Patagonias Repair-Aktion: Wider das Wegwerfen | BERGSTEIGER Magazin
Patagonia's Worn Wear

Patagonias Repair-Aktion: Wider das Wegwerfen

Immer mehr Outdoor-Hersteller bemühen sich in Sachen Nachhaltigkeit und Sozialverantwortung um Verbesserungen. Eine Vorreiterrolle hat dabei die amerikanische Marke Patagonia inne. Deren »Worn Wear«-Konzept ist ein Beispiel, wie die Kalifornier dem Wegwerftrend entgegenwirken und beim Endverbraucher das Thema Umweltbewusstsein stärken wollen.
 
Patagonia Worn Wear © Petra Rapp
Reparieren leicht gemacht mit bester Unterstützung im Patagonia-Store
Chamonix im Frühling dieses Jahres. Es ist eine Menge los am frühen Abend im Patagonia-Shop im Herzen des französischen Freeride- und Bergsteigerzentrums. Die Marke scheint sehr beliebt zu sein hier, wo sich ein Verkaufsladen namhafter Outdoormarken an den anderen reiht. Vor 25 Jahren haben die Kalifornier mit ihrer ersten Filiale in Europa überhaupt (die zweite folgte kurz darauf in München) die Geschäftsform »Store«, in der es nur eine einzige Marke zu kaufen gibt, in Chamonix eingeführt. Ein wirtschaftlich sehr erfolgreicher Weg, wie sich zeigen sollte. Aber auch in anderen Bereichen ging Patagonia schon immer gerne eigene, besondere Wege: zukunftsweisend, weil geprägt von hohem sozialen wie umweltbewussten Engagement.

Produkte möglichst lange nutzen

Patagonia ist mittlerweile der größte Bekleidungshersteller, der Produkte (27 Prozent der Patagonia-Produktlinie im Herbst 2017) in Fair Trade zertifizierten Nähereien herstellen lässt und so für sicherere Arbeitsbedingungen und gerechteren Lohn in den Produktionsländern sorgt. Die 1973 von Kletterer Yvon Chouinard gegründete Firma hat zudem Umweltschutz fest in ihre Unternehmensphilosophie verankert. »Stelle das beste Produkt her, belaste die Umwelt so wenig wie möglich und inspiriere andere Firmen, diesem Beispiel zu folgen und Lösungen zur aktuellen Umweltkrise zu finden.«



Ein hoher Anspruch, den das Unternehmen aus Ventura beispielsweise mit der Aktion »1% for the Planet« umzusetzen versucht: Jedes Jahr spendet Patagonia ein Prozent seines Jahresnettoumsatzes an gemeinnützige Organisationen, die sich für Umweltschutz und Nachhaltigkeit einsetzen. Bis dato waren das mehr als 80 Millionen Dollar. Wichtigster Punkt aber ist bei Patagonia die Produktion von hochwertigen, nachhaltigen und möglichst langlebigen Produkten, die dem Trend der Wegwerfgesellschaft entgegenwirken sollen. Laut Ryan Gellert, Generalmanager in Europa, werden die Patagonia-Produkte deshalb nach dem Motto »keep it simple, keep it classic, make sure that it is repairable « gefertigt.

Verantwortung übernehmen

Patagonia gibt auf die Haltbarkeit seiner Produkte eine lange Garantie, repariert in seinen Reparaturzentren oder Geschäften, sollte doch etwas kaputtgehen und arbeitet an innovativen Recycling- Konzepten. Geschäftsführerin Rose Marcario will aber noch mehr. »Produkte möglichst lang zu nutzen, ist das Beste, was wir als Verbraucher für die Umwelt tun können. Indem wir die Lebensdauer unserer Kleidung durch Pflege und Reparatur verlängern, müssen wir weniger neue Sachen kaufen und vermeiden so die CO2-Emissionen, Abfälle und Abwässer, die mit ihrer Herstellung verbunden wären.«

Für Marcario ist Reparieren deshalb ein »fundamentaler Akt«, den es mit allen Mitteln auch beim Endverbraucher zu fördern gelte. »Wir leben in einer Gesellschaft von Konsumenten – nicht von Besitzern. Besitzer übernehmen Verantwortung für ihre Produkte – für deren richtige Pflege, Reinigung, Reparatur, Nutzung und Weitergabe«, sagt sie.

Hilfe zur Selbsthilfe

Das Unternehmen will ein Umdenken bewirken, das »Besitzerbewusstsein« stärken und bietet dazu Hilfe zur Selbsthilfe. Patagonia hat dafür auf seiner Website gemeinsam mit »iFixit« mehr als 40 kostenlose Reparaturanleitungen veröffentlicht. Seit Frühjahr 2016 ist zudem die »Worn Wear-Tour« in den Shops unterwegs oder tritt mit zwei eigens dafür ausgestatteten Worn-Wear-Fahrzeugen bei Events auf.



Dort lernen die Verbraucher, wie man beschädigte Kleidung selbst reparieren kann. Auf der ersten Reparatur-Tour 2016 fuhr Patagonia damit 50 Orte in sechs Ländern an und reparierte dabei insgesamt 5231 Bekleidungsteile – auch mitgebrachter fremder Marken. 2017 werden es neun Länder sein, in denen die Trucks Halt machen oder in den Patagonia- Läden eigene Worn Wear-Abende stattfinden.

Selbst Hand anlegen

»Die Leute sind sehr dankbar für diesen Service. Oft glauben sie es nicht, dass das wirklich alles kostenlos ist«, erzählt Birgit Großmann, die für Patagonia in München arbeitet. »Wir zeigen ihnen, dass das oft gar nicht so schwer ist, und sie gehen mit einer Menge Ideen nach Hause, wie man Kleidung so lange wie möglich nutzen kann.«



Auch in Chamonix sind viele Worn-Wear-Neulinge im Publikum, die sich erst einmal umschauen. Andere haben gleich ihre beschädigte Bekleidung mitgebracht, um sie reparieren zu lassen oder mit Hilfe der geschulten Mitarbeiter selbst Hand anzulegen. Und tatsächlich – die Patagonia- Mitarbeiterin stutzt nicht einmal, als sie das Loch der geliebten Daunenjacke der Autorin, die sichtlich von einer anderen Marke stammt, gekonnt mit einem passenden Tape versiegelt. Sie scheinen es ernst zu meinen bei Patagonia mit der Vorreiterrolle.

Worn-Wear-Tour 2017

In der kommenden Herbst/Wintersaison 2017/2018 will sich Patagonia mit der Tour auf die Skigebiete in Europa konzentrieren und noch mehr Reparaturen auch hochtechnischer Funktionsmaterialien in sein Programm aufnehmen. Alle Tourdaten und Informationen zur Worn-Wear-Tour gibt es unter www.eu.patagonia.com/deDE/worn-wear
 
Petra Rapp
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 08/2017. Jetzt abonnieren!
 
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