6. Mai, EBC
In meinen bisherigen Blog-Einträgen habe ich mehrmals erwähnt, dass es manch einem Everest-Anwärter an Kompetenzen und Erfahrungen fehlt – was ja auch immer wieder in den Medien zu lesen und zu hören ist. Was qualifiziert mich denn, um den Versuch zu starten, den höchsten Berg der Erde zu besteigen?
Diese Everest-Expedition ist meine 16. im nepalesischen Himalaya. Meine erste Besteigung fand im Jahr 2005 statt; seitdem bin ich jedes Jahr, mit Ausnahme von 2016, zum Trekking und auf Expedition hier gewesen, einmal im Jahr. Viele Gipfel habe ich nicht betreten, da ich viel Pech gehabt habe, unter anderem weil die Komponente »Wetter«, ein extrem wichtiger Aspekt beim Höhenbergsteigen, nicht immer mitgespielt hat.
Mein Tourenbuch sieht wie folgt aus, fett geschriebene Gipfel habe ich erreicht:
2005: Mera Peak (6645 m)
2006:
Mera Peak
2007: Singu Chuli (6501 m)
2008: Kang Guru (6981 m)
2009: Ama Dablam (6856 m)
2010: Ama Dablam
2011: Manaslu (8163 m)
2012: Ganesh I-Yangra (7422 m)
2013: Manaslu
2014:
Lobuche (6131 m) und Everest (8850 m)
2015:
Lobuche und Everest
2017:
Lobuche und Everest
2018:
Island Peak (6189 m) und Everest
2005 wurde ich beim Anstieg zum Mera Peak höhenkrank, konnte aber trotzdem bis auf zwei- bis dreihundert Meter oberhalb des »Hich Camps« (5800 m) aufsteigen, bevor ich völlig daneben wieder absteigen musste. 2006 lief die gleiche Besteigung jedoch problemlos, bis ganz oben. 2007 kannte unser Sherpa »Guide« nicht einmal den Weg zum Singu Chuli, sodass wir gleich am selben Tag, als wir vom Machhapuchare Basislager zur Besteigung des Berges aufgebrochen waren, wieder umkehren mussten. 2008 wurden wir von einem Wetterumschwung am selten bestiegenen Kang Guru (Nar-Phu-Tal) überrascht und mussten nach einer »heftigen« Nacht im letzten Lager auf 6000 Metern den Besteigungsversuch abbrechen. 2009 war ich an der sehr technischen und wunderschönen Ama Dablam unterwegs, ebenfalls bis 6000 Meter (Lager 2), bevor uns eine Schlechtwetterfront zum Abstieg zwang. 2010, wieder die Ama Dablam, diesmal fast bis oben, also circa bis 6680 Meter, bis zur sehr steilen »blue ice«-Rampe, die an den berühmt-berüchtigten hängenden Gletscher (»dablang«) führt. Die Bindung meiner Steigeisen machte Probleme, sodass ich im stark vereisten und 65° steilen Gelände etwa alle 10 Meter mit ihnen hantieren und sie neu festziehen musste, damit sie nicht einfach abfielen. Irgendwann wurde es einfach zu viel.
2011, der Hammer: Mein Sherpa Bergführer, der eine ganze Woche nach mir im Manaslu Base Camp eingetroffen war (er war vorher noch in Norwegen, wo er Gruppen in Fjörden führte), hatte gerade einmal zehn Tage für die Besteigung des achthöchsten Bergs der Erde – samt Trek vom Basislager zurück nach Arughat und dann die Fahrt nach Kathmandu, also gut vier bis fünf Tage für die eigentliche Besteigung. Wir hätten also ohne Akklimatisierung gleich ins erste, dann zweite, dann dritte und schließlich, vor dem Gipfelsturm, vierte Lager aufsteigen müssen! Wir stiegen zwar bis ins Lager 1 auf, kamen aber am nächsten Morgen wieder runter, da Steve, der andere Kunde, und ich, Kopfschmerzen hatten. In der Nacht schneite es dann ungefähr einen Meter am Base Camp (typisch für den Manaslu) und die Expedition war vorbei.
2012, eine sehr interessante Expedition im selten besuchten Tsum Valley, über die ich ausführlich in meinem Buch »Die heiligen Berge Nepals« (Vajra Books, Kathmandu 2014) berichte. Ganesh I-Yangra, ein knapp 7500er, für den wir die erste Genehmigung überhaupt erhielten. Nachdem wir eine erste Route, die ins Nichts führte, probiert hatten, versuchten wir es an einer anderen Stelle; aber auf knapp 6000 Metern mussten wir aufgeben, da wir mit einem Meer von Bergspalten konfrontiert wurden, das uns mit Sicherheit ganz einfach geschluckt hätte. 2013 erreichte ich meinen bisherigen »Höhepunkt« in den Bergen: Lager 4 am Manaslu, 7500 Meter (ohne Sauerstoff, mit gut 14 Kilo auf dem Rücken). Beim Aufstieg ins C4 lähmte eine Zyste im rechten Knie mein unteres rechtes Bein und verursachte sehr starke Schmerzen. Ich schaffte es dennoch bis ins letzte Lager, lag aber zu spät im Zelt, um gleich wenige Stunden später den Gipfel in Angriff zu nehmen.
Die Everest Versuche
2014 wurden alle Expeditionen am Everest annulliert, nachdem am 18. April ein Serac von der West-Schulter in den Eisfall gestürzt war und 16 Höhenarbeiter in den Tod gerissen hatte. Wir hatten nicht einmal einen Fuß an den Berg gesetzt. 2015 wurden wieder alle Expeditionen am höchsten Berg der Erde annulliert, und zwar nach dem starken 7,9 Erdbeben und der anschließenden Lawine (19 Tote), die das EBC teilweise verwüstete. Wir waren gerade einmal durch den Khumbu-Eisfall gegangen, bis kurz vor das erste Lager. 2017 musste ich am Everest umkehren, weil ein starker Sturm aus dem Nichts aufkam. Ich hatte die Nacht vom 23. Mai im dritten Lager, auf 7200 Metern verbracht. Sowohl 2014, als auch 2015 und 2017 konnte ich jedoch problemlos unseren Akklimatisierungsgipfel, den Lobuche erreichen. Am 10. April haben wir dieses den Island Peak, ebenfalls zur Akklimatisierung vor dem »Jomolangma« bestiegen.
Dennoch, ja, ich bin ein Amateur, auch wenn ich, hoffentlich, in circa 2 Wochen den Dritten Pol, das Dach der Welt, die »Stirn der Mutter Göttin« erreichen sollte.
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