Venezuela gehört nicht unbedingt zu den Ländern, in die man derzeit ohne jegliche Bedenken reist. Eine internationale Gruppe von fünf Slacklinern und einer Slacklinerin machten sich im Oktober dennoch auf den Weg, um sich dort einen ganz besonderen Traum zu erfüllen: eine Slackline über dem höchsten Wasserfall der Erde, den Angel Falls – oder Körepakupai Wena, wie er von den indigenen Pemon Kamarakoto genannt wird.
Der Traum wurde wahr. Mehr als 1000 Meter über dem Boden gelang allen sechs Extremsportlern die sturzfreie Begehung der höchsten Wasserfall-Highline der Welt. Die Highline war 148 Meter lang und lag 28 Meter höher als das bereits 1988 von Michel Menin begangene 30 Meter lange Drahtseil über dem Wasserfall.
Sechs Tage Anmarsch durch den Dschungel

Slackline-Profi Lukas Irmler (37) aus Freising, seine Lebensgefährtin Antonia Rüede-Passul (32) vom Bodensee, der Slackliner und Filmemacher Valentin Rapp (32) aus Raubling in Oberbayern, Karl Schrader (31) aus Stralsund, Jens Decke (33) aus Kassel und der Brasilianer Rafael Bridi (38) hatten die Expedition zum spektakulären Wasserfall auf sich genommen. Sechs Tage lang wanderte das Team von der Gran Sabana durch den Dschungel. Mitten durch eine äußerst vielfältige und oft sehr dichte Vegetation, durch Regenwald, Buschland, Sümpfe und Felslabyrinthe. Unterstützt wurden sie von lokalen Guides sowie einer Gruppe von Trägern aus dem Volk der Pemon.
„Die Navigation war extrem schwierig und mit den schweren Rucksäcken (20 kg) sowie dem herausfordernden Wetter mit viel Regen und Nebel besonders kräftezehrend“, sagt Lukas Irmler. Am Wasserfall angekommen, verankerten sie die 148 Meter lange Highline oben auf dem Auyan Tepui – direkt über dem Hauptfall mit maximaler Ausgesetztheit. In den folgenden drei Tagen schafften alle sechs Highliner die Line ohne Sturz.
Lukas Irmler: Allen Zweifeln getrotzt
„Es ist zweifellos eine der – wenn nicht die – schönste Highline der Welt. Zu Ehren der lokalen indigenen Bevölkerung haben wir uns entschieden, die Line ‚Amanöm‘ zu nennen, was in der Sprache der Pemon ‚die Schönste‘ bedeutet“, erzählt Irmler.

Das Team hatte schon mit vielen Weltrekorden und spektakuläre Highlines weltweit auf sich aufmerksam gemacht. „Wir sind immer auf der Suche nach spektakulären Orten für eine neue Highline – die Angel Falls standen schon lange auf unserer Liste.
Die anhaltende wirtschaftliche Krise und Instabilität Venezuelas sowie der hohe logistische Aufwand für das Erreichen dieser extrem abgelegenen Region im Südosten des Landes hat uns bisher aber davon abgehalten“, erzählt Lukas Irmler. Die politische Spannung zwischen Venezuela und den USA kurz vor dem geplanten Start ließ sie erneut zweifeln, hielt sie letztlich aber nicht auf. Die Expedition verlief erfolgreich, und das Team kehrte sicher zurück – mit einem neuen Rekord aus einer der entlegensten Regionen der Erde.
2026 wird auch ein Film über das Abenteuer in Venezuela erscheinen.