Ana´s way west – Etappe 5 | BERGSTEIGER Magazin

Ana´s way west – Etappe 5

Ana überquert die Alpen – allein, von Ost nach West in 60 Tagen: 1900 Kilometer durch die Österreichischen-, Italienischen-, Schweizer- und Französischen Alpen. Auf unserem Blog könnt ihr sie begleiten! Hier alles zu Etappe 5
 
© ana´s way west
Puh. Was soll ich dazu sagen. Es war ein unglaubliches und wunderbares Erlebnis und ich grinse immernoch, wenn ich daran denke. Der Ortlergipfel mit seinen 3905 Metern. Der Aufstieg dauerte ca. drei Stunden und war technisch etwas anspruchsvoller, was mir unendlich viel Spaß gemacht hat. Kletterei, zunächst mit Stirnlampen im Dunkeln, dann im orangenen Licht des Sonnenaufgangs, und schließlich eine Überquerung des imposanten Gletschers im gleißend hellen Weiß.



Dank des gemäßigten Tempos war ich nie außer Atem und konnte jeden Moment in vollen Zügen genießen. Bis hinauf zum Gipfel, der mit dem einmaligen Wetter Momente von unbeschreiblicher Schönheit bescherte: Das umliegende Gebirge entfaltet sich zu unseren Füßen und ist dabei noch so mächtig, dass man umso deutlicher die Größe des Gipfels merkt, den wir hier temporär bevölkern dürfen.

Was für eine Wucht. Ich wusste gar nicht mehr, wo ich hin atmen soll, so umwerfend schön war das alles. Markus, der Bergführer, wollte unbedingt, dass wir im Seil eingehängt bleiben, aber ich konnte nicht. Kaum hatte ich ein paar Schritte auf dem Gipfel Plateau gemacht (das immerhin breit genug für die zu dem Zeitpunkt bestimmt 10 Bergsteiger war), kamen mir die Tränen.



Man sagt „überwältigend“. Ich würde gerne „überbergend“ oder irgendein anderes Wort erfinden mit dem ich all die Emotionen fassen kann. Ich kenne das von mir, dass Gipfel mich so mitreißen. Der Name oder die Höhe sind eigentlich egal. Es sind einfach solche Momente, die im Rest des Lebens so unerreichbar scheinen und die dann plötzlich in einer Präsenz da sind, die mir die Tränen in die Augen pressen. 

Der Abstieg fiel mir nicht so leicht. Es gab eine schwierigere Passage zum abseilen und da fehlt mir einfach das Vertrauen. Ich weiß, dass es richtig und eigentlich leicht ist, sich einfach in den Gurt zu setzen, ich habe es oft erlebt. Aber mental verursacht mir das immernoch eine Blockade, die ich (noch) schwer lösen kann. Es ist gut zu wissen, dass ich das dringend mehr üben muss. 



Nach einer Pause auf der Payerhütte bin ich, noch leicht euphorisiert, ins Tal gelaufen. Je mehr Höhenmeter bergab es ging (insgesamt waren das an dem Tag um die 2500), je mehr meine Knie anfingen mich doof zu finden, je dicker die Luft wurde und je dichter die Vegetation, umso ferner schien mir die Magie des Gefühls und des Überblicks vom Vormittag. Dass es so schnell gehen kann, das macht mich sentimental. Aber die Erinnerung bleibt.