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22.10.2018
Simon Gietl löst Versprechen für verunglückten Freund ein
Simon Gietl berichtet:
"Bei einem Salewa-Athletentreffen 2009 begegnete ich Gerry Fiegl aus dem Ötztal das erste Mal. Er war neu im Team. Wir verstanden uns auf Anhieb gut – so, als würden wir uns schon viele Jahre kennen. Immer wieder waren wir gemeinsam in den Alpen unterwegs. Es war nicht nur seine alpine Kompetenz, warum ich gerne mit ihm unterwegs war, sondern die Kombination zwischen »sein können« und seiner sympathischen Art – wir hatten unglaublichen Spaß.2014 beschlossen wir, zusammen nach Patagonien zu reisen. Ein kurzes Wetterfenster von sechs Stunden war unsere einzige Chance, in Richtung Fitz Roy zu starten. Unser Plan: vom Tal nonstop zum Gipfel und zurück. Die Wahrscheinlichkeit war gering, dass wir bei diesen Verhältnissen den Gipfel erreichen werden, aber unsere gemeinsame Motivation war grenzenlos. Mir war klar, um eine solche Aktion zu starten, braucht es den richtigen Seilpartner, auf den man sich zu 100 Prozent verlassen kann – das war bei Gerry ohne jeden Zweifel der Fall.
Wir erreichten nach 21 Stunden den höchsten Punkt des Fitz Roy, wo wir uns überglücklich die Hände drückten. Es waren sehr intensive Stunden. Regen, Schneefall und starker Wind machten uns das Leben schwer und trotzdem hatten wir richtig viel Spaß dabei. Am Gipfel fühlten wir uns für einen kurzen Moment wie Helden – Helden, die unsterblich sind. Aber leider sind auch wir sterblich.
Simon Gietl am Gipfel der Cima Scotoni
Gerry verunglückte am 26. Oktober 2015 in Nepal tödlich. Als mich die Nachricht erreichte, zog es mir den Boden unter den Füßen weg. Ich wollte und konnte es nicht glauben. In diesem Moment wurde mir das erste Mal klar, wie sehr mir Gerry ans Herz gewachsen war, wie viel er mir als Mensch bedeutete. Er war ein richtiger Freund, mit dem ich über alles reden konnte.
Mir war wichtig, mein Versprechen, das ich ihm vor seiner Abreise nach Nepal gegeben hatte, zu halten: Er hatte die Idee, eine traditionelle, natürliche Erstbegehung an der Cima Scotoni zu machen. Ich sollte mit ihm diese Linie eröffnen und ihm mein Wort geben. Das habe ich getan. Das Schicksal hatte zwar andere Pläne, aber für mich war klar: Mein Versprechen, Gerrys Linie mit keinem anderem Partner zu klettern, werde ich halten. So kam der Gedanke, die Tour im Alleingang zu eröffnen.
Schon vorher war mir bewusst: Diese Erstbegehung wird mit Sicherheit die größte Herausforderung sein, der ich mich je bei einer Erstbegehung stellte. Aber gleichzeitig war klar, dass ich viel geben werde. Nein, ich werde alles geben.
Als ich am 27. Juni 2018 nach 21 Seillängen schließlich am Gipfel der Cima Scotoni stand, überkam mich ein Wechselbad der Gefühle. Weit und breit war kein Mensch zu sehen und zu hören und trotzdem fühlte ich mich nicht allein. Ich sagte: »Danke, Gerry« – »Can you hear me?«"