Alexander Huber und Dani Arnold: Durchsteigung der Matterhorn-Nordwand | BERGSTEIGER Magazin

Alexander Huber und Dani Arnold: Durchsteigung der Matterhorn-Nordwand

1931 durchstiegen Franz und Toni Schmid die Matterhorn-Nordwand als Erste. Bis heute fasziniert und reizt die 1200 Meter hohe Wand Alpinisten. Zumal der überhängende Teil der Zmuttnase noch unbestiegen war. War. Dani Arnold, Alexander Huber und Fotograf Thomas Senf haben das Kunststück geschafft. Ein Gast-Beitrag von Alexander Huber
 
Wieder ein neues Matterhorn-Kapitel: Alexander Huber und Dani Arnold © Thomas Senf
Wieder ein neues Matterhorn-Kapitel: Alexander Huber und Dani Arnold
Schon vor 15 Jahren war ich mit dem Vorhaben, eine direkte Linie durch den großen Überhang der Zmuttnase zu legen, am Fuße der Nordwand gestanden. Im Februar 2002 zogen Max Reichel und ich eine tiefe Spur in Richtung Nordwand, aber wir kamen nicht weit. Je weiter ich die Spur vorantrieb, je tiefer die Spur wurde, umso mehr reifte in mir die Einsicht, dass hier nichts zusammenpasste. Zu viel Schnee, lawinengefährlich, schwierige Wettervorhersage. Und ich hatte die Dimension der Nordwand schlicht und einfach unterschätzt – vor allem diesen weitausladenden Überhang.

Ich stand damals direkt in Fallinie dieses gewaltigen Bollwerks und allein der Anblick raubte mir den Mut. Zusammen mit den anderen Faktoren wirkte die Atmosphäre der Wand derart einschüchternd, dass ich, am Einstieg angekommen, nicht einmal einsteigen wollte. Unverrichteter Dinge zogen wir uns zurück. 

Der Makel der Abfuhr

Der Traum war da und doch war er lange Zeit wenig präsent. Tausend andere Ziele waren näher an der Oberfläche und vor allem mit keinem Makel verbunden. Und ja, dieses Projekt hatte für mich einen Makel: Man geht einfach nicht gerne zu einem Platz, an dem man eine handfeste Abfuhr bekommen hat. Also brauchte es wohl eine ganz besondere Motivation...



Im Sommer 2017 wollen Dani Arnold und ich zusammen mit dem Mario Walder und dem Grisu auf Expedition gehen, und wir zwei hatten im März recht viel freie Zeit. Wir sollten was tun. Und nachdem der Dani nahe am Matterhorn sitzt, tauchte nach langer Zeit der Ruhe in mir die Erinnerung an diese »Schweizernase « auf. Tatsächlich hatte mir der Dani sogar was voraus: Er war vor zwei Jahren mit seinem Bruder sogar schon drin in der Wand – sie kletterten die ersten zehn Seillängen der Route »Gogna«. Genaue Bilder zeigten einen feinen, aber durchgehenden Riss mitten durch den steilsten Teil der Schweizernase. Das ist es. Wir träumen beide vom Gleichen!

Mission impossible?

Jeder Winter hat seine Tücken und in diesem Jahr ist es die durchwegs angespannte Lawinensituation. Auch als Mitte März fünf Tage Hochdruck vorhergesagt werden, steht im Schweizer Lawinenbulletin eine erhebliche Gefahr. Schwer zu sagen, ob trotz der hohen Ambitionen schon an der Hörnlihütte die Mission beendet werden muss. Und natürlich gibt es da diese Zweifel, dass es wieder eine Schneiderfahrt werden könnte. Aber ist es nicht gerade diese Ungewissheit, die einen immer wieder antreibt aufzubrechen?



Dani, ich und der Fotograf Thomas Senf starten eine Stunde vor Sonnenaufgang von der Hörnlihütte. Ein schöner Morgen, die Lichter von Zermatt, der Himmel mit allen Farben zwischen tiefem Blau und leuchtendem Rot. Lawinentechnisch haben wir Glück, die starken Winde der vergangenen Woche haben am exponierten Matterhorn den Schnee massiv verpresst. Das Spuren ist leicht.

Es geht – voran!

Zwölf Seillängen klettern wir zuerst auf der »Gogna«.Viel Eis und kombiniertes Gelände – genau das, was der Dani liebt und auch schon kennt. Dann fünf Längen im Fels – und Gott sei Dank passen die Verhältnisse. Es ist kalt und ich muss ohnehin mit Handschuhen klettern, aber es liegt nur wenig Schnee. Es geht – voran!

Wir biwakieren auf einem kleinen Absatz, direkt unter dem gewaltigen Überhang. Spartanisch, aber strategisch perfekt. Jeder von uns kauert und friert dem Morgen entgegen. Winter halt!



Dann: Rein in den Überhang. Und ich kann nur sagen: bester Fels. Am Matterhorn! Steil wie das große Dach an der Westlichen Zinne. Du glaubst, gar nicht auf der Erde zu sein, weil’s unglaublich exponiert ist. Cliffs, Birdbeaks und Messerhaken, Keile und Friends. Es ist wie in einem der berühmten hakentechnischen Klassiker des El Capitan. Gerade die zweite Länge ist besonders steil und luftig. Da hängst du an einem Birdbeak, dessen fingernagelgroße Spitze im Fels steckt. Nur die Erfahrung sagt mir, dass so was geht.

So steil wie der Überhang ist, so abrupt kommt der Wechsel ins typische, geneigte Gelände der Nordwand. Zuerst sind wir noch hart am Arbeiten, dass das gesamte Material raufkommt. Dann nur noch ein paar Meter, Sechsergelände, senkrecht, gutgriffig und dann: Mia hamm’s! Über uns »a g’mahte Wiesn«! Ein letzter Blick runter in den Abgrund und wir genießen die Euphorie. Gefühlt sind wir schon fast oben, auch wenn es noch 400 Meter sind. Nichts kann uns in diesem Gelände mehr aufhalten.

Ziemlich fertig, aber noch viel glücklicher erreichen wir gegen vier Uhr nachmittags den Gipfel. Die Schatten werden langsam lang, genauso wie der Abstieg. Der Tag geht, die Erinnerung bleibt!
 
Alle Fotos: Thomas Senf
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 09/2017. Jetzt abonnieren!
 
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