Ein Amateurbergsteiger auf Everest-Expedition – Teil 11 | BERGSTEIGER Magazin
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Ein Amateurbergsteiger auf Everest-Expedition – Teil 11

Der Belgier Damien Francois träumt vom Everst – und zwar schon ziemlich lange. Im Frühjahr 2018 unternimmt er seinen vierten Versuch, er will endlich das Dach der Welt erklimmen. Den Verlauf der Expedition schildert er im Bergsteiger-Blog.
Teil 11: Everest Base Camp – vom Alltag in großer Höhe
 
© Damien Francois
Mit Prominenz im Eisfall: Damien und Kenton Cool, Bergführer mit 12 Everest-Besteigungen (Rekord unter Nicht-Nepalesen)
Anmerkung der Redaktion: Bislang lief die E-Mail-Kommunikation mit unserem Blogger Damien Francois erstaunlich reibungslos. Funktionierendes Internet im Everest Base Camp! – was es heute alles gibt... Die Verbindung ist sogar so gut, dass Damien uns aktuelle Fotos schicken konnte, die in diesem und weiteren Beiträgen erscheinen. Da ist es dann auch zu verschmerzen, dass eine von bislang zwölf Mails nicht durchkam, nämlich die mit dem Blogeintrag Nummer 10. Was hier nun als Nummer elf erscheint, ist also eigentlich die 10.
 

18. April, EBC

Heute passiert nicht viel am Berg. Es wird den 16 im Jahr 2014 verunglückten »Sherpas«, die eher als »Höhenarbeiter« zu bezeichnen wären, da nicht alle vom Volk der Sherpas waren, gedacht. Sie kamen am 18. April ums Leben, als ein Serac von der Everest-West-Schulter in den Eisfall stürzte. Eine gute Gelegenheit um ein paar Worte über den Zeitvertreib am Everest Base Camp zu verlieren.
 
Die Profis arbeiten hier, schließlich sind sie ja Profis! Sie werden bezahlt, um hier zu sein, aber wir, Amateure, die ja dafür bezahlen, hier zu sein, was tun wir den lieben langen Tag auf einem Gletscher auf 5300 Metern? Spaß beiseite, der Zeitvertreib in einer solchen Umgebung und während einer solch langen Expedition bedarf in der Tat ein paar Erläuterungen. Tatsächlich werde ich immer wieder gefragt, wie wir den Tag gestalten, wenn wir nicht am Berg sind, sondern im Basislager.
 
Nehmen wir den heutigen Tag als Beispiel – obwohl nicht alle Tage so »voll« mit Programm sind.
- 8 Uhr aufgestanden und dann bis 9.00 Uhr gefrühstückt (auf das Essen bei Expeditionen komme ich später zurück); Mittagessen gegen 12.30 Uhr und Abendessen um 19.00 Uhr
- Vorbereitung und Packen für den Aufstieg zu Lager 1
- Duschen und Wäsche waschen
- Lesen (ich lese zur Zeit das Buch »Ich, oben, allein« von Jost Kobusch, einem jungen deutschen Solo-Bergsteiger und Freund von mir – sehr empfehlenswert! –, sowie das großartige Buch von Alexander Dugin »Putin vs. Putin«)
- Schreiben (ich berichte über den Everest für Bergsteiger und das französische Montagnes Magazine; E-Mails)
Weitere typische Aktivitäten am EBC sind: Besuch von und bei Bergsteiger-Kollegen, ich zum Beispiel gehe Tee trinken bei den ein oder anderen Expeditionsgruppen, die ich kenne.


Blick auf das, was noch kommt, auf die vier Lager – zumindest fast: im Vordergrund – Camp 1, 6000 m; hinter den »Dünen« – Camp 2, 6500 m; mitten in der Wand (Lhotse-Flanke) – Camp 3, 7200 m; dem dunklen Grat links (Everest) runter folgend bis zum Schneefeld am Sattel – Camp 4 ("South Col") , 7950 m
 

Anekdoten und Erfahrungsaustausch

Die Unterhaltung mit den »Arbeitern«, dieses Jahr vor allem mit meinem redefreudigen »climbing Sherpa« Temba, gehört auch zum Tagesablauf. Wir unterhalten uns über unsere bisherigen Expeditionen, unsere gemeinsamen Bekannten, das Leben zuhause und, natürlich, über das gemeinsame Vorhaben. So lernen wir uns kennen und bilden allmählich ein Team, vorerst dank Worte, dann, ab morgen früh, durch den ersten gemeinsamen Aufstieg.
 
Mit seinen 45 Jahren und bislang elf Everest-Expeditionen hat Temba schon einiges mitgemacht, in den Bergen, und erzählt am Liebsten von den »Katastrophen«, also den schwierigen Situationen, die er erlebt hat. So viele inkompetente, ignorante, unfitte und eingebildete Kunden! Ich hoffe, ich werde nach der Expedition in seinen Augen nicht zu diesem Club gehören! Aber es gibt nicht nur solche Geschichten, denn er erinnert sich an und erzählt auch gern von Kunden, die ihm die Arbeit zur puren Freude gemacht haben.
 
Oftmals sind die am wenigsten »qualifizierten« und doch selbstüberzeugten und arroganten – nach Tembas Meinung, die ich aus persönlicher Erfahrung nachvollziehe und teile –, Asiaten selbst: Inder, Thais, Singapurianer, Malaysier, Chinesen. Zudem spielt bei diesen asiatischen Völkern die Ehre eine besonders große Rolle, sodass das Aufgeben immer eine sehr heikle Sache ist, die schon mal zum Tod führen kann. In der Regel bringen die westlichen Bergsteiger doch eine gewisse Erfahrung mit. In einem späteren Post komme ich auf die Problematik des »Wer gehört eigentlich an den Everest und wer sollte nicht hier sein?« zurück.
 
»Happy Hour«

Diesmal handelt es sich ja um eine Privatexpedition, sozusagen, aber ich habe selber bei meinen vorigen Everest-Expeditionen (2014, 2015, 2017) Malaysier und Singapurianer im Team gehabt. »Besser alleine als schlecht begleitet«, sage ich mir nur. Welch einen Kontrast stellten diese »Teams« im Vergleich zum Altitude Junkies Expeditionsteam am Manaslu 2013 dar! Es waren nicht nur mehrere echte Alpinisten dabei, die bereits zwei bis drei 8000er sowie viele andere Berge bestiegen hatten, sondern auch der bekannte Everest-Webseitenbetreiber Alan Arnette. Tradition oblige bei den Junkies, wenn nicht geklettert wird, gibt es um 16.00 Uhr die berühmte »Happy Hour«: Rot- oder Weißwein, Säfte, Snacks (Chips, Häppchen, veggie Sushi). Ganz zufällig schauten dann um diese Zeit zum Beispiel die Himalaya-Legende Russ(ell) Brice (Himalayan Experience, bekannt durch die Discovery Everest-Serien) und Tunc Findik (Türkeis Nr. 1 Alpinist) vorbei. Luxus? Keinesfalls! Ein solches Zusammensitzen schmiedet nicht nur den Teamgeist, die zwei oder drei Gläschen Wein öffnen auch den Appetit – und mehr gegessen heißt in der Regel besser geschlafen, also besser ausgeruht und mehr Energie am nächsten Tag. Und nicht zuletzt, jede Menge Diskussionen und Geschichten über das, was uns verbindet, und zwar: Die Berge!


Hier geht es zurück zu Teil 10 des Bergsteiger-Blogs, der chronologisch eigentlich auf diesen Teil folgt. Und weiter zu Teil 12.
Damien Francois
Fotos: 
Damien Francois