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Bergsteiger 06⁄15

nen, aber dann krümmte es ihn vornüber.

Ob er den Mann mit dem rötlichen Bart

und mit den nackten Knien, der jetzt auf-

recht und breitbeinig aus dem Gebüsch

trat mit der Armbrust in der rechten

Hand, überhaupt noch erkannt hatte, be-

vor es ihm schwarz wurde vor den Augen,

ist ungewiß.«

Tell! Karin und Rolf kennen die Geschich-

te natürlich, den Urmythos der freien

Bauern, aus dem Friedrich Schiller eine

Revolutionsgeschichte des frühen 19.

Jahrhunderts machte und den heute noch

mancher Politiker gerne beschwört. Frem-

de Herren, egal ob sie auf der Habsburg

im Aargauischen oder in Brüssel hocken,

kommen hierzulande selten gut an. Frem-

des Geld hat es da leichter, und so stört sich

kaum jemand daran, dass der Bürgenstock

mit vielen Millionen Öldollars aus Katar in

ein Luxus-Resort für Reiche und sehr Rei-

che verwandelt wird.

Riviera des Vierwaldstättersees

Für Karin und Rolf endet der heutigeWan-

dertag hinter Gersau imHotel Fähri, direkt

am See. Das hat zwar keine fünf Sterne,

dafür eine feine Fischküche und freund-

liche Gastgeber. Von der Terrasse schaut

man übers Wasser auf die Gipfel im Süden,

vom Niderbauen Chulm über den Schwal-

mis (2246 m) bis zum Buochserhorn.

Dieser Blick begleitet die beiden andern-

tags auf der weiteren Strecke des Vier-

waldstätterwegs, der von Gersau um die

Obere Nas herum nach Vitznau, dann mit

mehr Auf und Ab an der Südflanke der

Rigi nach Weggis führt. Es ist ein verfüh-

rerisch schönes Teilstück voller Kontraste:

viel Aussicht, ländliche Idylle, aber auch

so manche Bausünde im Umfeld der Feri-

enorte Vitznau und Weggis. Was für ein

Kontrast dann die Kulisse am »Orenfad«,

wie aus einem Fantasyfilm! Der schmale

Weg verliert zwischen mächtigen Berg-

sturztrümmern und Felswänden fast 150

Höhenmeter, schlängelt sich dann hinü-

ber zur nächsten Überraschung: ein Kasta-

nienhain. Bis zur »Kleinen Eiszeit« um die

Mitte des 18. Jahrhunderts, erfährt man

hier, war die Esskastanie nicht nur süd-

lich der Alpen, sondern auch in der Zen-

tralschweiz weit verbreitet. Seit ein paar

Jahren wird an mehreren Standorten eine

Rekultivierung betrieben, dabei werden

auch neue Bäume gepflanzt. Erntezeit ist

der Spätherbst, auch in der Chesteneweid

über dem Südufer des Vierwaldstättersees.

Übrigens: gratis und für jedermann/frau.

Eher tief in die Tasche mussten jene grei-

fen, die sich am Sonnenhang oberhalb

von Weggis ihren Traum von Haus mit

See- und Bergblick verwirklichen wollten.

Karin und Rolf – sie wohnen am Stadt-

rand von Zürich in einer sündteuren Drei-

Zimmer-Wohnung – sind leicht irritiert

über all den in Glas und Beton gegossenen

Wohlstand. Drunten am See liegt das alte

Dorf mit seinen Hotels, der Seepromenade

und der Schiffanlegestelle.

»Vo Luzärn gäge Wäggis zue, holadiho«

Karin hat prima Laune, und da passt das

Weg von Weggis: mit dem Schiff

über den Vierwaldstättersee

Durch diese Hohle Gasse muss

er gekommen sein, der Gessler.

Der schmaleWeg

schlängelt sich

zwischen mächtigen

Bergsturztrümmern

und Felswänden

zumKastanienhain.