Steve »farm boy« House

An den großen Bergen der Welt gelingen Steve House schwerste Routen »by fair means«. 2005 landete er mit seiner Neutour durch die Rupalflanke des Nanga Parbat einen Paukenschlag. Im Juli 2008 war er in München und unterhielt sich mit dem BERGSTEIGER. Von Lutz Bormann

 
Nie wieder gehe ich auf einen Berg, mir reicht’s«, sagte Steve House 1981 nach seiner ersten Bergtour, bei der er vor Erschöpfung auf dem Gipfel des Mt. Hood (3425 m) eingeschlafen war. Sein Vater Don House hatte während der Army-Zeit in Stuttgart die Bergsteigerei entdeckt, im Berner Oberland an Mönch, Eiger und Jungfrau Feuer gefangen und wollte wie jeder Vater diese Leidenschaft an den Sohn weitergeben. »Schlaf nicht wieder ein, wenn du oben bist!«, bekommt Steve seither vor Expeditionsantritt zu hören.

Lehrjahre
Steves Abneigung schlug schnell in Begeisterung um. Mit 15 war ihm die Kletterei an den heimischen Felsen schon so wichtig wie Baseball und mit 19 nahm er an der slowenischen Nanga-Parbat-Expedition teil. Marija Frantar und Joze Rozman erreichten über die Schell-Route den Gipfel, Steve kam bis auf 6400 Meter, erbrach sich in Lager zwei, stieg frustriert ab und feierte im Basislager seinen 20. Geburtstag. Anschließend studierte Steve Ökologie und absolvierte gleichzeitig als siebter Amerikaner die achtjährige Ausbildung zum Bergführer mit allen Qualifikationen der AMGA (American Mountain Guides Association) und IFMGA (International Federation of Mountain Guides Associations). Allein auf den Denali (Mt. McKinley), den kältesten Berg der Welt, hat er über 70 Kunden geführt. Ironischerweise ist Steves einzige körperliche Schwäche seine schon fast mädchenhafte Verfrorenheit.

Toptouren in Alaska
Von Anfang an sucht Steve Brüder im Geiste. So sind es Scott Backes und Mark Twight, mit denen im Jahr 2000 nach 60 Stunden nonstop die dritte Begehung der »Slovak direct« am Denali gelingt. Twight gilt als isolierter, sturer Stilpurist, der nur beißenden Spott für Benutzer von Bohrhaken und Fixseilen übrig hat. Zum Verständnis: Die Route überwindet 2750 Höhenmeter, führt senkrecht durch die Südflanke des Denali, die Eispassagen sind 100 Grad steil, also überhängend, das Gelände ist kombiniert und technisch äußerst anspruchsvoll. Die Bewertung liest sich wie eine algebraische Formel:» 5.9, WI6, M5, 100°, Alaskan Grade 6«. House zeigte in dieser Route, was er kann: schnell, souverän, sauber – und kaum einer nimmt Notiz. 

Im Folgejahr durchsteigt er mit Rolando Garibotti die schwierigste Route am benachbarten Mt. Foraker, »The Infinite Spur«. Es wird mit 25 Stunden die schnellste Begehung aller Zeiten. Die Route ist berühmt-berüchtigt, aber deutlich leichter als die »Slovak direct« am Denali. Sensationsberichte in den amerikanischen Fachblättern sind die Folge, doch House ist frustriert. »Ich stand auf einem kleineren Gipfel nach einer leichteren Tour als im Vorjahr. Mir wurde klar, dass es in Alaska keine Herausforderung mehr für mich gab. In die Freude mischte sich das Gefühl, Zeit verschwendet zu haben«, sagt Steve House bei unserem Treffen und wiederholt den Satz später bei seinem Diavortrag. Die Reaktion der Zuschauer überrascht nicht: Raunen, Getuschel. Bei einem Diavortrag in den USA erntete House deutlich aggressivere Sätze: »Welch ein arroganter Arsch!« 

Unterwegs zum Nanga Parbat
Noch im selben Jahr – 2001 – rennt Steve House in 20 Stunden auf den Cho Oyu und wieder hinunter, um seine Höhentauglichkeit zu testen. Von 2002 bis 2004 gelingen Erstbegehungen im Charakusa Valley. Dort scheitert er zweimal am K7 (6934 m). Beim dritten Versuch der Solobegehung im Nonstop-Verfahren kehrt er nach 41 Stunden erfolgreich vom Gipfel des K7 ins Basislager zurück und weiß, dass er gerüstet ist für ganz Großes.

Zwei Wochen später befinden sich House und Bruce Miller in Topform an der Rupalflanke des Nanga Parbat. Nach dem vierten Biwak auf 7650 Meter Höhe kommt es zum Streit. Miller und House haben in drei Stunden 300 Höhenmeter zurückgelegt und noch 600 vor sich. House ist offensichtlich höhenkrank, aber nicht zur Umkehr bereit. Miller ist sich sicher, dass House den Aufstieg nicht überleben wird und geht keinen Schritt weiter. Zerstritten treten sie den Rückzug an, Miller reist ab und House startet einen verzweifelten Soloangriff, den er nach wenigen hundert Metern wegen Entkräftung aufgeben muss. Eine Welt bricht für ihn zusammen. Noch Monate später nörgelt er an Miller herum – auch öffentlich. »Mein Kopf sah aus wie eine Wassermelone, und heute muss ich sagen, dass Bruce mir mit ziemlicher Sicherheit das Leben gerettet hat. Damals wäre ich für den Berg gestorben«, sagt House nachdenklich. Er brauchte Monate, um sich von der Niederlage psychisch zu erholen.
Hoch! House!!
 
Mehr zum Thema