Schneeschuh- und Winterwandern im Ötztal | BERGSTEIGER Magazin
Winter im vorderen Ötztal

Schneeschuh- und Winterwandern im Ötztal

Glitzernde Eiskristalle, weiße Wiesen, und dazu ein tief verschneites Gebirge mit dunklen Felswänden unter königsblauem Himmel: Das vordere Ötztal bietet die ideale Kulisse für Winter- und Schneeschuhwanderungen.
Von Christian Schneeweiß (Text) und Bernd Ritschel (Fotos)
 
Weißer Schnee, blauer Himmel, markante Felsen: eine Schneeschuhwanderung im Ötztal wie aus dem Bilderbuch © Bernd Ritschel
Weißer Schnee, blauer Himmel, markante Felsen: eine Schneeschuhwanderung im Ötztal wie aus dem Bilderbuch
Egal, ob Sie flache oder steile Anstiege bevorzugen, ob Sie lieber mit oder ohne Schneeschuhe unterwegs sind – rund um Pirchkogel, Acherkogel und Wörgegratspitze ist für jeden Geschmack etwas dabei. Ein besonderes Schmuckstück zum Winterwandern im vorderen Ötztal ist der Piburger See im Hügelland zwischen Oetz und Piburg. Heute vermittelt der See ein ruhiges und friedliches Bild – was allerdings nicht immer so war: Der See war einst Schauplatz einer Naturkatastrophe. Ursprünglich eine Furche, blockieren seit einem Bergsturz nach der letzten Eiszeit wuchtige Gesteinsbrocken das südliche Ende der Senke. Das davor aufgestaute Wasser gab dem See seine heutige Form. Auch die Achstürze bei Habichen im Ötztal sind Zeugnis dieses Bergsturzes. Besonders eindrucksvoll wirken die Wasserfälle, wenn man entlang der Ötztaler Ache von Oetz Richtung Habichen spaziert und vor Habichen rechts die Wellerbrücke über den Wildfluss nimmt. (Winterwanderung Oetz )

Weiß schäumend donnert die Ache hier über Riesenblöcke hinab. Noch spektakulärer wird die Kulisse, wenn sich an den Felsblöcken im Winter lange Eiszapfen gebildet haben. Weiter westlich geht es ein kurzes Stück durch einen Wald hinauf. Oben angekommen, trifft man auf den Elsinger Weg, einen breiten und stets geräumten Winterwanderweg. Je nach Sonnenstand kann man nun auf der linken oder rechten Seite am Piburger See entlang flanieren. Auf einer Schneeschuhtour oder Winterwanderung im Ötztal bezaubert der Kontrast aus klarem Wasser, weißem Schnee und – sofern unter der Schneedecke noch erkennbar – tiefgrünem Nadelwald. In Piburg angekommen, drängt sich eine Einkehr im Hotel Seerose oder dem Gasthof Piburgersee geradezu auf. Hier kann man auch Schlitten ausleihen. Zwar ist die Rodelbahn nicht allzu lang, dafür aber bis 22 Uhr beleuchtet. (Winterwanderung Sautens Haderlehn )

Blass-bleiche Felsen zwischen Tumpen und Oetz

Mehr als doppelt so lang, nämlich fünf Stunden, ist man auf dem Ortschaftswanderweg zwischen Tumpen und Ötztal- Bahnhof unterwegs. Kurz hinter Tumpen ragt wie ein Schiffsbug die Habicher Wand (2176 m), der westliche Ausläufer des Acherkogels, hervor. Auf der anderen Seite der Ache zieht die Armelenwand die Blicke auf sich. An ihrem Ufer verläuft ein eingetretenes Wegerl bis nach Habichen. Weiter am Flussufer entlang geht es nach Oetz. Dort lohnt es sich, die Gast- und Bürgerhäuser im alten Dorfkern mit ihren teils üppigen Fassadenmalereien und meisterlichen Holzkonstruktionen aus dem 17. Jahrhundert genauer zu betrachten. Vereinzelt stammt die Bausubstanz sogar noch aus romanischer Zeit. Wandert man auf der linken Seite der Ache von Oetz nach Sautens weiter, erreicht man das hügelige, von einzelnen Schwarzkiefern gesäumte Gelände des Sautener Forchet. Die Felsflanke aus bleichem Kalkstein sticht sofort ins Auge. Auch sie ist Zeugnis eines Bergsturzes und stammt vom hinterm Inn aufragenden Tschirgant (2370 m). Im Vergleich zum dunklen Granodiorit des Acherkogels erscheint der bleiche Kalkstein beinah schneeweiß. Nach der letzten Brücke über die Ötztaler Ache geht es am Inn weiter nach Ötztal- Bahnhof, dem kommerziellen Zentrum des Ötztals mit einem riesigen Funpark. Mit dem Ötztaler Bus gelangt man in 20 Minuten wieder zurück nach Tumpen. (Von Tumpen nach Oetztal-Bahnhof )

Ferne Gipfel ganz nah  - auf den Rauhen Kogel

Wer ein paar mehr Höhenmeter zurücklegen möchte, ist mit einer Schneeschuhtour auf den Rauhen Kogel (1783 m) abseits des Skigebiets von Hochoetz gut bedient. Von Windegg (1340 m) geht es erst einmal quer durch Wald abwärts zu den schnell ausapernden Hängen des Stufenreich (1320 bis 1220 m). Beim folgenden Aufstieg über den bewaldeten Westrücken wird’s spannend: Der Schnee hier kann entweder bereits eingetreten oder der Weg unangenehm vereist sein. Falls es gerade frisch geschneit hat, muss man eventuell auch selbst spuren. Ist der Rauhe Kogel schließlich erreicht, geht es abseits des Weges noch ein Stück weiter, bis man über Almflächen und Schneisen wieder absteigen kann. Alternativ kann man auch auf guten Winterwanderwegen über die freie Kühtaile Alm und das Skigebiet Hochoetz zur Bergstation der Acherkogelbahn (2020 m) weiterwandern, und von dort mit der Bahn nach Oetz hinunter fahren. (Winterwanderung auf den Rauhen Kogel )

Mit Schneeschuhen auf den Wetterkreuzkogel

Das Schneeschuhrevier des vorderen Ötztals beginnt dort, wo das Skigebiet Hochoetz aufhört: in Wald, einem kleinen Ortsteil von Ochsengarten. Von dort zieht es sich durch das Tal des Nederbachs bis zum Kühtai (2017 m). Südwestlich vom Nedertal zweigen einige Täler mit ebenfalls guten Bedingungen ab: Längental, Mittertal oder das nur wenig lawinengefährdete Wörgetal. Allerdings lässt sich in diesem Tal nur der Wetterkreuzkogel (2591 m) bequem und sicher per Schneeschuh besteigen. Wer dies tun möchte, nutzt den Parkplatz an der zweiten Brücke über den Nederbach. Wir steigen durch den lichten Zirbenwald auf und treffen auf immer mehr Schneeschuhgruppen, die ebenfalls unterhalb der schroffen Wände von Schafzöllen und Karlesspitzen in gleichmäßigem Wiegerhythmus durchs Wörgetal wandern. Eine Steilstufe, dann geht es in einem weiten Rechtsbogen um einen Felsabbruch herum. Und siehe da: Wir erreichen eine Mulde, der wir bis zum Gipfel folgen können. (Schneeschuhtour Wetterkreuzkogel )

Schneeschuhtouren für Geübte

Außer Wörgegratspitze und Acherkogel haben wir von hier auch den Sulzkogel und das Längental im Blick. Auf beiden Seiten des Tals erheben sich schroffe, am Zwölferkogel (2988 m) bis 700 Meter hohe, schneedurchsetzte Felsflanken oder felsdurchsetzte Schneeflanken. Wer hier unterwegs ist und etwa zur Niederreichscharte (2729 m) aufsteigen und den Blick übers mittlere Ötztal auf den Geigenkamm genießen möchte, sollte lawinenerfahren und zudem geübt im Umgang mit Schneeschuhen sein. Kürzer, aber eindrucksvoller ist die Wanderung durch das Mittertal. Startpunkt ist die Dammkrone des Speichers Längental. Von hier folgt man zunächst einem Fahrweg, danach geht es, unterbrochen von Steilstufen, flach dahin, bis man unter einer steilen Mulde landet. Selbst wer hier schon wieder kehrt macht, wird von dem Anblick der wuchtigen Acherkogel- Westflanke und der Urgesteinswand am Südgrat geradezu erschlagen. Wenn die Lawinenlage es zulässt, können Alpinisten weiter ins südöstliche Firnbecken aufsteigen, die Schneeschuhe in einem Schartl ausziehen und über eine Zweierstelle auf die Wechnerwand (2855 m) kraxeln. Während sich im Süden die schroffen Stubaier Gipfel vom vergletscherten Breiten Grieskogel bis zum felsigen Schrankogel ausbreiten, zeigt sich im Norden der von Skitourengängern überlaufene Gipfel des Pirchkogels. (Schneeschuhtour Wechnerwand )

Minimale Lawinengefahr am Schafjoch

Westlich des Pirchkogels taucht aus einer Hochfläche plötzlich ein Bergrücken auf. Für Schneeschuhgeher ist diese Erhebung ideal: weitgehend ungefährdet von Lawinen können sie hier unbeschwert dahinwandern. Die Tour startet am Sattele (1690 m), folgt einem Fahrweg durch Wald zur Feldringalm und verläuft dann völlig frei und losgelöst von irgendwelchen Spurzwängen über die sanft geneigte Hochfläche der Feldringer Böden. Ein längerer Aufschwung führt zur Kammschulter des Schafjochs mit Gipfelsteinmann. Hier eröffnet sich ein tolles Gebirgspanorama: Im Süden erhebt sich über dem zugefrorenen Speichersee Finstertal der Zwölferkogel neben dem wie gewohnt düster dreinschauenden Acherkogel. Im Norden reihen sich überm Inntal wie schneeweiße Zähne mit starkem Kariesbefall die Nördlichen Kalkalpen von der Mieminger Kette bis zu den Lechtaler Alpen auf. Und vor ihnen, mitten im Inntal: der Tschirgant. (Schneeschuhtour Schafjoch )
Christian Schneeweiß
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 03/2012. Jetzt abonnieren!
 
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