Risiken beim Bergsteigen - sicher wandern | BERGSTEIGER Magazin
Was es auf Wanderwegen zu beachten gilt

Risiken beim Bergsteigen - sicher wandern

Der Winter »übergibt« an den Frühling, Wintermuffel freuen sich auf die ersten intensiveren Sonnenstrahlen und auf länger werdende Tage, und Wanderer planen wieder Touren in den Bergen. Wie Sie auf »einfachen« Wanderungen sicher unterwegs sein können und was es dort zu beachten gilt, wissen Jan Mersch und Pauli Trenkwalder.

 
Gute Kondition und Aufmerksamkeit sind bei Gratwanderungen besonders wichtig, da ein Stolpern hier schnell unangenehme Folgen haben kann © Bernd Ritschel
Gute Kondition und Aufmerksamkeit sind bei Gratwanderungen besonders wichtig, da ein Stolpern hier schnell unangenehme Folgen haben kann
Um uns herum beginnt es zu schmelzen, zu grünen und zu blühen. Die ersten vorsichtigen Vorboten des nahenden Frühlings. Die Sonne scheint wieder länger und intensiver und die ersten Krokusse blühen. Wenn vielleicht noch nicht zu Hause, so ist er zumindest bereits am Gardasee zu spüren – der Frühling! Und schon haben die ersten Wanderer Schuhe und Stöcke hervorgekramt und strömen in die Berge, um sich an der frischen Luft zu erholen. Verglichen mit anderen Bergsport-Aktiven stellen sie die größte Gruppe dar; leider auch in der Unfallstatistik der Alpenvereine. Und das, obwohl Wandern doch allgemein als eher ungefährlich eingestuft wird, weil meist grundlegende Kenntnisse in Sachen Tourenplanung und Wetterkunde genügen.

Im Sinne unseres Vier-Stufen-Modells gehören diese beiden Aspekte zum Aneignen von Wissen. Aber auch beim Bergwandern hilft letztlich nur die bewusste Eigenverantwortung für unser Tun und die Verantwortungsübernahme für andere dabei, Verhaltensfehler zu erkennen und Unfälle zu vermeiden. Die Grundlage unseres Verhaltens muss also eine selbstkritische Einschätzung des eigenen Könnens hinsichtlich der Touren-Anforderung sein.

Auf Schritt und Tritt - sicher treten

Auf einfachen Wanderwegen reicht es, sicher zu steigen – also eine normale Bewegungsausführung zu beherrschen. Auf anspruchsvolleren Pfaden, wo der Untergrund oft felsig, locker oder einfach nur unregelmäßig ist, ist ein hohes Maß an Koordination und Gleichgewicht im Bewegungsablauf erforderlich. In solchen Situationen will jeder Tritt vor Ausführung geplant sein. Viele möchten »wie ein Gamserl durch die Berge springen«, aber es bedarf viel Übung, unzähliger gewanderter Kilometer auf schwierigen Wegen oder im weglosen Gelände, um nur annähernd die Fähigkeiten einer Gämse zu erlangen.

Gute Kondition?

Gleiches gilt für die Kondition. Untrainierte sollten schon vor der Wandersaison mit dem Training beginnen: Laufen, Radfahren, Schwimmen oder andere Ausdauersportarten bieten sich dazu an. Für eine Bergtour mit einem Höhenunterschied von 1500 Metern im Aufstieg ist man damit allerdings nicht zwangsläufig fit. Denn hinzukommen das zusätzliche Gewicht eines Rucksacks, den man ohne Probleme lange Zeit bergauf und bergab tragen können sollte. Oder der Witterungseinfluss von Kälte und Hitze.

Außerdem brauchen Wanderer noch genügend Energie für den Abstieg sowie Reserven für unvorhergesehene Situationen. Denn das Nachlassen der Kondition wirkt sich massiv auf Trittsicherheit und Konzentration aus und kann fatale Folgen haben: Vom Dahinstolpern über Stürzen bis hin zum Abstürzen. Konditionelle Überforderung kann auch zu einer Überlastung des Herzkreislaufsystems führen. Die unangenehmen Konsequenzen von Konditions- und Konzentrationsmängeln stellen die Hauptursachen für Unfälle beim Bergwandern dar.

Langsam steigern

Zum Saisonstart sollte man mit kurzen und vor allem leichten Wanderungen beginnen und erst allmählich – im Laufe des Wandersommers – Aufstiegsdauer und Schwierigkeiten steigern. Ein langsames Herantasten und ständiges Abgleichen von Können und Anforderungen durch in sich »Hineinhorchen« ist dabei ebenso unerlässlich wie gegenseitiges Beobachten der Gruppenmitglieder mit der notwendigen kritischen Distanz. Wer sich nicht sicher ist, welche Tour seinem momentanen Könnenstand entspricht, kann auf das Hilfsmittel BergwanderCard des DAV zurückgreifen. Das Planungsinstrument hilft durch zehn gezielte Fragen, die persönliche Kondition und Trittsicherheit einzuschätzen.

So ergibt sich das eigene Leistungsprofil zu dem man anhand der zugehörigen Tabelle schnell geeignete Bergwanderungen findet. Diese werden je nach Schwierigkeitsgrad in die bekannten Kategorien »Blau«, »Rot« und »Schwarz« unterteilt. Beginnend bei einfachen Bergwegen, über mittelschwere und schwere bis hin zu alpinen Touren.

Orientierung in den Bergen

Die BergwanderCard bietet eine gute Möglichkeit, die eigene Leistungsfähigkeit festzustellen, entbindet aber nicht von der Pflicht, sich mit den Themen Wetterkunde und Orientierung auseinanderzusetzen. Deren Zusammenhang ist ein zentraler Baustein, um kompetente und gute Entscheidungen treffen zu können. Die wichtigste Grundlage zur Orientierung im Gebirge ist für Wanderer immer noch die Karte und die Fähigkeit, diese lesen zu können. Nur so weiß man stets, wo man sich befindet. Der kompetente Umgang mit topografischen Karten im Maßstab 1:25000 oder 1:50000 ist schon bei der Tourenplanung unerlässlich, wenn man überprüfen möchte, wie lange die Wanderung dauern wird, wie weit sie führt und wie viele Höhenmeter im Auf- und Abstieg überwunden werden müssen. Auf der Karte kann man bereits erkennen, wo steile und anstrengende Wegstücke liegen, wo man günstig Pausen einlegen kann und ob es alternative Wege oder Umkehrmöglichkeiten gibt.

Transfer in die Praxis

All diese Informationen kann man sich auf verschiedene Art und Weise aneignen: in Kursen von Alpenvereinen oder Bergschulen, per Eigenstudium oder über entsprechende Fachliteratur. Letztlich hilft das gewonnene Wissen nicht nur bei der Touren- und Routenwahl, sondern vor allem auch in kritischen Situationen, eine gute (= kompetente) Entscheidung zu treffen. Anfänger wie Fortgeschrittene können mit einer kurzweiligen und kreativen Übung ihr Wissen in der Praxis verbessern: einfach eine bereits bekannte Wanderung mit der Karte in der Hand abgehen und gleichzeitig das Gelände immer wieder mit der Karte abgleichen (und umgekehrt).

Der Lerneffekt ist dabei in kürzester Zeit sehr groß. Insbesondere dann, wenn man die gesammelten Erfahrungen reflektiert und sich mit anderen Mitwanderern darüber austauscht. Neben Karten helfen auch Höhenmesser bei der Orientierung. Beide Hilfsmittel in Kombination helfen bei der genauen Bestimmung des eigenen Standorts. Und anhand der absolvierten Höhenmeter kann man den zeitliche Verlauf der Wanderung mit der ursprünglichen Planung abgleichen.

Gefahrenquelle Wetter

Wesentlichen Einfluss auf Tourenplanung und -durchführung hat das Wetter. Gewitter, regennasse Wege, Wetterstürze, sinkende Temperaturen und Nebel sind wetterbedingte Gefahren, die in der Planung zu berücksichtigen und draußen rechtzeitig zu erkennen sind. Ein aufkommendes Gewitter, begleitet von starkem Regen, gar Hagel oder Blitzschlag, kann an sich schon lebensgefährlich sein. Hinzu kommt die Angst der einzelnen Gruppenmitglieder und daraus entstehende Hektik oder Unruhe. Hastiges Gehen und unsicheres Bewegen auf nassen Wegen, panische Reaktionen und das Gefühl des Ausgeliefertseins sind ein Nährboden für Fehlentscheidungen und letztlich leider auch Unfälle.

Informieren und observieren

Ein gutes Mittel zur Vorbereitung und damit Gefahrenvermeidung ist das Abfragen des Wetterberichts. Er informiert über die Großwetterlage, ihre Auswirkungen im angepeilten Wandergebiet und die kleinräumige Situation vor Ort. Eingeholt werden kann er über die bekannten Medien Radio, TV, Zeitung und Internet. Letzteres informiert – wenn gewünscht – sehr detailliert und speziell mit dazugehörigen Wetterkarten und Satellitenbildern. Die Informationsbeschaffung online ist meist einfach und umkompliziert, der Informationsgehalt je nach Website groß. Er reicht vom Basiswissen für jedermann bis hin zu spezifischem Fachwissen für Experten.

Soviel zur Planung vorab. Unterwegs sollte man stets die Wetterentwicklung beobachten: Welche Informationen des Wetterberichts kann ich auf Tour wiedererkennen? Wie weit fortgeschritten ist die Bildung von Quellwolken bei vorhergesagter Gewitterneigung? Welche Zugrichtung hat das Gewitter? Kommt es auf mich zu oder zieht es ab? Vier-Stufen-Modell auf Tour All unser angeeignetes Wissen, erarbeitete Erfahrung und unsere Intuition laufen bei Tourenplanung und -durchführung zusammen: Hier gilt es, kontinuierlich wie eine Schaltzentrale alle Informationen und Beobachtungen mit den vorhandenen »Daten« (eigenes Wissen und gemachte Erfahrungen) abzugleichen. So kann man eine angemessene Tour auswählen, unterwegs rechtzeitig reagieren und die nötigen Entscheidungen fällen.
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 04/2010. Jetzt abonnieren!
 
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