Aus dem Bergsteiger-Archiv von 2016.
Für zwei Dinge ist die Toni-Demetz-Hütte bekannt: die Aussicht und ihre Geschichte. Spektakulär in der Langkofelscharte gelegen, bietet sie freie Sicht auf Sellapass, Sellastock samt Piz Boè bis hin zur Marmolada. So jedenfalls bezeugen es Postkarten, der Hüttenwirt und Wiederholungs-Gäste. Gerne hätte man sich selbst davon überzeugt, nur: Auch der Rekordsommer 2015 hatte seine zwei, drei Regentage im Programm (wichtig für die Natur!). Und mit ganz viel Pech kann es durchaus vorkommen, dass man genau während dieses einen Schlechtwetterfensters hier oben ist. Pech, ja. Aber immerhin bedeutet das mehr Zeit, um sich auf das zu konzentrieren, was diese
Hütte als zweites ausmacht: ihre Geschichte.
Es ist eine private Hütte, soviel vorneweg. Und ihr Name ist nicht zufällig gewählt. Enrico Demetz, genannt Heini, Hüttenwirt und Sohn des Hüttenerbauers Giovanni Demetz kennt die Geschichte aus erster Hand. "Toni war mein ältester Bruder und ein äußerst talentierter Kletterer. Jeder, der ihn kannte, prophezeite ihm eine große Bergführer-Karriere."
Die Gemützliche Stube der Toni-Demetz-Hütte
Als einer der wenigen seiner Zeit sprach Toni Englisch, was in den frühen 1950er-Jahren, als die Briten noch immer eine der umtriebigsten Bergsteiger-Nationen waren, ein großer Vorteil war. Am 17. Juni 1952 habe er zwei Gäste
auf den Langkofel geführt und sei dort in ein heftiges Gewitter geraten. "Mein Vater sah den Blitz und ahnte Schreckliches. Er war der Erste am Unfallort und fand seinen leblosen Sohn Toni – der da gerade mal 20 Jahre alt war. Ein Gast war ebenfalls tot, der zweite lebte noch." Trotz des Schocks habe es sein Vater geschafft, den Verletzten lebend vom Berg zu bringen.
Warmer Ofen, warme Mahlzeit
"Seither hat sich mein Vater diesem Ort tief verbunden gefühlt. Als Mitglied der Bergrettung wusste er, dass immer wieder Kletterer am Langkofel in Not geraten." Und so fasste Giovanni Demetz den Plan, an der Langkofelscharte ein Schutzhaus zu errichten, in dem Bergsteiger einen warmen Ofen und eine warme Mahlzeit vorfinden – wann immer sie dort aufschlagen.
Bei einer Ehrung für seine Verdienste als Bergretter vertraute Giovanni dem Präsidenten Italiens seinen Wunsch an und stieß auf offene Ohren: Unerwartet schnell erhielt er die Genehmigung. Im Herbst 1953 begann der Bau, 1954 war die Einweihung. Die Seilbahn, die von der Sellascharte Wanderer in wenigen Minuten auf die Scharte und zur Hütte bringt, existiert erst seit 1960 – und so mussten Giovanni und seine Familie alles hochtragen: Baumaterialien, Einrichtungsgegenstände, Essen, Getränke.
Der Ofen ist immer warm.
Immer wieder wurde die Hütte vergrößert, heute bietet sie 28 Schlafplätze. Einen Ofen gibt es nach wie vor. "Der ist immer warm", versichert Heini, "er ist das Herz der Hütte". Auch der zweite Grundsatz seines Vaters, in Not geratenen Bergsteigern immer eine warme Mahlzeit anbieten zu können, gilt auch jetzt noch. Und ist bitter nötig: "Zwei bis dreimal pro Woche werden Kletterer am Langkofel geborgen." Ist es bereits dunkel und Heini wartet noch auf Heimkehrer, packt er seinen Scheinwerfer aus, um die Wand zu beleuchten. "Oft hilft das Licht schon, und die Leute finden sich alleine wieder zurecht."
Eine Lebensaufgabe
Für Heinis Vater war die Hütte eine Lebensaufgabe. "Er hat sich nie dafür interessiert, wie viel sie abwirft. Nur dafür, dass alles gut läuft." Heini hingegen musste sich in die Rolle als Wirt erst einfinden. Er träumte davon, Skirennfahrer zu werden, arbeitete als Vertreter für Reusch, dazu hatte er drei kleine Töchter.
Als der heute 69-Jährige die Hütte erstmals übernahm, lief sie eher nebenher, Personal sollte für Entlastung sorgen. Doch bald schon musste sich Heini eingestehen, dass der Betrieb der Idee seines Vaters nicht mehr gerecht wurde. Seine Cousine übernahm sie kurzzeitig, doch bald schon wurde sie krank. Heini, seine Frau und die drei Töchter, damals um die 20 Jahre alt, sprangen spontan ein.
"Wir haben alles andere sein lassen und sind nun mit voller Seele hier." Seine Mundwinkel springen kurz nach oben, als er das sagt. Er blickt sich um, deutet auf die vielen gerahmten Fotos seines Bruders und seines Vaters, die die Wände der Gaststube zieren. Überflüssig, dass er es ausspricht, man merkt es: Heute könnte er sich keine andere Aufgabe mehr vorstellen.
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Hütteneinmaleins
Lage: Dolomiten, oberhalb des Sella-Passes, eingebettet in der Langkofelscharte zwischen Langkofel und Fünffingerspitze
Zugänge: von St. Christina (3 bis 4 Std.), von der Seiser Alm (3 bis 4 Std.) oder vom Sellajoch (zu Fuß ca. 1 Std., alternativ mit der Gondel)
Kapazität: 24 Schlafplätze
Öffnungszeiten: Mitte Juni bis Mitt e Oktober
Besonderheiten: der immerwarme Ofen, eine warme Dusche und der hervorragende lose Tee. Direkt hinter der Hütte befindet sich zudem ein Klettergebiet, das sowohl Sportkletterrouten als auch alpine Routen bietet.
Kontakt: Tel. 00 39/3 35/6 58 67 96,
info@tonidemetz.it,
www.tonidemetz.it
Karte: Kompass 1: 50 000, Blatt 59 "Sellagruppe"
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