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29.05.2019
Stau am Dach der Welt
Über 300 Bergsteiger sollen am 22. Mai auf dem höchsten Berg der Welt gestanden haben. Die meisten von ihnen waren von der Südseite aus aufgestiegen – und dabei gehörig im Stau gestanden. Das Bild einer langen Bergsteiger-Schlange, das der Nepalese Nims Purja auf Facebook veröffentlicht hatte (siehe oben), löste heftige Reaktionen aus. Peter Habeler forderte beispielsweise in einem Interview mit der FAZ, die nepalesische Regierung solle die Zahl der Permits beschränken, wie es die chinesischen Behörden getan haben. Sie hatten eine Obergrenze von 300 Permits eingeführt, diesen Frühling aber sogar nur 142 Genehmigungen erteilt.
Die Kälte beim Warten schwächt die Menschen dort oben extrem. Außerdem wird bei einem Stau möglicherweise mehr Flaschensauerstoff verbraucht als eingeplant. Wer bereits im Aufstieg an seine Grenzen gegangen ist, hat dann keine Kraft- und Sauerstoffreserven mehr für den nicht minder anstrengenden und deswegen tödlicheren Abstieg übrig. Immer wieder kommt es außerdem vor, dass langsame, ungeübte Bergsteiger alle anderen aufhalten. Einzelne Stimmen fordern daher eine Überprüfung der Fähigkeiten vor der Erteilung eines Permits.
Eine weitere Idee hat der Bergjournalist Stefan Nestler: Er plädierte dafür, weniger, statt mehr Fixseile am Berg anzubringen. Wären nur noch die Schlüsselstellen versichert, kämen unerfahrene Aspiranten gar nicht erst in kritische Höhen.
Luis Stitzinger am 24.5.2019 am Gipfel des Mount Everest, im Hintergrund Makalu (8485 m, mi.) und Lhotse (8516 m, re.); Foto: Stitzinger – goclimbamountain.de
Luis Stitzinger sah von einem Gipfelversuch ohne Flaschensauerstoff ganz ab. Ursprünglich hatte der Bergführer aus Füssen geplant, den Everest im Anschluss an seine Tätigkeit als Expeditionsleiter ein zweites Mal anzugehen, doch nach der erfolgreichen Führungstour – Luis erreichte den Gipfel mit sieben Kunden über die Nordseite –, war das Schönwetterfenster zu. Der Everest ist Stitzingers neunter Achttausender, war aber im Gegesatz zu vielen anderen Bergsteigern kein Lebenstraum für ihn. »Mich hat der ganze Rummel am Everest eigentlich bisher immer geschreckt. Nun, als ich dort war, konnte ich mich der Faszination des Berges selbst nicht entziehen. Bei Sonnenaufgang ganz oben zu stehen und die Welt so weit unter den eigenen Füßen liegen zu sehen hat schon etwas Magisches. Aber auch wenn wir mit viel Sauerstoff, Climbing Sherpas und Sicherheitstechnik das Risiko so gering wie möglich halten, ist das Ganze selbstverständlich noch immer nicht ungefährlich. Ist es das wert? Diese Frage muss sich jeder selbst beantworten – und die Antworten werden sehr unterschiedlich ausfallen.«
Seiner Frau Alix von Melle, mit sieben 8000ern die erfolgreichste deutsche Höhenbergsteigerin, war es das nicht wert und sie entschied sich dagegen, ihren Mann zu begleiten. Dem Bergsteiger sagte sie: »Für mich privat kommt nur eine Besteigung ohne Sauerstoff in Frage. Ohne Sauerstoff kannst Du nicht einfach mal zwei Stunden am Gipfelgrat im Stau stehen, wie es eben doch immer wieder am Everest vorkommt.«
Erfolgreiche Everest-Besteigungen ohne Flaschensauerstoff wurden von Elisabeth Revol und Juan Pablo Mohr vermeldet. Mohr soll dies als erstem Chilenen gelungen sein. Valandré, Sponsor von Elisabeth Revol, zog die Nachricht nach zwei Wochen wieder zurück. Die Französin habe den Gipfel zwar erreicht, anders als geplant wegen der Staus aber auf dem letzten Stück aber doch Flaschensauerstoff verwendet. Im Anschluss an den Everest bestieg sie auch noch den Lhotse. Revol scheint somit wieder ganz in Form zu sein, sie hatte bei der ersten Winterbesteigung des Nanga Parbat durch eine Frau im Winter 2018 extreme Erfrierungen an Händen und Füßen erlitten.
Mehr Fixseile als Lösung?
In Nepal sieht man jedoch keine Notwendigkeit für eine Begrenzung der Permits. Mohan Krishna Sapkota vom nepalesischen Tourismusministerium will keine Verbindung zwischen den Besteigerzahlen und den Todesfällen sehen. Er macht der Presse gegenüber stattdessen das Wetter, ungenügende Sauerstoffvorräte sowie schlechte Ausrüstung verantwortlich und plant in der nächsten Saison im Gipfelbereich eine zweite Reihe an Fixseilen anbringen zu lassen.Die Kälte beim Warten schwächt die Menschen dort oben extrem. Außerdem wird bei einem Stau möglicherweise mehr Flaschensauerstoff verbraucht als eingeplant. Wer bereits im Aufstieg an seine Grenzen gegangen ist, hat dann keine Kraft- und Sauerstoffreserven mehr für den nicht minder anstrengenden und deswegen tödlicheren Abstieg übrig. Immer wieder kommt es außerdem vor, dass langsame, ungeübte Bergsteiger alle anderen aufhalten. Einzelne Stimmen fordern daher eine Überprüfung der Fähigkeiten vor der Erteilung eines Permits.
Eine weitere Idee hat der Bergjournalist Stefan Nestler: Er plädierte dafür, weniger, statt mehr Fixseile am Berg anzubringen. Wären nur noch die Schlüsselstellen versichert, kämen unerfahrene Aspiranten gar nicht erst in kritische Höhen.
Ansturm keine Überraschung
Der Deutsche David Göttler hat seinen Versuch, den Gipfel ohne Flaschensauerstoff zu erreichen, auf 8650 Metern wegen der Menschenmenge und einem drohenden Wetterumschwung beendet. Dem Portal Abenteuer Berge sagte er: »Ich bin zufrieden mit dem, was ich hier gemacht habe. Ich bin meinem Stil treu geblieben. Klar hätte ich mich gefreut, wenn ich den Gipfel erreicht hätte. Ich fühle mich aber nicht als Opfer der Massen hier! Ich wusste ja, was mich erwartet.« Sich als Profi überrascht über die Menschenmengen zu zeigen, halte er für Effekthascherei und gibt zu bedenken: »Wir (Profis) sind es ja allen voran, die immer wieder erzählen und auch davon leben, wie toll diese Berge sind!«Luis Stitzinger am 24.5.2019 am Gipfel des Mount Everest, im Hintergrund Makalu (8485 m, mi.) und Lhotse (8516 m, re.); Foto: Stitzinger – goclimbamountain.de
Luis Stitzinger sah von einem Gipfelversuch ohne Flaschensauerstoff ganz ab. Ursprünglich hatte der Bergführer aus Füssen geplant, den Everest im Anschluss an seine Tätigkeit als Expeditionsleiter ein zweites Mal anzugehen, doch nach der erfolgreichen Führungstour – Luis erreichte den Gipfel mit sieben Kunden über die Nordseite –, war das Schönwetterfenster zu. Der Everest ist Stitzingers neunter Achttausender, war aber im Gegesatz zu vielen anderen Bergsteigern kein Lebenstraum für ihn. »Mich hat der ganze Rummel am Everest eigentlich bisher immer geschreckt. Nun, als ich dort war, konnte ich mich der Faszination des Berges selbst nicht entziehen. Bei Sonnenaufgang ganz oben zu stehen und die Welt so weit unter den eigenen Füßen liegen zu sehen hat schon etwas Magisches. Aber auch wenn wir mit viel Sauerstoff, Climbing Sherpas und Sicherheitstechnik das Risiko so gering wie möglich halten, ist das Ganze selbstverständlich noch immer nicht ungefährlich. Ist es das wert? Diese Frage muss sich jeder selbst beantworten – und die Antworten werden sehr unterschiedlich ausfallen.«
Seiner Frau Alix von Melle, mit sieben 8000ern die erfolgreichste deutsche Höhenbergsteigerin, war es das nicht wert und sie entschied sich dagegen, ihren Mann zu begleiten. Dem Bergsteiger sagte sie: »Für mich privat kommt nur eine Besteigung ohne Sauerstoff in Frage. Ohne Sauerstoff kannst Du nicht einfach mal zwei Stunden am Gipfelgrat im Stau stehen, wie es eben doch immer wieder am Everest vorkommt.«
Erfolgreiche Everest-Besteigungen ohne Flaschensauerstoff wurden von Elisabeth Revol und Juan Pablo Mohr vermeldet. Mohr soll dies als erstem Chilenen gelungen sein. Valandré, Sponsor von Elisabeth Revol, zog die Nachricht nach zwei Wochen wieder zurück. Die Französin habe den Gipfel zwar erreicht, anders als geplant wegen der Staus aber auf dem letzten Stück aber doch Flaschensauerstoff verwendet. Im Anschluss an den Everest bestieg sie auch noch den Lhotse. Revol scheint somit wieder ganz in Form zu sein, sie hatte bei der ersten Winterbesteigung des Nanga Parbat durch eine Frau im Winter 2018 extreme Erfrierungen an Händen und Füßen erlitten.
Franziska Haack