Ich schlüpfe in die dicke Winterjacke, die mir ein Mitarbeiter der Bayerischen Bergwacht hinhält. Die goldenen Sonnenstrahlen des herbstlichen Tages wärmen mein Gesicht. Der letzte kalte Winter liegt weit zurück und die Erinnerungen an einen Tag, an dem es Minus 20 Grad kalt war, sind somit fast vergessen. Dieses Gefühl sollte nun aber wieder aufgefrischt werden– im wahrsten Sinne des Wortes.
Die schwere Metalltür geht auf, ich setze zwei Schritte in den Raum hinein und merke schnell, wie die eisige windige Kälte sich auf meinem Körper breit macht.
Es ist, als ziehe sich meine Kopfhaut zusammen, die Nasenhaare kleben aneinander. Ich muss laut husten, weil ich die kalte Luft zu schnell einatme. Der Kugelschreiber versagt bei dieser Temperatur – Notizen nebenbei zu machen, ist also unmöglich.
An mir vorbei eilen die Notärzte, die bei einer Übung eine verunglückte Person versorgen. Blitzschnell wird dieser mit nur wenigen Handgriffen in eine Wärmefolie gewickelt. Wie mag sich ein verletzter Mensch am Berg fühlen, wenn er bei solch einer Kälte auf Rettungskräfte warten muss. Den Wetterextremen ausgeliefert ist. Extrem sind auch die Bedingungen, unter denen die Bergretter in Windeseile die Unfallopfer bergen und versorgen müssen. Sie sind dabei selbst psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt.
Wiederholbare Vorgänge
Um für solche Situationen gut vorbereitet zu sein, gibt es seit Oktober 2016 den Bergwetterraum im Bergwacht-Zentrum für Sicherheit und Ausbildung in Bad Tölz (BW-ZSA). Hier können Notärzte unter realistischen Bedingungen trainieren und die Vorgänge jederzeit wiederholen. »Die Erfahrung prägt sich deutlich mehr ein, als wenn man das gleiche Szenario in einem warmen Lehrsaal durchführen würde«, erklärt Dr. Christian Freund, Notarzt der Bergwacht. Zwischendurch könnten sie den Raum verlassen, sich aufwärmen und diskutieren, was gut verlaufen ist und was in Zukunft möglicherweise verbessert werden könnte.
Extreme Kälte von Minus 22 Grad und eine Windanlage konfrontieren die Notärzte mit Faktoren, die ihnen bei einer Bergrettung im Ernstfall zum Verhängnis werden können: Dunkelheit, Schnee, Eis und extremer Wind. Die acht Meter hohen Wände im Raum bieten die Möglichkeit, dass zusätzlich ein Geländer aufgebaut werden kann und so eine Rettung aus der Höhe simuliert werden kann.
In so einer extremen Situation kann der Patient nur grundmedizinisch versorgt werden. Infusionen legen? Das sei bei dieser Kälte unmöglich, sagt Wolfgang Buchner, Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Bergwacht. »Wichtig ist also, den verunglückten Menschen möglichst schnell aufzuwärmen, da er sehr schnell auskühlt. Heutzutage verwenden die Notärzte hierfür Wärmefolien«, erklärt Wolfgang Buchner. Um Schmerzmittel zu verabreichen, bekommt der Patient einen Lutscher, in dem das Mittel enthalten ist. »Sobald der Verunglückte erstversorgt ist, wird er im realen Fall in die nächstgelegene Hütte oder ähnlichem gebracht, in der sich der Arzt besser kümmern kann«, sagt der Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Bergwacht.
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Eine Halle mit Simulationsanlagen
Das Bergwacht-Zentrum für Sicherheit und Ausbildung in Bad Tölz ist vor zwei Jahren ausgebaut worden und bietet eine Trainingsanlage für Bergretter. Auch die Feuerwehr und Wasserwacht, die Bundeswehr und die Luftrettung kann die Simulationsanlage nutzen. Durch die Anlage können vor allem Kosten gespart und Trainingsausfälle aufgrund schlechten Wetters vermieden werden.
Zwei Flugsimulatoren, vertikale Trainingswände, Hausdächer, Höhlengänge und ein flutbares Becken für Wasserrettungen statten die Trainingshalle der Bayerischen Bergwacht umfassend aus. Durch diese und weitere Möglichkeiten in der Halle können komplexe Übungen simuliert werden – von der Rettung bis zur Übergabe im Krankenhaus.