Fünf 3000er auf der »Venediger-Krone«
Großvenediger Hochtourenrunde
© Michael Pröttel
Zum Glück im Gepäck: Ohne Schneeschuhe wäre die Tour zum Scheitern verurteilt gewesen.
Zum Glück im Gepäck: Ohne Schneeschuhe wäre die Tour zum Scheitern verurteilt gewesen.
»Des da hint is der Großvenediger!« Die angebliche Aussicht auf den fünfthöchsten Gipfel Österreichs ist und bleibt die Mutter aller Bergunwahrheiten, deren größte der Radiomoderator Stefan Frühbeis einst identifizierte. Richtig ist hingegen: Der 3667 Meter hohe Gipfel ist an schönen Wochenenden hoffnungslos überlaufen. Außer man ist pfiffig und verhält sich antizyklisch. Will heißen, man fährt erst dann in die Hohen Tauern, wenn die Hütten bereits geschlossen sind.
Ein tief eingeschnittener Talschluss, darüber ein wild zerrissener Riesengletscher und ganz oben ein strahlend weißer Gipfelrücken. Auf der Fahrt vom Matreier Tauernhaus nach Innergschlöß stellt sich »das mit dem Venediger« schon mal nicht als Fehlinformation, sondern als wahres Objekt der Begierde für Silke, Jana und Wolfi dar.
Zum Glück wurden am Vortag noch schnell Schneeschuhe ausgeliehen. Eine goldrichtige Entscheidung, wie sich auf zweieinhalb Kilometer Meereshöhe herausstellt. Nach einem fast trockenen Anstieg zur Alten Prager Hütte erwartet die drei Bergfexe oberhalb des uralten Steingebäudes plötzlich eine zusammenhängende und vor allem nicht tragende Schneedecke. Mit Gamaschen allein käme man jetzt nicht mehr weiter.
Früher Aufbruch vom Winterraum der Badener Hütte
Kaum ist die Sonne weg, fegt auch schon ein eisiger Wind vom Großvenediger über den Schlatenkees herab. Kein Grund sich hinter dem Ofen zu verkriechen. Denn während das Feuer heimelig in selbigem knistert, geht draußen hinter der Glockner-Gruppe der Vollmond auf. Einer gemütlichen Nacht steht nichts mehr im Wege. Zumal Wolfi versichert:
Nach drei Stunden steht Jana am Beginn des luftigen Gipfelgrats. Nur Ungeduldige eilen hier schnell zum höchsten Punkt hinüber. Unsere Berg-Gourmets schalten einen Gang runter und genießen jeden Schritt der wunderschönen Himmelsleiter. Schließlich ist es kaum zu fassen, dass niemand sonst an diesem strahlenden Samstag am Tauern-Riesen unterwegs ist.
Am dritten Tag der großen Runde steht – da sind sich alle sicher – erst einmal gemütliches Auslaufen auf dem »Venediger Höhenweg« auf dem Programm. Allerdings haben Jana, Silke und Wolfi ihre Rechnung ohne die dabei zu querenden, steilen Tobel gemacht. Im Sommer sind diese kurzen Klettersteigpassagen mit Drahtseilen gesichert. Jetzt aber verschwinden die meisten Stahlstränge nach wenigen Zentimetern unter Schnee und Eis.
Kurz vor dem Gipfel des Venedigers – und kein Mensch in Sicht
Rinne für Rinne muss in anstrengender und oft nicht ganz ungefährlicher Wühlarbeit umgangen werden. Ausgerechnet beim allerletzten Absatz findet sich kein Alternativ-Weg. Dafür ragt ein Stift der Stahlseil-Verankerung aus dem Eis. Also Seil raus, Klettergurte an, Prusik-Schlinge geopfert und schon erhält Jana ihre Feuertaufe in Sachen Abseilen. Und unten angekommen kann Silke der stolzen Freundin grinsend verkünden:
Das wiederum führt die Berglügen-Juroren zu einem wenig aussagekräftigem Endergebnis. Drei der fünf Lügenklassiker haben sich auf der Venediger-Runde als Unwahrheiten herausgestellt. Absolut eindeutig ist hingegen die Erkenntnis: Im Spätherbst kann man selbst in einer ansonsten überlaufenen Gebirgsgruppe drei Tage lang mutterseelenallein unterwegs sein!
Ein tief eingeschnittener Talschluss, darüber ein wild zerrissener Riesengletscher und ganz oben ein strahlend weißer Gipfelrücken. Auf der Fahrt vom Matreier Tauernhaus nach Innergschlöß stellt sich »das mit dem Venediger« schon mal nicht als Fehlinformation, sondern als wahres Objekt der Begierde für Silke, Jana und Wolfi dar.
»Gamaschen brauch ma gwiis net!«
Diese (ebenfalls nicht selten geäußerte) Irreführung in Sachen Ausrüstung ist bei einem Herbst-Start auf 1700 Meter natürlich grundsätzlich zu hinterfragen. Tatsächlich hat das letzte Oktober-Drittel den Lärchen goldene Nadeln und der oberen Berg-Etage weiße Hangflanken beschert.Zum Glück wurden am Vortag noch schnell Schneeschuhe ausgeliehen. Eine goldrichtige Entscheidung, wie sich auf zweieinhalb Kilometer Meereshöhe herausstellt. Nach einem fast trockenen Anstieg zur Alten Prager Hütte erwartet die drei Bergfexe oberhalb des uralten Steingebäudes plötzlich eine zusammenhängende und vor allem nicht tragende Schneedecke. Mit Gamaschen allein käme man jetzt nicht mehr weiter.
Früher Aufbruch vom Winterraum der Badener Hütte
»I hab no nia g'schnarcht!«
Als langjähriges Bergteam wissen die Mädels: Diese klassische Hütten-Lüge ist aus dem Mund des Freundes die reine Frechheit. Trotzdem erwachen Jana und Silke am nächsten Morgen auch ohne Ohrenschutz vollkommen erholt. Und das ist gut so. Angesichts einer bevorstehenden Gehzeit von acht Stunden dürfen sich die drei am zweiten Tag nicht im Schneckentempo bewegen.Nach drei Stunden steht Jana am Beginn des luftigen Gipfelgrats. Nur Ungeduldige eilen hier schnell zum höchsten Punkt hinüber. Unsere Berg-Gourmets schalten einen Gang runter und genießen jeden Schritt der wunderschönen Himmelsleiter. Schließlich ist es kaum zu fassen, dass niemand sonst an diesem strahlenden Samstag am Tauern-Riesen unterwegs ist.
»Mia san glei' da.«
Ein Blick auf die Karte genügt, dass niemandem der nächste Lügen-Klassiker aus dem Mund rutscht. Anstelle der Hütten-Direttissima winkt ein saftiger Umweg übers Frasnitztörl, das –wie sich heraus stellt – auch noch mit zwei Gegenanstiegen gewonnen werden will. Dafür lernen die drei das fast schon plateauartige Ausmaß des Mullnitzkees Schritt für Schritt kennen und erreichen erst im letzten Tageslicht den Winterraum der Badener Hütte.Am dritten Tag der großen Runde steht – da sind sich alle sicher – erst einmal gemütliches Auslaufen auf dem »Venediger Höhenweg« auf dem Programm. Allerdings haben Jana, Silke und Wolfi ihre Rechnung ohne die dabei zu querenden, steilen Tobel gemacht. Im Sommer sind diese kurzen Klettersteigpassagen mit Drahtseilen gesichert. Jetzt aber verschwinden die meisten Stahlstränge nach wenigen Zentimetern unter Schnee und Eis.
Kurz vor dem Gipfel des Venedigers – und kein Mensch in Sicht
»Des steilste Stück hamma scho!«
Tatsächlich haben weder das Steilstück beim Wildenkogl-Aufstieg noch der Abstieg über den Löbbensee zum Matreier Tauernhaus das Zeug dazu, dem Neigungswinkel der Abseil-Aktion das Wasser zu reichen.Das wiederum führt die Berglügen-Juroren zu einem wenig aussagekräftigem Endergebnis. Drei der fünf Lügenklassiker haben sich auf der Venediger-Runde als Unwahrheiten herausgestellt. Absolut eindeutig ist hingegen die Erkenntnis: Im Spätherbst kann man selbst in einer ansonsten überlaufenen Gebirgsgruppe drei Tage lang mutterseelenallein unterwegs sein!
Die Großvenediger-Runde in drei Tagen
- Beste Jahreszeit: Je nach Schneelage Ende Juni/Anfang Juli und September/Oktober
- Anfahrt: Von Kitzbühel, Lienz oder Mittersill mit dem Schnellbus bis Matrei. Von dort zu Fuß, mit dem Taxibus oder der Kutsche zum Ausgangspunkt nach Innergschlöss (1691 m)
- Tourenabschnitte:
- 1. Tag: Hüttenzustieg Innergschlöss – Neue Prager Hütte, 3 ½ Std., Aufstieg 1100 Hm
- 2. Tag: Großvenediger/Venediger-Krone Neue Prager Hütte – Großvenediger 3½ Std., Großvenediger – Kristallwand 2½ Std., Kristallwand – Badener Hüt e 2 Std., Aufstieg 1000 Hm, Abstieg 1200 Hm
- 3. Tag: Venediger Höhenweg/Wildenkogel Badener Hütte – Abzw. Löbbentörl 1½ Std., Abzw. Löbbentörl – Wildenkogel 2 Std., Wildenkogel – Matreier Tauernhaus 2½ Std., Aufstieg 600 Hm, Abstieg 1700 Hm
- Unterkunft: Die Neue Prager Hütte (2782 m) ist von Ende Juni bis Ende September geöffnet. Danach steht ein offener Winterraum zur Verfügung, Tel. 00 43/6 64/1 60 26 27; die Badener Hütte (2608 m) öffnet Mitte Juni und schließt ebenfalls Ende September, auch hier steht eine offene Winterhütte bereit, Tel. 00 43/6 64/9 15 56 66.
- Infos: Als Karte empfiehlt sich die AV-Karte 1:25 000, Nr. 36, »Venedigergruppe«. Als Führer hat sich der »AV-Führer Venedigergruppe « (Bergverlag Rother) bewährt
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Michael Pröttel
Fotos:
Michael Pröttel
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 11/2015. Jetzt abonnieren!
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