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03.09.2014
Kein Rassismus im Gebirge
Der Deutsche Alpenverein und der Österreichische Alpenverein setzen gemeinsam ein Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus: Mit dem Anbringen einer kommentierenden Tafel am Urnengrab Waldemar Titzenthalers im Rofental bei Vent (Ötztal) wollen sie zu einem kritischen und aufmerksamen Umgang mit den Zeugnissen der Geschichte aufrufen. Die alte Tafel lobte Titzenthalers »Kampf für das Deutschtum« – nun, zum 75. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges, klärt eine zweite Tafel über das Leben Titzenzhalers auf.
Der Berliner Fotograf Waldemar Titzenthaler (1869-1937) war von 1922 bis 1930 Vorsitzender der ehemaligen Sektion Mark Brandenburg des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins. Die Sektion Mark Brandenburg forderte vehement den Ausschluss jüdischer Bergsteigerinnen und Bergsteiger aus dem Alpenverein und verfolgte einen radikal deutschnationalen Kurs – weit vor der »Machtergreifung« durch die Nationalsozialisten.
Im Jahr 1945 wurde die Sektion Mark Brandenburg wie der gesamte Alpenverein von den alliierten Besatzungsmächten als nationalsozialistische Organisation aufgelöst und verboten. Die Sektion Berlin und ihre Nähe zum Ötztal Im Jahr 1949 gründete sich der »Alpenverein Berlin« und wurde zwei Jahre später als Sektion Berlin Mitglied des neu konstituierten Deutschen Alpenvereins.
Auch Weg zum Hochjochhospiz umbenannt
Auf Initiative der Sektion Berlin wurde dann im Jahr 2003 der ursprünglich nach Titzenthaler benannte Weg von Vent zum Hochjoch-Hospiz nach dem Bergführer und Freund des »Gletscherpfarrers« Franz Senn in Cyprian-Granbichler-Weg umbenannt. »Cyprian Granbichler steht für Bergfreundschaft, Aufopferungsbereitschaft und Treue – nicht nur im Ötztaler Alpinismus«, erklärt Klaus Kundt von der DAV-Sektion Berlin, der die Projektgruppe Ötztal zur Umbenennung von Wegen und Gipfeln in den Ötztaler Alpen leitet.
Diese Arbeitsgruppe fasste 2013 auch den Beschluss, am Urnengrab Titzenthalers eine kommentierende Tafel anbringen zu lassen. »Intolerante Geister sind keine Symbolfiguren für uns Bergsteiger, sie sollen und dürfen nicht durch Gedenktafeln oder eine andere Würdigung hochstilisiert werden«, sagt Klaus Kundt. Dementsprechend heißt es auf der kommentierenden Tafel unter anderem: »Titzenthalers Urnengrab ist uns heute Mahnung, der Intoleranz entgegen zu treten, wo immer sie uns begegnet.«
Den Text für die kommentierende Tafel haben der Deutsche Alpenverein und der Österreichische Alpenverein gemeinsam verfasst. Ende August wurde die Tafel in Abstimmung mit dem privaten Grundeigentümer und der Gemeinde Vent angebracht. Im Beisein des Bürgermeisters von Sölden, Mag. Ernst Schöpf, des stellvertretenden Direktors des Ötztal Tourismus, Ewald Schmid, des Altbürgermeisters der Gemeinde Kaunertal, Eugen Larcher, sowie von DAV-Vizepräsident Ludwig Wucherpfennig und dem Vorsitzenden des Landesverbandes Tirol des OeAV, Gerald Aichner, wurde die Tafel am 1. September der Öffentlichkeit vorgestellt.
Gerald Aichner bedankte sich beim Deutschen Alpenverein und der Sektion Berlin für ihre Arbeit und »diesen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der dunklen Periode unseres damals gemeinsamen Vereins« und erklärte: »Es war überfällig, sich von der Botschaft dieser alten Tafel zu distanzieren.« DAV-Vizepräsident Ludwig Wucherpfennig sagte: »Das Anbringen der Tafel und die Umbenennung des Weges sind ein wichtiger Beitrag, ein dunkles Kapitel der Geschichte des Alpenvereins anzusprechen und es nicht zu verdrängen.« Auch Söldens Bürgermeister Mag. Ernst Schöpf betonte, es sei wichtig, das Geschehen »nicht zu verdrängen und damit auch künftigen Generationen den Auftrag mitzugeben, dass sich Derartiges nie mehr wiederholen darf.«