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30 Jahre Kletter-Eldorado in der Schweiz

Der Einfluss von Lemmy Kilmister, dem Bandleader, Sänger und Bassisten der Gruppe »Motörhead«, auf die Musik und das moderne Felsklettern ist größer als man annimmt – eine Chronik zweier parallel laufender Passionen. Von Claude und Yves Remy
Aktualisiert am
24.06.2025
Kompromisslos auf Reibung schleicht Christophe Simeon durch die 2. Seillänge (6a+) von »Schweiz plaisir«.

Kompromisslos auf Reibung schleicht Christophe Simeon durch die 2. Seillänge (6a+) von »Schweiz plaisir«.

Foto von  Claude Remy

»Eldorado« heiß die einzigartige Plattenwand, die sich im Herzen der Schweiz nahe des Grimselpasses in den Berner Alpen verbirgt – das Goldland! 30 Jahre ist es jetzt her, dass wir dort die ersten Routen begingen, die unter Kletterern schnell Furore machten, darunter die legendäre Route »Motörhead«, die wir der von uns verehrten Band widmeten. Und heute hören wir bei langen Autofahrten immer noch die gleiche irre laute Musik und besuchen die Konzerte von Motörhead!

1981 – die ersten Routen an der Eldorado-Wand

Wie jedes Frühjahr haben wir einen Monat in der Verdonschlucht verbracht, sozusagen zum »Aufwärmen«, und hören auf der Heimfahrt in die Schweiz ununterbrochen mit voller Lautstärke die Kassette »No sleep ‘til Hammersmith«, das neue Live-Album von Motörhead, das in jenem Frühjahr in London aufgenommen wurde.  Aus Rücksicht auf unsere Mitmenschen haben wir die Autofenster fest geschlossen –Vergnügen total vor dem Klettern …

Am 6. Juli 1981 verlassen wir das Grimselhospiz fast im Laufschritt, die Kletterschuhe schon an den Füßen (!), und folgen einem bequemen Kiesweg, der durch eine Art natürlichen, botanischen Garten führt. Trotz der schweren Rucksäcke mit dem Kletterzeug und der Biwakausrüstung erreichen wir nach weniger als einer Stunde das Ende des Grimselsees, wo wir eine außergewöhnliche Granitplatte entdecken.

Yves nimmt eine Verschneidung im linken Teil der Wand in Angriff. Einige Stunden und fünfzehn Seillängen später sind wir am Gipfel. Die prächtige Kulisse bietet ungewöhnliche Kontraste: Zu unseren Füßen erstrecken sich über Kilometer der Gletscher und der See und formen ein faszinierendes Landschaftsbild, das von den verschneiten Gipfeln der nahen 4000er, wie dem Finsteraarhorn mit seiner beeindruckenden Nordwand und dem Lauteraarhorn, beherrscht wird.

Zum Feiern dieser Premiere bleibt uns keine Zeit angesichts der unglaublich vielen Klettermöglichkeiten. Der nächste Tag ist wie verzaubert: ein Fest aus Rissen und Verschneidungen, natürlich in Platten, aber immer wieder anders. Dazu kommt, dass sich für Klemmkeile ideale Stellen finden; deshalb schlägt Yves kaum zehn Haken. Wir haben weder Spits (damals ein Sakrileg) noch teure Friends.

Die Ankunft am Gipfel ist euphorisch: Die perfekte Dosis aus Abenteuer, Ungewissheit und Anstrengung hinterlässt in uns bis heute die schönsten Erinnerungen an Klettern in idealem Fels. Ohne zu zögern widmen wir diese Route Motörhead, und um das Ganze zu krönen, bekommt jede Seillänge den Namen eines Songs des Live-Albums.

Die ersten Seillängen von Motörhead

Die erste Seillänge gibt sofort den Ton vor wie der Anfang des Albums »Ace of Spades«, – die perfekte Symbiose vom richtigen Moment am richtigen Ort. Am nächsten Tag klettern wir in der Mitte der riesigen Wand eine weitere Linie, deren Name alles sagt: »Simple Solution«. Am vierten Tag eröffnen wir eine Route an einem mäßig steilen Granitbuckel über dem Staudamm.

Es gibt ein Foto von Yves in dieser Route oberhalb des Wassers in einem Reibungsquergang: Diese Route heißt »Les pieds et les mains« und sagt alles über den Kletterstil am Grimsel-Stausee. Bohrhaken sind in solchen Routen nicht selbstverständlich, hier wird im Alpinstil geklettert; drei geschlagene Haken in einer Seillänge ist oft einer zuviel. Erst Probleme im sechsten Grad erfordern künstliches Klettern. Unser größter Förderer damals wurde Albert Wenk von Mammut, der uns nicht nur mit Material, sondern auch mit guten Ratschlägen versorgte, weil er selbst ein leidenschaftlicher und begnadeter Kletterer war (und immer noch ist).

Routensetzen im Aare-Granit: Schwerstarbeit!

In der darauffolgenden Woche sind wir wieder an dem großen Granitdom, den wir Eldorado getauft haben, um in die Route Motörhead einige Bohrhaken (mit der Hand!) zu setzen. Da der Aare-Granit verdammt hart ist, ist dies eine Aktion, als würde man in die Zentralbank mit einem Taschenmesser einbrechen wollen. Es dauert manchmal 30 bis 45 Minuten, um einen Bohrhaken zu befestigen, und man braucht zwei bis drei Bohrkronen dazu!

Gewöhnlich nehmen wir zum Klettern nie etwas zu essen oder zu trinken mit (eine unserer schlechten Angewohnheiten); am Abend im Biwak, völlig fertig, essen wir wenig; und am Morgen schlingen wir ein einfaches Frühstück rein. So vollenden wir nach vier Tagen fast ununterbrochenem Kampf mit Löcher bohren, gnadenloser Sonne und Durst die Route Septumania.

1982 – das neue Klettergebiet am Grimsel ist ein Riesen-Erfolg

Die Veröffentlichung aller neuen Eldorado-Routen in einer Broschüre von Mammut (eine Idee des damaligen Produktmanagers Albert Wenk) ist sofort ein Riesen-Erfolg. Mehr als 1500 Kletterer entdecken das Klettergebiet am Grimsel, was in der Geschichte des Kletterns in den Alpen einmalig ist. Diese Begeisterung lässt sich leicht erklären: kurzer Zustieg, lange schöne Routen, bester Fels, idyllische Umgebung.

Wir eröffnen u. a. die Routen »Marche ou crève«, »Métal hurlant« und »Venon« mit weiten Hakenabständen, was in ausgesetzten Passagen schon mal zur Folge hat, einen 20-Meter-Sturz zu riskieren. Eine neue Leidenschaft wird für uns das Speed-Klettern: Am 15. September 1982 klettern wir hintereinander »Septumania«, »Motörhead«, »Venon«, »Métal hurlant«, in Oubli »Les Larmes de rire« und »Uzumati« – ungefähr 2200 Klettermeter!

Um die Saison abzuschließen, klettert Yves »Septumania« in einer Stunde und zehn Minuten. 7a solo ist sein Training. Seit 1986 benützen wir eine Bohrmaschine und richten im Lauf der Zeit entlang des Grimsel-Stausees mehr als 40 Routen ein. Zum 30-jährigen Jubiläum des Live-Albums aus dem letzten Jahrhundert haben wir natürlich nicht versäumt, ein Konzert von »Motörhead« zu besuchen, gefolgt von einem Besuch am Eldorado.

Danach begannen wir, unsere Routen zu sanieren: geschlagene Haken und Bandschlingen entfernt und kritische Passagen mit Bohr- und Zwischenhaken abgesichert. Die Route »Schweiz plaisir« ist jetzt die leichteste und am besten abgesicherte, was aber nicht heißt, dass man selbst keine Klemmkeile mehr legen muss. Aber das macht doch die Essenz des Kletterns aus: Den Vorgaben der Natur folgen und die Probleme mit Körper und Geist lösen. Gerade weil das Gebiet Eldorado so schön ist und durch die Ebenmäßigkeit seiner Natur beeindruckt. Eldorado und »Motörhead« – so entgegengesetzt und dennoch ähnlich – haben nie aufgehört, uns zu faszinieren!

Klettern am Eldorado (Gipfel wenig unterhalb P. 2511 m)

  • Charakter: Reine Reibungskletterei; die Gletscherschliffplatten sind extrem glatt. Die Routennamen stehen jeweils am Einstieg.
  • Lage: Berner Alpen, nahe des Grimselpasses
  • Ausgangspunkt: Grimselhospiz (1980 m), Bushaltestelle
  • Exposition: Süd
  • Karte: Landeskarte der Schweiz 1:25 000, 1230 »Guttannen«
  • Zugang: Vom Grimselhospiz auf dem Weg zur Lauteraarhütte (beginnt an der Staumauer) bis zum Ende des Stausees; auch mit dem Boot erreichbar
  • Abstieg vom Gipfel: An der Ostrampe auf Pfad (oft feucht, nach Regen schlammig) zum rechten Wandfuß des Doms; in der Mitte des Abstiegs zwei kleine Stufen abklettern (3a) oder die erste auch abseilen (25 m)
  • Gehzeiten: Grimselhospiz – Wandfuß Eldorado 1½ Std.; Kletterrouten 4 bis 6 Std.; Abstieg Gipfel – Zustiegsweg 1 Std.;
  • Beste Jahreszeit: Sommer und Herbst, bis zum ersten Schnee; in der Sonne sehr heiß
  • Hinweis: Bitte die Naturschutzregeln (Aushang am Hospiz) unbedingt beachten!
  • Material: ein Satz Klemmkeile und Friends (0,75/1 – 3), 10 Expressschlingen

Fotos: Claude Remy

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