Klettergebiet im Berner Oberland
Sportklettern in Üschene bei Kandersteg
© Archiv Grossen
Der Autor in »Thyphon« 6c+ (6b+ obl)
Der Autor in »Thyphon« 6c+ (6b+ obl)
Das Sportklettergebiet Üschene liegt im Herzen des Berner Oberlandes, am Ende des Kandertales oberhalb von Kandersteg. Das Bergdorf, flankiert von den firngekrönten Dreitausendern der Blüemlisalp- Doldenhorn- und Balmhorngruppe, ist im Winter ein vielgepriesenes Mekka nordischer Skiläufer. Im Sommer sind es vor allem kombinierte Hochtouren, die Berggänger aller Couleur magisch anziehen. Die wunderschöne Gegend um den Oeschinensee und um das Gasterntal ist Teil des Unesco-Welterbes Jungfrau-Aletsch und bietet prächtige Ausflugsziele und Bergwanderungen.
Die Klettereien am zwei Kilometer langen Felsriegel auf der Alp Üschene oberhalb von Kandersteg erfüllen all diese Ansprüche. Die «Alpschelewand» - so nennen die Sennen das bis zu 150 Meter hohe Felsband unterhalb der Alp Alpschele im Üschenetal - bietet ideale Strukturen zum Klettern. Von kleingriffigen, steilen Platten über senkrechte Wand-, Riss- und Verschneidungskletterei bis hin zu grossgriffigen Überhängen und Dächern ist die ganze Palette vorhanden, und das in ausgezeichnetem Fels. Auch die Ausrichtung nach Südosten ist ideal, denn schon die ersten Sonnenstrahlen wärmen am Morgen die Felsen auf.
Wenn man den halbstündigen Zustieg vom Ende der Alpstrasse oder den einstündigen von der Bergstation der Luftseilbahn auf die Allmenalp hinter sich gebracht hat, greifen die Hände sonnenwarmen Fels. Und sollte sich am Nachmittag gar ein Gewitter über dem Lohnermassiv zusammenbrauen, ist man längst unter dem schützenden Dach der Alphütte am Rychebärgli. Hier kann man bei der Älplerfamilie Stoller unter dem mächtigen Vordach oder in der heimeligen Alpstube auch den Durst löschen und feinen Bergkäse geniessen.
Üschene bietet exzellenten Kalk mit 60 Routen (©Archiv Grossen)
Erste Quellwolken über dem nahen Lohnermassiv oberhalb der Kletterfelsen beunruhigten uns nicht. Unsere Aufmerksamkeit galt vielmehr der anspruchsvollen Kletterei. Die Route aus dem Jahre 1969 war neu und galt als schwierigste Üschene-Kletterei. Sie war nur mit 8mm-Bohrhaken abgesichert und wies für damalige Verhältnisse – wir waren wie üblich mit Bergschuhen unterwegs – in einer langen, stumpfen Verschneidung einige delikate Freikletterstellen auf, dies bei respektablen Hakenabständen.
Die Kletterei nahm uns vollständig in Beschlag. Dass die Sonne hinter immer dunkleren Wolken längst verschwunden sein musste, bemerkten wir erst, als vereinzelt schwere Regentropfen auf unsere nackten Arme und den heissen Fels klatschten, wo sie augenblicklich verdampften. Unterdessen tauchte ein fahles Licht die dunklen und brüchigen Felsen des Lohners hoch über uns in ein gespenstisches Licht. Wir waren mit einem 40m-Einfachseil unterwegs, ein Rückzug mit Abseilen kam nicht in Frage, waren wir doch bereits eine Seillänge unter dem Ausstieg.
Wandfeeling in »Hakuna Matata« 7a, 2pa (6b obl.) ©Peter Schorch
Ein greller Blitz, augenblicklich gefolgt von einem trockenen Knall liess uns am Standplatz zusammenzucken. Und schon rauschte vom Lohner her eine weisse Rute aus schwerem Regen und Hagel, begleitet von einem wasserfallähnlichen Geräusch, direkt auf uns zu. Es gab kein Entrinnen! Wir rafften das Seil zusammen und pressten uns Körper an Körper unter einen kaum einen halben Meter vorspringenden Überhang.
Von Böen gepeitschte gewaltige Wassermassen und haselnussgrosse Hagelkörner prasselten auf uns nieder und durchnässten uns augenblicklich. Das vorher kaum beachtete dünne Wasserrinnsal wenig links unserer Route schwoll innert kürzester Zeit an zu einem rauschenden Bach aus Wasser und Hagelkörnern. Schlag auf Schlag zuckten grelle Blitze und peitschenknallartige Donnerschläge durchschnitten das dumpfe Getöse.
Der Sturzbach zu unserer Linken weitete sich zu einem Murgang, in dem schrankgrosse Felsbrocken in einer braunen Brühe zu Tale donnerten. Das Ganze schien eine Ewigkeit zu dauern – endlich liess der Regen nach. Aus der Tiefe brandete eine trübe Gischtwolke langsam über die Felsen zu uns herauf und verschluckte uns. War es schon Nacht geworden? Nur langsam hellte es wieder auf. Der ganze Spuk hatte kaum eine halbe Stunde gedauert.
Nichts wie raus aus dieser Felswand! Die letzte, leichtere Seillänge im tropfnassen Fels spulten wir rasch ab und erreichten – wie an Land gespülte Schiffbrüchige - über glitschiges Gras den steilen Bergweg, der sich von der Bunderchrinde auf die Alp Üschene hinunter windet.
Erst jetzt sahen wir die Bescherung: Das heftige Gewitter, dessen Aufzug im Westen wir wegen des hohen Lohnermassivs nicht hatten sehen können, hatte im Graben oberhalb unseres Felsbandes eine tiefe Narbe herausgerissen. Gras, Erde und Steinblöcke waren über die darunterliegende Felswand hinunter auf die Alp gespült worden. Die Alphütte auf einem Geländesporn und unser Auto waren verschont geblieben.
Noch wartete eine weitere Herausforderung auf uns. Die Schotterstrasse war unmittelbar unter der Alphütte zwei Meter hoch mit Kies zugeschüttet. Der untere Teil der Alpstrasse schien unversehrt. Die grossen Felsbrocken des Murgangs waren glücklicherweise weiter oben liegen geblieben. Zunächst standen wir ratlos vor dem mächtigen Schuttkegel. Dann holte ich bei einbrechender Dunkelheit eine einfache Holzschaufel aus dem Kuhstall und wir begannen unverzüglich, den Kieskegel zu bearbeiten.
Der kurze Radstand unseres Fiats war unsere Chance. Nach einstündiger Schwerarbeit mit der Schaufel und blossen Händen hatten wir eine behelfsmässige Piste angelegt und Wale pilotierte sei Fahrzeug vorsichtig über das Hindernis. Dann tastete sich unser Fiat im Licht der Scheinwerfer langsam ins Tal hinunter – er und auch wir beide hatten eine Bewährungsprobe heil überstanden.
Die Lösung: Man quert unterhalb des mehr als 10 Meter ausladenden Riesendachs nach rechts hinaus und erhält dabei aus nächster Nähe Einblick in die eindrückliche Route der Seilschaft Müller-von Allmen (damals V+; Ae), welche 1969 die Dachzone im Direttissimastil direkt überwand - stundenlang im Sitzbrett hängend!
Almidylle und Kletterfelsen (©Archiv Grossen)
Diese Jahre waren auch für mich eine Zeit des Wandels im Kletterstil. Kaum hatte Jürg von Känel den «Nussknacker» eingerichtet und mit dem neuen Grad VII- bewertet, wollte ich mir die zweite Begehung nicht entgehen lassen. Das anschliessende Gespräch mit Jürg entwickelte sich dann folgendermassen:
Jürg: „Und? Hast den «Nussknacker» gemacht?“ Ich: „Ja“. Jürg (hebt die Stimme etwas ungläubig): „Frei geklettert?“ Ich (zögernd): „Mmm … .“ Jürg (hakt sofort nach): „Ohne am Haken in der schwierigen Platte zu ziehen?“ Ich (keinlaut): „Äh …, ich musste mich hochziehen, meine Schuhe … .“ Jürg (fällt mir ins Wort): „Das zählt nicht als Begehung! Warum hast du nicht umgedreht und abgeseilt?“
Jürgs Sichtweise kam nicht von ungefähr: Er hatte im Herbst 1977 im Camp 4 des Yosemite Nationalpark in den USA einen mehrwöchigen Kletterurlaub verbracht. Dort wurden ihm endgültig die Augen geöffnet, was in Sachen Freiklettern möglich war und – zurück in der Schweiz – setzte er den „sauberen“ Freikletterstil in seinen Erstbegehungen konsequent um. Wir waren damals noch Bergsteiger und kletterten in schweren Bergschuhen – Jürg war inzwischen Freikletterer! Für ihn zählte eine Begehung nur, wenn Zwischenhaken ausschliesslich der Sicherung dienten, keinesfalls zum Ruhen oder zur Fortbewegung. Felsklettern war zu einer Frage des Stils geworden.
Mein Fazit: Unverzüglich mussten profillose Kletterschuhe (EB’s) her und ich musste mehr und gezielter trainieren! Jürg hat seine kompromisslose Haltung bezüglich Umdrehen, wenn man eine Stelle nicht frei klettern konnte, in späteren Jahren relativiert; damals wollte er sich abgrenzen und ein Zeichen setzen. In Üschene kamen in der Folge jedes Jahr neue, frei gekletterte Anstiege dazu.
»Hanibal« 7a (6a obl.) - Traumroute für Könner (©Peter Schorch)
1988 wurden mit «Fusion» (8a) von Jürg von Känel und mit «Bschüttigütti» (8a+) von Hanspeter Sigrist zwei für die damalige Zeit absolute Spitzenrouten rotpunkt geklettert. Und europäische Spitzenkletterer pilgerten ihretwegen fortan nach Üschene. Auch für Kletterer im Bereich 6c bis 7a+ gibt es heute zahlreiche, sehr lohnende und kürzlich auch sanierte Mehrseillängenrouten.
Erwähnt seien, mit eher plattigem Charakter, «Typhon» (6c; 6b+ obl.) und «Hakuna Matata» (7a, 2 Pa; 6b obl.) im Sektor «Graue Wand» und am «Filidorturm» die exzellenten, steilen Ausdauerklettereien «Joker» (6c), «Hanibal» (7a) und «Upatopie» (7a+). Noch schlummern zahlreiche, ältere Klassiker im Dornröschenschlaf und werden kaum mehr geklettert, weil sie dem heutigen Absicherungsstandard nicht mehr genügen. Aber jedes Jahr werden bestehende Routen saniert und erwachen zu neuem Leben. Im vergangenen Jahr war es «Obelix» (6a+, 5c obl.), die rechts des markanten Filidorturms in vier Seillängen nach oben zieht.
Am liebsten klettere ich im späten Herbst in Üschene, wenn die Alpweiden still und verlassen da liegen, das Gras nach den ersten frostigen Nächten schon braun geworden ist und besonders herb riecht. Wenn dann noch ein brodelndes Nebelmeer die Niederungen zudeckt und die umstehenden Gipfel weiss überzuckert sind, dann stimmt einfach alles. Und trotzdem beschleicht mich dann jeweils eine leise Melancholie, wenn ich mir bewusst werde, dass wieder einmal ein Kletterjahr vorbei ist und der Winter vor der Türe steht.
Feinster Kalkfelsen im Sektor »Graue Wand« (©Peter Schorch)
Plaisir-Klettern im feinsten Kalkgestein
Unbeschwertes Klettern in bestem Kalkfels oberhalb von grünen Alpweiden mit Blick auf einen Kranz firnbedeckter Dreitausender – das ist insgeheim wohl der Traum aller Sportkletterinnen und Sportkletterer. Wenn dann noch die Auswahl an Routen im Bereich von 4a bis 6b am grössten ist, dann spricht man von einem Plaisir-Gebiet, sofern die Absicherung der Anstiege mit Bohrhaken einwandfrei ist.Die Klettereien am zwei Kilometer langen Felsriegel auf der Alp Üschene oberhalb von Kandersteg erfüllen all diese Ansprüche. Die «Alpschelewand» - so nennen die Sennen das bis zu 150 Meter hohe Felsband unterhalb der Alp Alpschele im Üschenetal - bietet ideale Strukturen zum Klettern. Von kleingriffigen, steilen Platten über senkrechte Wand-, Riss- und Verschneidungskletterei bis hin zu grossgriffigen Überhängen und Dächern ist die ganze Palette vorhanden, und das in ausgezeichnetem Fels. Auch die Ausrichtung nach Südosten ist ideal, denn schon die ersten Sonnenstrahlen wärmen am Morgen die Felsen auf.
Wenn man den halbstündigen Zustieg vom Ende der Alpstrasse oder den einstündigen von der Bergstation der Luftseilbahn auf die Allmenalp hinter sich gebracht hat, greifen die Hände sonnenwarmen Fels. Und sollte sich am Nachmittag gar ein Gewitter über dem Lohnermassiv zusammenbrauen, ist man längst unter dem schützenden Dach der Alphütte am Rychebärgli. Hier kann man bei der Älplerfamilie Stoller unter dem mächtigen Vordach oder in der heimeligen Alpstube auch den Durst löschen und feinen Bergkäse geniessen.
Üschene bietet exzellenten Kalk mit 60 Routen (©Archiv Grossen)
Plötzlicher Gewittereinburch
Sommerliche Gewitter können hier oben auch heftig ausfallen. Das musste ich mit Wale Josi im damals gerade neu erschlossenen Klettergebiet am eigenen Leib erfahren. Weil wir beide am Morgen noch arbeiteten, waren wir erst kurz vor Mittag aufgebrochen – zu einer Trainingskletterei. Um Zeit zu sparen, kurvten wir mit Wales kleinem Fiat über eine Schotterstrasse möglichst hoch gegen die Felsen hinauf bis zu einer kleinen, unbewohnten Alphütte. Hier schlüpften wir in den Klettergurt, behängten uns mit dem allernötigsten Material und hasteten im T-Shirt zum Einstieg der „Garribaldi-Platte“(VI) empor. Rucksack und Regenjacke blieben im Auto.Erste Quellwolken über dem nahen Lohnermassiv oberhalb der Kletterfelsen beunruhigten uns nicht. Unsere Aufmerksamkeit galt vielmehr der anspruchsvollen Kletterei. Die Route aus dem Jahre 1969 war neu und galt als schwierigste Üschene-Kletterei. Sie war nur mit 8mm-Bohrhaken abgesichert und wies für damalige Verhältnisse – wir waren wie üblich mit Bergschuhen unterwegs – in einer langen, stumpfen Verschneidung einige delikate Freikletterstellen auf, dies bei respektablen Hakenabständen.
Die Kletterei nahm uns vollständig in Beschlag. Dass die Sonne hinter immer dunkleren Wolken längst verschwunden sein musste, bemerkten wir erst, als vereinzelt schwere Regentropfen auf unsere nackten Arme und den heissen Fels klatschten, wo sie augenblicklich verdampften. Unterdessen tauchte ein fahles Licht die dunklen und brüchigen Felsen des Lohners hoch über uns in ein gespenstisches Licht. Wir waren mit einem 40m-Einfachseil unterwegs, ein Rückzug mit Abseilen kam nicht in Frage, waren wir doch bereits eine Seillänge unter dem Ausstieg.
Wandfeeling in »Hakuna Matata« 7a, 2pa (6b obl.) ©Peter Schorch
Ein greller Blitz, augenblicklich gefolgt von einem trockenen Knall liess uns am Standplatz zusammenzucken. Und schon rauschte vom Lohner her eine weisse Rute aus schwerem Regen und Hagel, begleitet von einem wasserfallähnlichen Geräusch, direkt auf uns zu. Es gab kein Entrinnen! Wir rafften das Seil zusammen und pressten uns Körper an Körper unter einen kaum einen halben Meter vorspringenden Überhang.
Von Böen gepeitschte gewaltige Wassermassen und haselnussgrosse Hagelkörner prasselten auf uns nieder und durchnässten uns augenblicklich. Das vorher kaum beachtete dünne Wasserrinnsal wenig links unserer Route schwoll innert kürzester Zeit an zu einem rauschenden Bach aus Wasser und Hagelkörnern. Schlag auf Schlag zuckten grelle Blitze und peitschenknallartige Donnerschläge durchschnitten das dumpfe Getöse.
Der Sturzbach zu unserer Linken weitete sich zu einem Murgang, in dem schrankgrosse Felsbrocken in einer braunen Brühe zu Tale donnerten. Das Ganze schien eine Ewigkeit zu dauern – endlich liess der Regen nach. Aus der Tiefe brandete eine trübe Gischtwolke langsam über die Felsen zu uns herauf und verschluckte uns. War es schon Nacht geworden? Nur langsam hellte es wieder auf. Der ganze Spuk hatte kaum eine halbe Stunde gedauert.
Nichts wie raus aus dieser Felswand! Die letzte, leichtere Seillänge im tropfnassen Fels spulten wir rasch ab und erreichten – wie an Land gespülte Schiffbrüchige - über glitschiges Gras den steilen Bergweg, der sich von der Bunderchrinde auf die Alp Üschene hinunter windet.
Erst jetzt sahen wir die Bescherung: Das heftige Gewitter, dessen Aufzug im Westen wir wegen des hohen Lohnermassivs nicht hatten sehen können, hatte im Graben oberhalb unseres Felsbandes eine tiefe Narbe herausgerissen. Gras, Erde und Steinblöcke waren über die darunterliegende Felswand hinunter auf die Alp gespült worden. Die Alphütte auf einem Geländesporn und unser Auto waren verschont geblieben.
Noch wartete eine weitere Herausforderung auf uns. Die Schotterstrasse war unmittelbar unter der Alphütte zwei Meter hoch mit Kies zugeschüttet. Der untere Teil der Alpstrasse schien unversehrt. Die grossen Felsbrocken des Murgangs waren glücklicherweise weiter oben liegen geblieben. Zunächst standen wir ratlos vor dem mächtigen Schuttkegel. Dann holte ich bei einbrechender Dunkelheit eine einfache Holzschaufel aus dem Kuhstall und wir begannen unverzüglich, den Kieskegel zu bearbeiten.
Der kurze Radstand unseres Fiats war unsere Chance. Nach einstündiger Schwerarbeit mit der Schaufel und blossen Händen hatten wir eine behelfsmässige Piste angelegt und Wale pilotierte sei Fahrzeug vorsichtig über das Hindernis. Dann tastete sich unser Fiat im Licht der Scheinwerfer langsam ins Tal hinunter – er und auch wir beide hatten eine Bewährungsprobe heil überstanden.
Genusskletterei und Einsteigertouren in Üschene
Heute ist Üschene vor allem bei Sportkletterern und -kletterinnen beliebt, die sich in den unteren Schwierigkeitsgraden bis 6a bewegen. Die meisten Besucher tummeln sich an Wochenenden in den vom Wasser zerfressenen Platten des Sektors «Familienroute», häufig ganze Familien oder auch Teilnehmer von Ausbildungskursen für Einsteiger. Beliebt ist auch der Sektor «Graue Wand», wo das Felsband am höchsten ist und wo 1968 von Hans Peter Trachsel und Jürg von Känel die erste Route des Gebiets («Graue Wand»; 6a, 5c obl., 6 Seillängen) eröffnet wurde. Und die «Diagonale» (6a, 5c obl.) bietet gar 8 Seillängen, im oberen Teil spektakuläre Kletterei unterhalb von gewaltigen Überhängen, wo man sich zwischenzeitlich fragt, ob es überhaupt einen Durchschlupf gibt.Die Lösung: Man quert unterhalb des mehr als 10 Meter ausladenden Riesendachs nach rechts hinaus und erhält dabei aus nächster Nähe Einblick in die eindrückliche Route der Seilschaft Müller-von Allmen (damals V+; Ae), welche 1969 die Dachzone im Direttissimastil direkt überwand - stundenlang im Sitzbrett hängend!
Almidylle und Kletterfelsen (©Archiv Grossen)
1982: Üschene im Klettermagazin »Boulder«
Das Klettergebiet Üschene hat aber auch schwierige Freiklettereien zu bieten. In den frühen 1980er-Jahren war Üschene eine bekannte Adresse für die besten Freikletterer der Schweiz und des nahen Auslandes. Im legendären „Boulder“ Nr. 2 von 1982, dem ersten eigentlichen Sportklettermagazin im deutschen Sprachraum, wurde Üschene unter der Rubrik „Klettergebiete Europas“ als Freikletterdorado der Schweiz hoch gelobt. Nicht zu Unrecht, denn 1978 hatte Jürg von Känel mit «Nussknacker» und «Vektor» zwei Freikletteranstiege im 7. Grad eröffnet. Eben erst war die Schwierigkeitsskala offiziell von der UIAA nach oben geöffnet worden, und die beiden Routen gehörten zu den ersten der Schweiz in diesem Schwierigkeitsgrad.Diese Jahre waren auch für mich eine Zeit des Wandels im Kletterstil. Kaum hatte Jürg von Känel den «Nussknacker» eingerichtet und mit dem neuen Grad VII- bewertet, wollte ich mir die zweite Begehung nicht entgehen lassen. Das anschliessende Gespräch mit Jürg entwickelte sich dann folgendermassen:
Jürg: „Und? Hast den «Nussknacker» gemacht?“ Ich: „Ja“. Jürg (hebt die Stimme etwas ungläubig): „Frei geklettert?“ Ich (zögernd): „Mmm … .“ Jürg (hakt sofort nach): „Ohne am Haken in der schwierigen Platte zu ziehen?“ Ich (keinlaut): „Äh …, ich musste mich hochziehen, meine Schuhe … .“ Jürg (fällt mir ins Wort): „Das zählt nicht als Begehung! Warum hast du nicht umgedreht und abgeseilt?“
Jürgs Sichtweise kam nicht von ungefähr: Er hatte im Herbst 1977 im Camp 4 des Yosemite Nationalpark in den USA einen mehrwöchigen Kletterurlaub verbracht. Dort wurden ihm endgültig die Augen geöffnet, was in Sachen Freiklettern möglich war und – zurück in der Schweiz – setzte er den „sauberen“ Freikletterstil in seinen Erstbegehungen konsequent um. Wir waren damals noch Bergsteiger und kletterten in schweren Bergschuhen – Jürg war inzwischen Freikletterer! Für ihn zählte eine Begehung nur, wenn Zwischenhaken ausschliesslich der Sicherung dienten, keinesfalls zum Ruhen oder zur Fortbewegung. Felsklettern war zu einer Frage des Stils geworden.
Mein Fazit: Unverzüglich mussten profillose Kletterschuhe (EB’s) her und ich musste mehr und gezielter trainieren! Jürg hat seine kompromisslose Haltung bezüglich Umdrehen, wenn man eine Stelle nicht frei klettern konnte, in späteren Jahren relativiert; damals wollte er sich abgrenzen und ein Zeichen setzen. In Üschene kamen in der Folge jedes Jahr neue, frei gekletterte Anstiege dazu.
Anfänge der Spitzenkletterei in Kandersteg
»Hanibal« 7a (6a obl.) - Traumroute für Könner (©Peter Schorch)
Erwähnt seien, mit eher plattigem Charakter, «Typhon» (6c; 6b+ obl.) und «Hakuna Matata» (7a, 2 Pa; 6b obl.) im Sektor «Graue Wand» und am «Filidorturm» die exzellenten, steilen Ausdauerklettereien «Joker» (6c), «Hanibal» (7a) und «Upatopie» (7a+). Noch schlummern zahlreiche, ältere Klassiker im Dornröschenschlaf und werden kaum mehr geklettert, weil sie dem heutigen Absicherungsstandard nicht mehr genügen. Aber jedes Jahr werden bestehende Routen saniert und erwachen zu neuem Leben. Im vergangenen Jahr war es «Obelix» (6a+, 5c obl.), die rechts des markanten Filidorturms in vier Seillängen nach oben zieht.
Am liebsten klettere ich im späten Herbst in Üschene, wenn die Alpweiden still und verlassen da liegen, das Gras nach den ersten frostigen Nächten schon braun geworden ist und besonders herb riecht. Wenn dann noch ein brodelndes Nebelmeer die Niederungen zudeckt und die umstehenden Gipfel weiss überzuckert sind, dann stimmt einfach alles. Und trotzdem beschleicht mich dann jeweils eine leise Melancholie, wenn ich mir bewusst werde, dass wieder einmal ein Kletterjahr vorbei ist und der Winter vor der Türe steht.
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- Lage und Anfahrt: Die Felsen von Üschene liegen im Berner Oberland, oberhalb der Alp Üschene zuhinterst im Kandertal. Von Bern auf der A6 Richtung Interlaken bis Spiez. Hier abbiegen ins Kandertal und weiter bis Kandersteg. Zuhinterst im Dorf auf einer taxpflichtigen Alpstrasse ins Üschenetal hinauf bis zu den Alphütten von Rychebärgli.
- Übernachtung: In Kandersteg gibt es zahlreiche Hotels. Bei der Talstation der Luftseilbahn zum Oeschinensee liegt der Campingplatz Rendez-vous, der auch Matratzenlager anbietet (Tel. +41/(0)33 675 15 34; www.restaurant-rendezvous.ch). Übernachten kann man während der Alpzeit auch bei Familie Stoller auf der Alp Rychebärgli unterhalb der Kletterfelsen, jedoch nur auf Voranmeldung (Tel. +41/ (0)33 675 27 32 oder +41/ (0)79 671 40 77).
- Zustieg: Von der Alp Rychebärgli 30 min. Von der Bergstation der Luftseilbahn Allmenalp eine knappe Stunde.
- Abstieg: Die meisten Routen sind zum Abseilen eingerichtet. Vom Ausstieg kann man auch zur Abseilpiste „La Fram“ queren und dort 3x22 m abseilen.
- Routenübersicht: Insgesamt 60 Sportkletterrouten (hauptsächlich Mehrseillängenrouten), zusätzlich 25 ältere noch nicht sanierte Anstiege.
- Material: 13 Express. Für die einfachen Routen langt ein 50m-Seil, ansonsten 50m-Doppelseil. Kleines Klemmkeilsortiment und Friends 1-3 für einzelne Routen (siehe Führer).
- Höhe über Meer/Exposition: 2000 m; Südost.
- Beste Jahreszeit: Mai bis Ende Oktober.
- Literatur/Karten: Schweiz plaisir West, Filidor 2012; Schweiz extrem WEST, Filidor 2010; Sportklettern Berner Oberland, Filidor 2010. Kletterführer Berner Oberland Nord, SAC Verlag, 2015. LK 1:25 000 Blätter 1247 Adelboden und 1267 Gemmi.
Feinster Kalkfelsen im Sektor »Graue Wand« (©Peter Schorch)
Klettergärten und Alternativen in Kandersteg
- Im Talboden von Kandersteg gibt es zwei interessante Klettergärten, wenn Wetter und Bedingungen in der Höhe ungünstig sind.
- Klettergarten Wildi: Dieser liegt wenige hundert Meter östlich hinter dem Hotel „Des Alpes“, Koordinaten 618 275/148 750. Exposition Nordwest, liegt praktisch den ganzen Tag im Schatten. Insgesamt 17 Einseillängenrouten im Schwierigkeitsgrad 6b - 8b+.
- Klettergarten Oeschiwald: Liegt 1.5 km östlich des Bahnhofs, oberhalb Posten 4 des Vitaparcours, am Fusse eines Felsbandes, Koordinaten 619 250/149 025. Exposition Nord. Bleibt bei Regen lange trocken. Insgesamt 20 Einseillängenrouten im Schwierigkeitsgrad 6a - 7c+. Kurze, einfachere Routen gibt es auch, wenn man nur bis aufs erste Band klettert.
- Kletterwand: Alpin-Center beim Bahnhof Kandersteg.
- Klettersteig: Hinter der Talstation der Luftseilbahn Allmenalp beginnt ein spektakulärer, 350 m hoher Klettersteig auf die Allmenalp (Schwierigkeit K4-K5).
- Seilpark: Nahe bei der Talstation der Luftseilbahn Kandersteg-Sunnbüel (vis-à-vis Gemmilodge), geöffnet Mai bis Oktober.
- Sportklettergebiete in der Umgebung von Kandersteg, sowie im Berner Oberland: Es gibt zahlreiche Klettergebiet in unmittelbarer Nähe von Kandersteg, die in der Führerliteratur ausführlich beschrieben sind: Innerüschene (ganz hinten im Üschenetal); Winteregg (bei der Bergstation der Luftseilbbahn Kandersteg-Sunnbüel); Gällihorn (markanter Kletterberg südlich oberhalb von Kandersteg); Schwarenbach mit Wyssi Flue und Schwarzgrätli (in der Nähe des Berghotels Schwarenbach am Gemmiweg); Birre (markante Felsbastion nordöstlich oberhalb von Kandersteg); Oeschinensee (eindrückliche Felswand über dem See).
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