Erste Hilfe am Berg Teil 12: Wundversorgung und Medikamentengabe | BERGSTEIGER Magazin
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Erste Hilfe am Berg Teil 12: Wundversorgung und Medikamentengabe

Ersthelfer dürfen keine Medikamente geben, Wunden hingegen müssen sie schon versorgen – stark blutende sogar noch vor allem anderen.
 
Wundversorgung © Ortovox/Hansi Heckmair
Wichtig beim Anlegen: Nicht zu fest ziehen
Rechtslage und Lehrmeinung zum Thema Medikamentengabe sind eindeutig: Ersthelfer dürfen keine Medikamente geben. Diese Maßnahme ist dem Arzt und in gewissem Umfang dem Heilpraktiker vorbehalten.
 
Zu Medikamenten zählen:
  • Alle Medikamente, auch Schmerzmittel wie Aspirin, Ibuprofen, Paracetamol
  • Desinfektionsmittel
  • Globuli
  • Homöopathische Medikamente (also auch Baldriantropfen, etc.)
 
Egal ob als Tablette, Salbe, Tinktur, etc.: Diese Medikamente kannst du für dich selber mit auf Tour nehmen, nicht aber anderen geben. »Geben« ist wie folgt definiert: Geben beginnt mit der Absicht, ein Medikament zur Verfügung zu stellen.

Dazu zählt offensichtlich, einem anderen Menschen ein Medikament geben. Aber auch subtile Methoden sind rechtswidrig. Wie: »Ich lege die Aspirin da auf den Tisch und wenn sie nachher weg ist, ist sie halt weg.«
 
Einziges valides Vorgehen:
Du hast einen Beipackzettel dabei und sagst ganz konkret, dass du kein Arzt bist und keine Ahnung hast, ob das das richtige Medikament ist. Die Person soll sich den Beipackzettel durchlesen und selber entscheiden, ob das Medikament das richtige Mittel der Wahl ist. Dann kannst du das Medikament mit dem Beipackzettel zur Verfügung stellen.
 

Versorgung von Wunden

Gemäß Rechtslage und Lehrmeinung müssen Schürf-, Platz-, Schnittwunden bei anderen wie folgt versorgt werden:
  • Groben Schmutz auf der Wunde oberflächlich mit einer sterilen Kompresse abputzen (immer nur einmal über Wunde wischen, dann wenn notwendig neue Kompresse nehmen)
  • Steril mit neuer Kompresse oder Verbandstuch abdecken und mit Mullbinde, Verbandspäckchen oder elastischer Binde verbinden
  • Wunden, die genäht werden müssen: so schnell wie möglich nähen lassen! Wenn nicht anders möglich, möglichst innerhalb von 5–6 Std. Arzt aufsuchen. Danach kann nicht mehr genäht werden! (um dann zu nähen, muss Wunde neu auf- oder angeschnitten werden)

 No Gos:
  • Spülen
  • Gegenstände aus der Wunde puhlen oder mit Pinzette entfernen (auch kleine Steinchen, die sich unter die Haut gezogen haben)
  • Desinfizieren
  • Verwenden von Salben, Tinkturen, anderen Mittelchen
 Das sind alles Maßnahmen, die dem Arzt vorbehalten sind. Dieser führt sie durch, sobald die betroffene Person den Arzt aufsucht.

 
Desinfektionsmittel
  • Enthalten immer auch einen Wirkstoff => es ist ein Medikament, dieses darf nur der Arzt geben
  • Bei kleinen Wunden hat der Körper ausreichend Abwehrkräfte gegen den Schmutz in der Wunde => Desinfektion nicht notwendig
  • Bei größeren Wunden, muss der Teilnehmer zum Arzt => Desinfektion durch den Ersthelfer nicht notwendig
 
Steristrips, Klebepflaster
Das Verwenden von Steristrips (Wundnahtstreifen) und Klebepflaster (jedweiger Art) ist kritisch einzustufen:
  • Es gilt der rechtliche Grundsatz, dass das Verschließen von Wunden dem Arzt vorbehalten ist
  • Sowohl Steristrips als auch Klebepflaster verschließen aber eine Wunde effektiv
  • Werden Steristrips oder Klebepflaster verwendet, MUSS innerhalb 5-6 Stunden ein Arzt aufgesucht werden
  • Ist die Wunde sichtbar verschmutzt, dürfen keine Steristrips verwendet werden
 
Fett-Gaze
ist ein mit Fett (i. d. R. Vaseline) eingelassenes Netz, das als einzige Wundauflage nicht mit der Wunde verklebt.
  • Es gilt auch hier der rechtliche Grundsatz, dass das Verschließen von Wunden dem Arzt vorbehalten ist
  • Wird eine Fett-Gaze verwendet, MUSS diese Abends entfernt, die Wunde gesäubert und neu verbunden oder an der Luft getrocknet werden. Es kann wieder eine Fett-Gaze zum Verbinden verwendet werden, dann wiederholt sich der Reinigungsprozess wie beschrieben.
 

Stark blutende Wunden

Stark blutende Wunden sind lebensbedrohlich und müssen sofort gestillt werden, noch bevor der Notruf abgesetzt wird. Das Mittel der Wahl ist ein Druckverband, er erlaubt weiterhin die Versorgung der Extremität bei gleichzeitiger Blutungsstillung. Abbinden ist eine »letzte Alternative«, wenn der Druckverband (auch der doppelt angelegte) nicht ausreicht, um die Blutung zu stoppen.

 Anlegen des Druckverbands:
  • Verletzte Person hält betroffene Extremität hoch und drückt die Wunde mit eigener Hand fest zu (ist sie dazu zu schwach macht das ein zweiter Ersthelfer)
  • Einmalhandschuhe anziehen
  • Verbandspäckchen öffnen, Seite mit steriler Kompresse auf Wunde auflegen und mit zwei, drei Wicklungen fixieren
  • Verschlossenes Druckpolster (Mullbinde, Verbandspäckchen, Taschentuchpäckchen) auf abgedeckte Wunde auflegen
  • Mit Rest des offenen Verbandspäckchens Verband fertig wickeln
  • Mit Schleife schließen
Druckverband
Bei stark blutenden Wunden ist ein Druckverband erforderlich! Foto: Ortovox/Hansi Heckmair

Achtung: Verbandspäckchen und Mullbinden sind sehr elastisch! Daher nicht zu feste ziehen, dann wird Extremität abgebunden.
  • Notruf 112
  • Schocklage nach Anlegen des Druckverbands, wenn keine weiteren Verletzungen vorliegen
  • verletzte Person warm halten
  • gut zureden und betreuen
  • bei Bewusstlosigkeit Seitenlage oder Reanimation

VORSICHT
Entwickelt die Wunde rötliche Ränder, schwillt an, fängt an zu pochen und schmerzt, oder bildet sich Eiter ist spätestens jetzt ein Arzt aufzusuchen. Die Wunde enthält Schmutz und muss professionell gereinigt und versorgt werden.
Es besteht zudem die Gefahr einer Blutvergiftung (rote Linien unter der Haut die von der Wunde aus Richtung Körperzentrum länger werden). Diese kann bei Nichtbehandlung durch einen Arzt tödlich sein.
Ergänzend ist die Notwendigkeit einer Tetanusimpfung zu erwähnen. Diese sollte alle 10 Jahre aufgefrischt werden. Falls diese nicht vorhanden ist, spätestens bei einer Verletzung nachholen.

Die Serie »Erste Hilfe am Berg« entsteht in Zusammenarbeit mit dem VDBS (Verband Deutscher Berg- und Skiführer) und der Firma Ortovox.

Ortovox bietet mit der Safety Academy kostenlose Online-Tutorials zu Sicherheitsthemen an und veranstaltet alpine Erste-Hilfe-Kurse mit der Autorin Daniela Hornsteiner an. Alle Termine gibt es hier.

Artikel aus Ausgabe 5/20. Hier geht es zurück zu Teil 11 der Serie.
 
Daniela Hornsteiner
 
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