Ana´s way west – Etappe 1 | BERGSTEIGER Magazin

Ana´s way west – Etappe 1

Ana überquert die Alpen – allein, von Ost nach West in 60 Tagen: 1900 Kilometer durch die Österreichischen-, Italienischen-, Schweizer- und Französischen Alpen. Auf unserem Blog könnt ihr sie begleiten! Hier alles zu Etappe 1
 
© ana´s way west

Die Suche nach dem Rhythmus im Triglav Nationalpark

Rhythmus. Der Duden sagt: „lateinisch rhythmus < griechisch rhythmós = Gleichmaß, eigentlich = das Fließen, zu: rheĩn = fließen“. Es geht also darum, in einen gleichmäßigen Fluss zu kommen. Manchmal ist mir das über kurze Strecken gelungen in den letzten Tagen, aber dann hat doch die Hitze, der Durst oder die Erschöpfung einen Strich durch den Rhythmus gemacht. Die Landschaft, die Wege und Steige im Triglav bieten wenig Möglichkeit für Gleichmaß. Es geht streckenweise eben über Felsplatten oder durch Geröllfelder, dann plötzlich eine Kletterei, manchmal sehr konzentrationsfordernd. Ein unschlagbarer Ausblick, wie der auf die Nordwand des Triglav, lässt mich staunend wie angewurzelt stehen bleiben. Dann ein steiles Stück im Zicksack durch rutschiges Gelände, eine Steinbockfamilie die rennend einen kleinen Steinschlag auslöst und gleich darauf geht es steil hinab durch einen ungesicherten Steig.

Es sind also erschwerte Bedingungen gewesen für die Rhythmussuche in diesem Gelände. Aber abwechslungsreich war es allemal. Ein ständiges Thema im Triglav ist das Wasser. Es gibt kaum Quellen und die Seen sind sehr auf einzelne Orte konzentriert. Auch ich habe mich hier oft verkalkuliert und hatte dann zu wenig Wasser oder zu viel Ballast. Da freue ich mich auf die Karnischen Alpen, mit all ihren Quellen und Bächen überall.  

Was mich hier in Slowenien wirklich gestört hat, ist der Umgang mit dem Begriff „Nationalpark“. Einerseits ist es streng verboten wild zu campen (auch wenn ich da keinerlei Probleme hatte), andererseits verkaufen alle Hütte nur Getränke in Plastikflaschen, verteilen Plastiktüten und Alufolie, es gibt Papierhandtücher, der Boden wird sogar damit gewischt und die Seife ist bestimmt auch nicht abbaubar. Viele Urlauber lassen auch ihren Müll (meist die Plastikflaschen von den Hütten) liegen, ich habe recht viel eingesammelt unterwegs. Mir ist das unsympathisch und ich hoffe, und wünsche mir für diese schöne Gegend, dass sich das noch ändert. 

Immer wenn ich gehe und gleichmäßig atme, einen Schritt vor den anderen setzen kann, dann fühle ich mich gut. Dann geht es voran, dann spüre ich mich und mag die Bewegung. Ich werde dann auch innerlich ruhiger, fühle meinen Körper und die Kraft darin, und kann alles um mich herum klarer wahrnehmen. Aber es wird noch dauern, bis ich da wirklich stetig darin angekommen bin. Der Vorgeschmack auf den Zustand ist allerdings unglaublich befriedigend, ja geradezu köstlich.  

Ich habe erkannt, dass es ein Trugschluss war zu glauben, dass der Rhythmus sich als erstes einstellen kann. Rhythmus ist schwer. Rhythmus braucht Zeit. Aber im Duden steht auch, dass das „Wort rechtschreiblich schwierig“ ist. Ja, auch abseits der Rechtschreibregeln kann ich das im semantischen Sinne bestätigen. Und im griechischen (ἐρύειν (eryein)) kommt Rhythmus außerdem anscheinend von „ziehen“. Auch hier kann ich nur bestätigen: Ja. Es zieht sich. 

Ich habe auf der ersten Etappe gemerkt, dass neben dem Bergsteigen und dem Schreiben ganz schön viel zu tun ist. Ich muss Zeit mit Tageslicht einplanen um mich um meine Füße zu kümmern, genug Wasser zu filtern, die jeweilige Route richtig und ausführlich zu planen, das Wetter zu checken, den Rucksack richtig zu packen, Wäsche zu waschen, mich zu dehnen, zu putzen, zu füttern… Dafür will ich mir aus den Erkenntnissen der ersten Etappe noch einen etwas einheitlicheren Rhythmus angewöhnen. Ich versuche hier mal zu entwerfen, wie das aussehen könnte. 

Aufstehen spätestens um 6 Uhr (meistens war ich früher wach). Dann zuerst Gesicht waschen und Zähne putzen. Den Schlafsack zum auslüften ausbreiten und 20-45 Minuten Yoga machen. Dann umziehen, Wasser filtern und in die Trinkblase füllen, Wetter checken, Füße pflegen, Rucksack packen. Wenn ich was habe: frühstücken. Eigentlich sollte ich, je nach Wetter, wirklich spätestens um 7 Uhr losgehen. Wenn es so heiß ist, wie die letzten Tage hier, dann ist es besser zwischen 12 und 14 Uhr eine Mittagspause von 2 Stunden im Schatten einzuplanen und bis dahin recht stetig durchzumarschieren. Danach weiter, ggf. auch noch später, hier war es wirklich bis um 16 Uhr einfach zu heiß und ich bin trotzdem gegangen, was sehr viel Energie gekostet hat. Dann auf einer Hütte kurz dehnen, Wetter und Route für den nächsten Tag checken, etwas essen und schreiben. Spätestens um 20 Uhr dann weitergehen, damit ich noch etwas Licht habe, wenn ich gegen 21 Uhr meinen Schlafplatz einrichte. Fotos bearbeiten geht am besten wenn es schon dunkel ist. Vor dem Einschlafen versuche ich den Tag nochmal in Ruhe zu verarbeiten und ein bisschen in die Sterne zu gucken. Zugegeben, bisher habe ich das noch nicht gemacht. Aber da will, ich hin. Insgesamt klingt es auch so schon fast stressig, oder? Ich bin sicher, wenn der Rhythmus mal in mir angekommen ist, wird sich das alles entspannen.  

Es tut gut, sich um so grundsätzliche Dinge zu kümmern, wie hier beschrieben. Die Tage hier oben geben auch einen Rhythmus vor. Mit Sonnenauf- und untergang, Mittagshitze, oder auch – bisher bin ich davon zwar verschont geblieben – Gewittern und anderen Schlechtwetter-Situationen. Es ist ein gutes Gefühl, ausgeliefert zu sein, sich dem fügen zu müssen was kommt. Das ist etwas, was ich hier oben lerne und sehr schätze: Ich muss mich jederzeit danach verhalten was gerade notwendig ist. Ich muss auf meinen Körper hören und meine Umwelt genau wahrnehmen. Und dann entsprechend reagieren. So wichtig es ist, gut vorbereitet zu sein, die Route zu kennen und das Wetter vorherzusehen: Planen kann man hier oben nur bedingt.  

Wahrscheinlich ist es genau das, was ich am Bergsteigen so mag und wonach ich mich sehne, wenn ich als Controlfreak im Tal in meinem Planungswahnsinn steckenbleibe.

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