Hüttenzauber im Trentino

»I Refugi del Gusto« - Feinschmeckerhütten in den Dolomiten

So vielfältig wie die Trentiner Bergwelt sind ihre Hütten. Für Feinschmecker erweisen sich vor allem »I Rifugi del Gusto« als reizvoll – bis in den Herbst hinein.
Von Diana Gäntzle (Text und Fotos)
 
Von der Rotwandhütte hat man einen traumhaften Blick in die Bergwelt des Rosengarten © Diana Gäntzle (4), Pio Geminiani/Trentino Tourismus S.p.A
Von der Rotwandhütte hat man einen traumhaften Blick in die Bergwelt des Rosengarten
Wenn im Sommer gegen fünf Uhr früh der Tag anbricht, gehen mit der Sonne auch die Herzen von Anita und Roberto Cornella auf. In diesen Momenten gehört der Blick von 2410 Metern Höhe auf das Val d‘Ambiez dem Paar ganz allein. »Das Erste am Tag ist Kaffeetrinken auf der Terrasse«, schwärmen die Cornellas, die das Rifugio Silvio Agostini bewirtschaften. Erst nach diesen meditativen Augenblicken beginnt der Trubel des Tages. Ab sechs Uhr gibt es Frühstück für die bis zu 60 Gäste in der Hütte, die Dolomiten-Gipfel umringen wie die Ränge eines Amphitheaters die Bühne.

Von hier aus brechen die Bergsteiger auf zu einigen der eindrucksvollsten Durchquerungen und Besteigungen in der Brenta: Die Gipfel Cima Tosa, Cima Prato Fiorito und Cima d‘Ambiez liegen vor der Tür, die Berghütten Rifugio Tosa und Rifugio Pedrotti erreicht man über den Klettersteig »Sentiero attrezzata Livio Brentari« und das Rifugio XII Apostoli über den Klettersteig »Ferrata Castiglioni«. Zum Rifugio Brentei gelangt man über die Bocca d‘Ambiez und die Vedretta dei Camosci. Manche Bergsteiger bleiben aber auch einfach ein paar Tage im Rifugio Silvio Agostini, wie eine Gruppe deutscher Kletterer, die sich vorgenommen hat, eine ganze Woche die Touren um die Hütte zu erkunden. »Hier sind nahe Zugänge zu den Felsen«, sagen sie. »Es gibt sehr ambitionierte Routen so ab sechs plus, die Wand ist sehr gerade, der Stein recht fest.« Die Gruppe genießt das »traditionelle Klettern an den naturbelassenen Wänden«.

Rifugio Silvio Agostini

Roberto Cornella weiß um die perfekte Lage seiner Hütte nicht nur für Bergsteiger und Klettersteigliebhaber, sondern auch für Kletterer. »Die Cima d‘Ambiez ist der Kletterfelsen Nummer eins«, sagt er und sein Arm zeigt auf den Felsen direkt hinter der Hütte. Jedes Jahr kommen Bergschulen und geben einwöchige Kurse. Ein weiteres Markenzeichen des 1937 erbauten Hauses ist die frische, regionale Küche. So sammelt der ausgebildete Koch Roberto Cornella etwa im Mai Bergspinat für die ganze Saison. »Daraus werden unsere Spinatknödel gemacht«, erzählt der dreifache Familienvater, der auf der Hütte groß wurde. In den 70er Jahren setzte der Alpenverein »Società degli alpinisti tridentini« Robertos Vater als Wirt ein, 2003 übernahm Roberto das Regiment. Über die Töpfe herrscht Anita. »Meine Frau ist der Chef«, sagt Roberto lachend und führt in die Küche, wo sie den Nudelteig bearbeitet.

Da die Cornellas Wert auf feines Essen legen, bieten sie ihren Gästen auch das Programm »I Rifugi del Gusto« an. Überall im Trentino warten die »Schutzhütten für Feinschmecker« die ganze Saison über mit einem besonderen Gericht auf, das von einem Sternekoch entworfen wurde. 2013 etwa gab es unter anderem Trentiner Gerstensuppe, Apfelkuchen, ein Glas Wein und ein Gläschen Grappa für zehn Euro. In jeder der Hütten ist außerdem ein Wochenende mit Komplett-Angebot buchbar, das neben dem Menü geführte Wanderungen und die Übernachtung beinhaltet. Außerdem wollen die »Rifugi del Gusto« mit erweiterten Öffnungszeiten punkten: War bislang die Saison oft schon Anfang September vorbei, haben sie teils bis in den Oktober geöffnet.

Rotwandhütte im Rosengarten

In der Rotwandhütte, Roda de Vaèl, auf 2283 Metern im Rosengarten, ist im Herbst noch Hochsaison. »Hier sind lauter Deutsche«, sagt die junge Wirtin Roberta Silva in flüssigem Deutsch. »Die gehen gerne im Herbst in die Berge.« Die meisten Gäste bestellen Apfelschorle zu ihrem Gulasch mit Speckknödel, am Mittag liegt die Süddeutsche Zeitung schon recht zerlesen auf dem Tisch. Unverkennbar, dass das Rifugio direkt an der Grenze zu Südtirol liegt. Die Stube drinnen ist gemütlich und sehr persönlich eingerichtet. Familienfotos hängen an der Wand. Eines zeigt den Lebensgefährten von Roberta Silva in Jubelpose ganz oben auf einem Gipfelkreuz. Bergliebe, festgehalten in einem Schnappschuss.

Seit neun Jahren bewirtschaftet Roberta Silva die über hundert Jahre alte Alpenvereinshütte, ursprünglich zusammen mit ihrem Lebensgefährten. Der erfahrene Bergführer aber verunglückte vor zwei Jahren auf tragische Weise bei einer Tour. Mit ihrem jüngsten Kind war Roberta damals noch schwanger. Kein Grund für sie, die Hütte aufzugeben. »Er ist gestorben und ich gehe einfach weiter«, erzählt Roberta mit einem Achselzucken und man kann nur erahnen, dass es genau das nicht ist – einfach. Die Geselligkeit in ihrer Stube gibt Roberta Silva Kraft. Sie sitzt gerne mit ihren Gästen zusammen. Das Größere ihrer beiden Kinder trägt auch schon die Wirts-Gene in sich: Mit kundigen Vorschulkritzeleien auf einem Block nimmt der Knirps Bestellungen an. Das Menü des Programms »I Rifugi del Gusto« ordern bislang noch nicht allzu viele Gäste. »Es ist etwas Neues«, sagt Roberta. Das Konzept müsse sich etablieren. Und trotz aller Genussfreude: »Die Leute laufen nicht gerne drei Stunden für ein Feinschmecker- Menü«, sagt Roberta und lacht. Wegen der Schlemmerei allein kämen die Gäste nicht an diesen traumhaften Ort. Wer einmal oben war auf der Rotwandhütte, weiß, dass bei dieser Tour auch das beste Essen nur das Tüpfelchen auf dem i sein kann.

Weitere Infos zum Programm »I Rifugi del Gusto« unter: www.visittrentino.it/i-rifugi-del-gusto
 

Feinschmecker-Hütten im Trentino

Feinschmecker-Hütten im Trentino
  1. Rifugio Silvio Agostini (2410m)
  2. Rifugio Roda di Vaél / Rotwandhütte (2280 m)
  3. Rifugio La Montanara (1525 m)
  4. Rifugio Fuciade (1972m)
  5. Rifugio la Rosetta (2578 m)
  6. Rifugio La Roda (2125 m)
  7. Rifugio Doss del Sabion (2100 m)
  8. Rifugio Adamello Collini Al Bedole (1640 m)
Diana Gäntzle
 
Mehr zum Thema