News > Reinhold Messner: »Berge sollen wild bleiben«
07.05.2012
Reinhold Messner: »Berge sollen wild bleiben«
Echtes Erleben statt schneller Konsum: Auf diese Formel lässt sich Reinhold Messners Forderung bringen, die er am Sonntag auf der Veranstaltung „Quo CLIMBis?“ in seinem Mountain Museum auf Schloss Sigmundskron vor mehr als 100 Alpinisten stellte. Die Berge sollten ab einer gewissen Höhe wild bleiben, damit der Bergsteiger archaische Abenteuer erfahren kann. Vor allem den Deutschen Alpenverein kritisierte Messner als einen „Wegbereiter der Bergzerstörung“.
Wo hört der Alpinismus auf und fängt der Bergtourismus auf? Wie viel Berg darf den ökonomischen Interessen der Alpenregionen geopfert werden? Und wie kann ein Bergsteiger auch künftig noch das Abenteuer und im Idealfall sich selbst finden? Fragen, die in Zeiten einer boomenden Kletterszene und wachsender Mitgliederzahlen bei den Alpenvereinssektionen gerade diejenigen bewegen, die den Berg nicht primär als Sportgerät betrachten. Reinhold Messner hatte auf Schloss Sigmundskron in sein Messner Mountain Museum geladen, und wenn er ruft, dann zieht das immer noch.
Einen neutralen Raum zwischen dem Trento Film Festival und dem International Mountain Summit in Brixen wollte er für ein internationales Forum „Quo CLIMBis“ schaffen – für eine offene und kritische Diskussion, weil ihn die zunehmende Kommerzialisierung der Berge weltweit schon seit Jahren umtreibt. So war es auch kein Wunder, dass die steilsten Thesen von ihm selbst kamen: Es müsse auch in Zukunft Räume geben, in denen das Bergsteigen als Erleben möglich ist, Räume frei von jeglicher Infrastruktur, frei von Klettersteigen oder sanierten Routen. Beim Alpinismus liege die Verantwortung allein beim Bergsteiger und seiner Seilschaft, beim Bergtourismus trügen die Verantwortung immer andere, die mit ihren Kunden Geschäfte machen wollten.
„Bergsteigen ist die Kunst des Überlebens, weil es schwierig und gefährlich ist. Und das muss auch so bleiben“, sagte Messner. Er wünscht sich weiterhin einen archaischen Lebensraum in den Felswänden und im Hochgebirge und bezeichnete die „Verbauung der Welzenbach-Route“ am Hochkönig zum Klettersteig als „historisches Sakrileg“. Den Everest auf ausgewalzten Trampelpfaden zu besteigen, sei „parasitärer Alpinismus“.
Die Bergsteiger, die Messner auf das Podium geladen hatte, widersprachen ihm zwar nicht. Dennoch vertrat gerade der Schweizer Roger Schäli die Auffassung, dass es in den Bergen genügend Raum für alle gebe. „Wenn man sich intensiv damit beschäftigt, ist man beim Klettern allein“, sagte Schäli. Der kasachische Ausnahmebergsteiger Denis Urubko wie auch der Südtiroler Hans Peter Eisendle betonten, wie wichtig ihnen die persönliche Grenzerfahrung am Berg sei. „Ich will die Wildheit in mir ausleben können, deswegen verteidige ich die Wildnis in den Bergen“, sagte Eisendle.
Albert Precht, ein langjähriger Weggefährte Reinhold Messners, der im Laufe seiner Bergsteiger-Karriere laut Messner mehr als tausend Erstbegehungen verbuchen konnte, verwies auf das Dilemma der Verantwortung für andere. Seine Philosophie sei es gewesen, ohne Bohrhaken zu klettern. Doch auf den „sehr ernsthaften Routen“ seien später mehrere Seilschaften abgestürzt. Darauf hin habe er Routen nachträglich gesichert. „Ich hab das nicht gerne gemacht, aber es war das Sicherste“, sagte Precht. „Die Leute haben den Sinn für Alpinismus verlernt, sie haben keine Zeit mehr. Alles muss schnell gehen.“
Reinhold Messner schlug vor, die Outdoor-Sportler mit speziellen Angeboten am Rand der Gebirge zu halten. Denn ihnen gehe es nicht darum, den Berg als Selbsterfahrungsraum zu sehen. Und der müsse wild und berührt bleiben. In diesem Zusammenhang kritisierte Messner die alpinen Vereine, deren Ziel es seit Jahrzehnten sei, „die Gefahr zu bezwingen, sie aus den Bergen zu verbannen mit Hilfe von Infrastruktur“. Michael Larcher vom Österreichischen Alpenverein wies dies zurück und erklärte, dass es dem Alpenverein sehr wohl darum gehe, „den Wildnisraum in den Alpen zu erhalten“.
An Messner gerichtet sagte er: „Sie sollten uns vielmehr als starken Partner sehen.“ Der allerdings reagierte eher ungehalten. Die Alpenvereine hätten doch all die Klettersteige vorangetrieben, wobei er sich vor allem über den DAV echauffierte. Dort sei er von allen Funktionsebenen ausgesperrt. „Seit hundert Jahren sind sie große Meister im Aussperren“, sagte Messner und spielte damit auf die Nazi-Zeit an, als Juden nicht in den Schutzhütten übernachten durften.
Über den Deutschen Alpenverein habe er sich in den vergangenen Jahren so geärgert, „dass davon alle meine weißen Haare herrühren“. Der DAV gebe vor die Berge zu schützen, „aber hinten herum hat er immer das Gegenteil davon gemacht“.
Von Michael Ruhland
Wo hört der Alpinismus auf und fängt der Bergtourismus auf? Wie viel Berg darf den ökonomischen Interessen der Alpenregionen geopfert werden? Und wie kann ein Bergsteiger auch künftig noch das Abenteuer und im Idealfall sich selbst finden? Fragen, die in Zeiten einer boomenden Kletterszene und wachsender Mitgliederzahlen bei den Alpenvereinssektionen gerade diejenigen bewegen, die den Berg nicht primär als Sportgerät betrachten. Reinhold Messner hatte auf Schloss Sigmundskron in sein Messner Mountain Museum geladen, und wenn er ruft, dann zieht das immer noch.
Einen neutralen Raum zwischen dem Trento Film Festival und dem International Mountain Summit in Brixen wollte er für ein internationales Forum „Quo CLIMBis“ schaffen – für eine offene und kritische Diskussion, weil ihn die zunehmende Kommerzialisierung der Berge weltweit schon seit Jahren umtreibt. So war es auch kein Wunder, dass die steilsten Thesen von ihm selbst kamen: Es müsse auch in Zukunft Räume geben, in denen das Bergsteigen als Erleben möglich ist, Räume frei von jeglicher Infrastruktur, frei von Klettersteigen oder sanierten Routen. Beim Alpinismus liege die Verantwortung allein beim Bergsteiger und seiner Seilschaft, beim Bergtourismus trügen die Verantwortung immer andere, die mit ihren Kunden Geschäfte machen wollten.
„Bergsteigen ist die Kunst des Überlebens, weil es schwierig und gefährlich ist. Und das muss auch so bleiben“, sagte Messner. Er wünscht sich weiterhin einen archaischen Lebensraum in den Felswänden und im Hochgebirge und bezeichnete die „Verbauung der Welzenbach-Route“ am Hochkönig zum Klettersteig als „historisches Sakrileg“. Den Everest auf ausgewalzten Trampelpfaden zu besteigen, sei „parasitärer Alpinismus“.
Die Bergsteiger, die Messner auf das Podium geladen hatte, widersprachen ihm zwar nicht. Dennoch vertrat gerade der Schweizer Roger Schäli die Auffassung, dass es in den Bergen genügend Raum für alle gebe. „Wenn man sich intensiv damit beschäftigt, ist man beim Klettern allein“, sagte Schäli. Der kasachische Ausnahmebergsteiger Denis Urubko wie auch der Südtiroler Hans Peter Eisendle betonten, wie wichtig ihnen die persönliche Grenzerfahrung am Berg sei. „Ich will die Wildheit in mir ausleben können, deswegen verteidige ich die Wildnis in den Bergen“, sagte Eisendle.
Albert Precht, ein langjähriger Weggefährte Reinhold Messners, der im Laufe seiner Bergsteiger-Karriere laut Messner mehr als tausend Erstbegehungen verbuchen konnte, verwies auf das Dilemma der Verantwortung für andere. Seine Philosophie sei es gewesen, ohne Bohrhaken zu klettern. Doch auf den „sehr ernsthaften Routen“ seien später mehrere Seilschaften abgestürzt. Darauf hin habe er Routen nachträglich gesichert. „Ich hab das nicht gerne gemacht, aber es war das Sicherste“, sagte Precht. „Die Leute haben den Sinn für Alpinismus verlernt, sie haben keine Zeit mehr. Alles muss schnell gehen.“
Reinhold Messner schlug vor, die Outdoor-Sportler mit speziellen Angeboten am Rand der Gebirge zu halten. Denn ihnen gehe es nicht darum, den Berg als Selbsterfahrungsraum zu sehen. Und der müsse wild und berührt bleiben. In diesem Zusammenhang kritisierte Messner die alpinen Vereine, deren Ziel es seit Jahrzehnten sei, „die Gefahr zu bezwingen, sie aus den Bergen zu verbannen mit Hilfe von Infrastruktur“. Michael Larcher vom Österreichischen Alpenverein wies dies zurück und erklärte, dass es dem Alpenverein sehr wohl darum gehe, „den Wildnisraum in den Alpen zu erhalten“.
An Messner gerichtet sagte er: „Sie sollten uns vielmehr als starken Partner sehen.“ Der allerdings reagierte eher ungehalten. Die Alpenvereine hätten doch all die Klettersteige vorangetrieben, wobei er sich vor allem über den DAV echauffierte. Dort sei er von allen Funktionsebenen ausgesperrt. „Seit hundert Jahren sind sie große Meister im Aussperren“, sagte Messner und spielte damit auf die Nazi-Zeit an, als Juden nicht in den Schutzhütten übernachten durften.
Über den Deutschen Alpenverein habe er sich in den vergangenen Jahren so geärgert, „dass davon alle meine weißen Haare herrühren“. Der DAV gebe vor die Berge zu schützen, „aber hinten herum hat er immer das Gegenteil davon gemacht“.
Von Michael Ruhland