Der Kufsteiner Klettersteig | BERGSTEIGER Magazin
Auf Eisenwegen durch's Kaisergebirge

Der Kufsteiner Klettersteig

Nach den klassischen, zum Teil schon historischen Klettersteigen, die die Besteigung eines großen Gipfels mit einem grandiosen Landschaftserlebnis verbinden, gibt es im Kaisergebirge nun auch eine modern eingerichtete, sehr empfehlenswerte Ferrata. Von Axel Jentzsch-Rabl (Text und Bilder)

 
Die steile Passage der sog. »Schwarzen Wand« bildet die Schlüsselstelle der Route © Axel Jentzsch-Rabl
Die steile Passage der sog. »Schwarzen Wand« bildet die Schlüsselstelle der Route
Lange war es in Sachen Eisenwege still in der zerklüfteten Felskulisse des Kaisergebirges, der aktuelle Klettersteigboom rauschte am Kaisergebirge im Inntal vorbei. Doch siehe da, hoch über Hinterbärenbad – das ist die Stelle des Kaiserbaches, an der früher die Bären Abkühlung gesucht haben sollen, und wo jetzt das Anton-Karg-Haus steht – wurde durch die Nordwand des Unteren Gamskarköpfls heimlich ein Eisenweg realisiert. Lange war dieser Gipfel als unbedeutender Punkt auf der Karte markiert, und die eher im klassischen Dolomitenstil gehaltenen, alten Kaiserklettersteige führten auf andere, bekanntere Gipfel.

Wohl auch aus diesem Grund wurde die kühne Idee geboren, im Wilden Kaiser eine neue, den modernen Ansprüchen der Action-Klettersteiggeher gerecht werdende Klettersteiganlage im Einklang mit der Natur zu bauen, selbst gegen die Einwände der lokalen Kletterszene. Albin Kraisser, der Hüttenwirt von Hinterbärenbad, setzte den Plan als »Bauleiter« schlussendlich in die Tat um.

In enger Absprache mit der Hardcore-Klettergemeinde wurde  das Untere Gamskarköpfl, ein »Nicht-Klettergipfel«, für die Ferratisten ausgewählt. Dieser Berg hat mit dem Güttlersteig – dem nordseitigen Normalweg auf das Sonneck – auch einen idealen Zu- und Abstiegsweg für die geplante Steiganlage. Das Klettersteigprojekt wurde von der Naturschutzbehörde genehmigt; der Bau erfolgte recht zügig und konnte im Sommer 2008 abgeschlossen werden.

Eine neue Ferrata-Ära im Kaisergebirge

Der sehr gut gelungene Klettersteig ist eine Mixtur aus dem alpin angehauchten unteren Teil und  dem grandiosen, immer steiler und luftiger werdenden Finale bis auf den Gipfel. Im unteren, plattigen Schrofenteil erreicht man das erste große Schuttband, auf dem man etwas verschnaufen kann. Eine flache Felsstufe, der sog. »Zweiten Schrofenvorbau«, führt dann zu einem Band. Auf diesem Band stehend, blickt man ehrfurchtsvoll an der »Schwarzen Wand« hinauf und bereitet sich auf den abrupten Wechsel von leicht horizontal auf stark vertikal vor.

Sehr steil und luftig hangelt man sich, mit Hilfe des Stahlseils und einiger Klammern, am Rand des dunklen Wasserstreifens empor und muss letztendlich noch mit etwas erhöhtem Krafteinsatz die Schlüsselstelle (KS 5 – 6 bzw. D) meistern. Meistens etwas ausgepumpt erreichen die Klettersteigler das rettende Schuttband, auf dem man linkshaltend zur nächsten Wandstelle kommt.

Als »Verschnaufplatzerl« bietet sich der sog. Latschenkopf an, nach diesem führt ein steiler Kamin – dort sind die Alpinisten unter den Klettersteiggehern eindeutig im Vorteil, da diese meist die bessere Klettertechnik haben – zum steilen Pfeiler. Der Pfeiler wäre im Grunde gar nicht so schwer (KS 5 bzw. C/D), doch neigt man in dieser luftigen, leicht ansteigenden Passage meist dazu, in die gewaltige Tiefe zu blicken und sich fast reflexartig noch fester an das Stahlseil zu klammern.

Götterquergang, Adlerhorst und Gipfelgrat

Der Adlerhorst – der letzte Ruhepunkt vor dem Finale – lässt schon erahnen, wie schön der Ausblick bei der Gipfelrast sein muss und so nimmt man die nächsten, leichteren Kletterstellen meist etwas lockerer in Angriff. Über kurze Stufen und kleine Bänder steigt man immer höher bis auf das Band unter dem Gipfel.

Von oben winken schon die Latschen herunter, das Ende der Tour scheint nah zu sein. Doch die Götter haben etwas anderes vor und so muss der Stahlseilkletterer noch eine sehr luftige und am Ende sehr steile Querung bewältigen. Hoch über dem Kaisertal turnt man fast waagrecht nach rechts, unter einem die winzige Hütte bei Hinterbärenbad und in der Ferne sind Wendelstein und Inntal fast zum Greifen nah. Schlussendlich steigt man über eine sehr anstrengende Steilstufe hinauf zum Gipfelgrat, der zum höchsten Punkt leitet – vergleichbar mit den letzten Metern auf den Gipfel des Matterhorns, nur eben in Miniaturausführung.

Beinahe 600 Meter Stahlseil hat man jetzt hinter sich gebracht und steht unter dem formschönen, schlichten Holzkreuz. Fast andächtig schweift der Blick über den Zahmen Kaiser bis weit hinaus ins Inntal, diese einzigartige Weite ist ein wahrer Genuss. Als harter Kontrast ragen östlich die Gipfel von Kleiner Halt und Totenkirchl in die Höhe und schnell wird einem bewusst, warum die beiden Gratkämme Zahmer und Wilder Kaiser heißen.

Ähnlich dem Wechselbad zwischen den Weiten des Inntals und den schroffen steilen Zacken des Kaisers kann man auch den Kufsteiner Klettersteig sehen. Das moderne »Bauwerk« gekonnt – aber doch etwas abstrakt – im geschichtsträchtigen Gebirgsstock angelegt, wird sicher zum modernen Klassiker aufsteigen!

Kufsteiner Klettersteig/Unteres Gamskarköpfl (1975 m)

Höhe: 375 Hm Kletterzeit: 21⁄4 Std.
Schwierigkeiten: Eine Stelle D, meist aber um C, nur im unteren Steigabschnitt deutlich leichter.
Ausrüstung: Komplette Klettersteigausrüstung und Helm, für schwächere Geher ein Sicherungsseil.
Ausgangsort: Kufstein (499 m)
Ausgangspunkt: Anton-Karg-Haus (829 m) in Hinterbärenbad
Anreise: Über die Inntalautobahn nach Kufstein (Ausfahrt Kufstein Nord) und in den Ortsteil Sparchen. Beim Kaiserbach befindet sich ein großer, gebührenpflichtiger Parkplatz, dort beginnt der Aufstieg ins Kaisertal. Öffentliche Verkehrsmittel: Auch ideal mit der Bahn zu erreichen, vom Bahnhof in Kufstein mit dem Bus nach Sparchen
Zustieg Anton-Karg-Haus: Vom Ortsteil Sparchen in Kufstein steigt man über die Kaiserstiege (früher für die Bewohner des Kaisertales die einzige Möglichkeit ihren Hof zu erreichen) ins Kaisertal auf. Auf breitem Forstweg erreicht man die Hütte in Hinterbärenbad (Anton-Karg-Haus), die der ideale Ausgangspunkt für den Kufsteiner Klettersteig ist. Zeit: 2 – 21⁄2 Std.
Zustieg Steig: Von Hinterbärenbad (Anton-Karg-Haus) folgt man dem Bettlersteig, bis auf ca. 1070 m links der Güttlersteig in Richtung Sonneck abzweigt (Tafel). Auf dem Güttlersteig eine Weile bergauf, bis der Weg rechts von glatten Felsen verläuft (eine Klammer auf dem Steig), danach kommt ein Schuttfeld (1580 m). Dort verlässt man den Güttlersteig nach links und steigt durch eine steile, etwas erdige Rinne (Klammern) zu einer markanten, gebogenen Lärche auf. Hinter dem Baum kurz zum Einstieg hinunter. Einstieg auf 1600 m.
Zeit: 13⁄4 Std. ab Hinterbärenbad
Abstieg: Vom Gipfel folgt man kurz dem Grat in südöstlicher Richtung und steigt rechts zum schon sichtbaren Güttlersteig ab (kurze Drahtseilpassage A/B). Über diesen dann hinunter nach Hinterbärenbad (Anton-Karg-Haus). Zeit: 13⁄4 Std. bis Hinterbärenbad Bemerkungen: An der Nordseite der Gamskarköpfe hält sich im Frühjahr recht lange der Schnee! Auch im Herbst kann es zu Vereisungen kommen (im unteren Abschnitt des Klettersteiges ist es oft feucht).

Für Konditionsstarke bietet sich nach dem Klettersteig noch die Besteigung des Sonnecks (2260 m) an – ab Ausstieg Klettersteig ist mit ca. 1 Std. Gehzeit zu rechnen. Führer: Derzeit in keinem Führer erwähnt, umfangreiche Infos (Topo, Fotos und Beschreibung) im Internet auf www.bergsteigen.at

 
Axel Jentzsch-Rabl (Text und Bilder)
 
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