll die Via dell’Amore wieder begehbar sein.
Als es endlich zu regnen aufhört, wird aus der braunen Brühe eine kompakte, stinkende Masse. Die Bilanz: drei Tote; der Sachschaden ist immens. 120 Touristen, die zum Saisonende noch hier waren, und der Großteil der Einwohner werden evakuiert. Das Dorf ist ohne Trinkwasser, Essen, Strom, Heizung, Hafen, Straßen- und Bahnanschluss. »Vernazza gibt es nicht mehr«, sagt Bürgermeister Vincenzo Resasco. So richtig verstanden, was das heißt, hat er allerdings erst später. »Anfang Dezember kam ich nachts vom Aufräumen heim. Vierzig Leute waren ja hier geblieben, um die Trümmer und den Schlamm wegzubringen. Ich habe übers Land geschaut und da war nichts mehr. Kein Licht, kein Mensch. Wir waren regelrecht ausgelöscht. Das war der schlimmste Moment in meinem Leben.«
Ein Jahr später. Zwei Engländer kaufen in der Bäckerei Panini ein. Die Einrichtung glänzt und strahlt. Nur ein Foto an der Wand zeigt, wie der Laden nach dem 25. Oktober ausgesehen hat. Auch die anderen Geschäfte haben wieder geöffnet, die Bewohner sind zurückgekommen. Am Kanal wird noch gearbeitet, die Straße ins Dorf ist offiziell gesperrt. Der Nationalparkbus, der die Touristen bringt, holpert über eine Behelfsbrücke, aus der die Armierungseisen wie Finger in die Luft greifen. Man mag kaum glauben, wie viel geschehen ist in diesem Jahr. Bürgermeister Resasco schmunzelt: »Italien im Alltag ist schrecklich. Aber im Notfall sind wir außergewöhnlich.«
Im vergangenen Sommer sind auch die ersten Wanderer zurückgekommen. In den Cinque Terre bringt man ihnen viel Sympathie entgegen. Und so waren viele Wege schon bald wieder begehbar. Der bekannteste Weg, die Via dell’ amore, führt nur wenig oberhalb der Küste durch Steilgelände und ist daher besonders gefährdet für Steinschlag und Erdrutsch. Nach dem ersten kräftigen Herbstregen hieß es daher auch 2012: Italien ohne l’amore, Liguriens berühmtester Wanderweg ist gesperrt.
Wandern auf der Via dell’ amore
Ein massives Eisengitter mit Vorhängeschloss bestätigt auch dem jeder staatlichen Autorität gegenüber skeptischen Italiener, dass die Sperrung ernst gemeint ist. Ein japanisches Pärchen beschränkt sich darauf, ein Bild vom Meer zu machen, dann geht es zurück ins Zentrum von Riomaggiore. Statt des halbstündigen Spaziergangs nach Manarola auf der Via dell’amore werden die beiden die Cinque Terre eben von der gemütlichen Seite genießen. Von November bis März ist es ruhig in den Cinque Terre, einem der schönsten Küstenabschnitte Italiens. Dann können die Kinder auf dem Dorfplatz von Riomaggiore Fußball spielen, in der Bar stehen ein paar alte Männer und plauschen mit dem Barista. Erst an Ostern fallen die Touristen ein. Sie kommen um die fünf malerischen Dörfer zu sehen, deren bunte Häuser an der Steilküste zu kleben scheinen: Riomaggiore, Manarola, Corniglia, Vernazza und Monterosso.Und sie kommen, um die Via dell’ amore zu gehen. Vor allem der Abschnitt von Riomaggiore nach Manarola ist spektakulär: Mitten in die Steilküste ist der Weg in den Felsen gehauen. Wer hier entlang geht, hat das Gefühl über das Wasser zu wandern. Aber auch der Pfad weiter bis nach Monterosso verläuft knapp über dem Meer und gibt den Blick frei auf tiefblaues Wasser und bunte Dörfer. Seit Jahrzehnten ist die Via dell’ Amore fester Programmpunkt für jeden Ligurienreisenden und im Angebot unzähliger Veranstalter. Ruhiger, aber nicht weniger schön sind die Wanderwege, die von den Dörfern über die Terrassen nach oben führen.
»Even better!«, findet das englische Ehepaar in der Bäckerei. Sie sind zum siebten Mal in den Cinque Terre. Dass sie auch 2012 wieder gekommen sind, war für sie keine Frage. Auch wegen der Überschwemmung. Gerade jetzt brauche man hier doch das Geld aus dem Tourismus. 40 Milliarden Euro wären in Italien nötig, um sich für Umweltkatastrophen wie jene am 25. Oktober 2011 zu rüsten. Solche Beträge sind nicht da. In Vernazza hat Bürgermeister Vincenzo Resasco ein griffigeres Konzept. Ein Gleichgewicht aus Tourismus und funktionierender Landwirtschaft. Er setzt sich dafür ein, dass die Wein- und Oliventerrassen in Stand gehalten werden und die charakteristischen Trockenmauern gepfl egt und wieder aufgebaut werden. Sie stützen die Hänge und sind gleichzeitig für den Wanderer einzigartig. Tatsächlich wird seit kurzem wieder gemauert an den steilen Hängen über Vernazza und Corniglia.
Oben an der Hangkante wird aufgeforstet. Durch den Klimawandel wird es den Pinien dort zu trocken, die Zusammenarbeit mit der Nachbargemeinde im Hinterland läuft bereits. Intakte Landschaft bietet Schutz und erhält den Tourismus langfristig. Dass das in den Cinque Terre nicht einfach ist, weiß man hier: »Natura dura«, die Härten der Natur. Dagegen hilft nur eines, nämlich anpacken und den Mut nicht verlieren. So haben sich die Vernazzesi in den Wochen nach dem 25. Oktober geholfen und so wird es auch in Zukunft sein. Ihr Lebensgeist wird auch den Wanderern zu Gute kommen, bis zum Frühling soll die Via dell’Amore wieder begehbar sein.
UNESCO Weltkulturerbe Cinque Terre
1997 sind die Cinque Terre gemeinsam mit dem Ort Porto Venere zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt worden. Ausschlaggebend war die einzigartige Kulturlandschaft mit fast 7000 Kilometern Trockenmauern, die über Jahrhunderte durch das Anlegen von Wein- und Obstterrassen entstanden sind. Seit 1999 genießen die Cinque Terre und der vorgelagerte Meeresabschnitt zudem den Schutz als Nationalpark. Altes Kulturland, unberührte Macchia mit vielen seltenen Tierarten und eine reiche Meeresflora und -fauna mit Streifendelfinen und Finnwalen zeichnen den Park aus. Wer im Park wandern möchte, benötigt die »Cinque-Terre-Card« (5 € als Tageskarte, 10 € für freie Benutzung der Verkehrsmittel).So bleiben Sie immer auf dem neuesten Stand!
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Andrea Strauß
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 05/2013. Jetzt abonnieren!
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