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09.10.2018

Alpenvereine befürchten neue Skigebietserweiterungen in Tirol

Die Alpenvereine kündigen Widerstand an gegen den Skigebiets-Ausbau durch die Hintertür in Tirol. Sie wollen »den Finger in die Wunde legen«.
 
 
 
Die Wildspitze, aufgenommen am Gipfel des Linken Fernerkogels. Naturbelassene, wilde Gegend im Spannungsfeld zwischen den Skigebieten Ötztal/Pitztal; Foto: ÖAV/Werner Flörl
Ein Entwurf der Tiroler Landesregierung zur Änderung des »Tiroler Seilbahn- und Skigebiets-Programms« (TSSP) lässt die Alpenvereine Alarm schlagen. Bei einer Pressekonferenz am 9. Oktober in Innsbruck haben führende FunktionärInnen von ÖAV und DAV die Pläne der Landesregierung erläutert und scharf kritisiert. Ihrer Meinung nach könnten die Pläne einem weiteren Ausbau von Skigebieten und Seilbahnen »Tür und Tor öffnen«.
 
Der Entwurf der Regierung betont zwar, keine Neuerschließungen ermöglichen zu wollen. Da darin allerdings neu definiert wird, was eine Neuerschließung ist, wird ein solcher Ausbau, wie er z. B. mit der Zusammenlegung der Skigebiete Ötztal und Pitztal geplant ist, juristisch wieder möglich. Diese Scheinheiligkeit traf bei dem Podium der Konferenz auf harsche Kritik und wurde etwa von Liliana Dagostin, Referentin für Raumplanung und Naturschutz beim ÖAV, als lediglich »grünes Mäntelchen um eine tiefschwarze Betonierermentalität« bezeichnet.
 
Bisher war ein Ausbau nur innerhalb der festgelegten Grenzen eines Skigebiets möglich. In der neu entworfenen Fortschreibung des TSSP, die gleichzeitig auch einige Änderungen beinhalte, werde es durch einige geschickte Umformulierungen und Neubenennungen möglich, lange in der Schublade verschwundene Erschließungspläne wieder auf die Tagesordnung zu bringen, betonte auch ÖAV-Präsident Ermacora.
 
»Die ›Ski-Gebieter‹ wünschen. Die Landesregierung spielt mit«, brachte es Dagostin prägnant auf den Punkt. Auch Rudi Erlacher, Vizepräsident des Deutschen Alpenvereins, vertrat seinen Verein mit einer kritischen, wenngleich weniger drastischen Position. Man habe als DAV angesichts des immer deutlicher spürbaren Klimawandels auf den Realitätssinn der Politik gehofft, der statt zu weiteren Erschließungen zu einer »Konsolidierung des Geschäftsmodells Skitourismus« führen würde. Erlacher nannte als konkretes Problem die Braunschweiger Hütte, die von einer Zusammenlegung der Seilbahnen im Ötztal und Pitztal direkt betroffen wäre und dann – ähnlich wie bereits die Dresdner Hütte im Stubaital – im Skigebiet liegen würde. Der DAV-Vize ging auch auf das Riedberger Horn ein, wo sich gezeigt habe, dass die großen Umweltschutzorganisationen inklusive der Alpenvereine noch nie so viel Rückhalt unter der Bevölkerung genossen hätten wie jetzt.
 

v.l.: Rudi Erlacher, Vizepräsident des Deutschen Alpenvereins, Andreas Ermacora, Präsident des Österreichischen Alpenvereins, Liliana Dagostin, Leiterin der Abteilung Raumplanung & Naturschutz im ÖAV, Gerald Aichner, 1. Vorsitzender des Tiroler Landesverbands im ÖAV. Foto: ÖAV/Peter Neuner

Zugleich betonten die anwesenden VertreterInnen, dass die Vereine selbst nicht viel tun könnten, kündigten aber dennoch weiteren Widerstand an: »Wir werden den Finger in die Wunde legen«, so Liliana Dagostin. Vorbild sei der Fall des Riedberger Horns in Bayern, wo eigens der Raumordnungsplan geändert worden war, um eine Skischaukel zu bauen. Ein Plan, der dann jedoch aufgrund von fehlender Akzeptanz in der Bevölkerung wieder aufgegeben wurde.

Kritik an den Vereinen

Die Vereinschefs mussten sich aber auch kritischen Fragen stellen, etwa danach, ob die Alpenvereine in den entscheidenden Jahren möglicherweise zu blauäugig in ihrem Verhältnis zur Politik gewesen seien und sich von Entscheidungsträgern hätten einlullen lassen – dies zumal sich Präsident Ermacora damit brüstete, dass man auch Größen aus Wirtschaft und Politik in den Reihen der Alpenvereins-Mitglieder habe, die man notfalls sprechen lassen könne. Ermacora sah sich zudem damit konfrontiert, dass er das gemeinsame Berggehen mit Kanzler Sebastian Kurz damit gerechtfertigt hatte, dass man das Gespräch mit Politikern suchen müsse.
 
Ob die Forderungen der Alpenvereine zum Stopp der Erschließungen und ihre Appelle für sanften Tourismus ausreichen werden, muss sich noch zeigen. Den Finger in die Wunde zu legen, heiße nach eigenem Bekunden zunächst einmal nur, mit »guten Bildern« auf den Ausbau hinzuweisen sowie das Gespräch mit Skifahrern zu suchen hinsichtlich der Frage, ob diese denn die Erschließungen gewünscht hätten.
 
 
Christian Marlon Träger