Ulla Lohmann ist 1977 geboren und arbeitet als Foto-Journalistin und Dokumentarfilmerin. Sie studierte Geografie und Journalistik, hat einen Abschluss in Umweltmanagement und Fotojournalismus. Ihr Spezialgebiet: Vulkane und indigene Völker. Seit 2015 ist sie Mitglied im New Yorker »Explorers Club«, dem Pioniere wie Edmund Hillary, Roald Amundsen, Thor Heyerdahl, Neil Armstrong und Charles Lindbergh angehören. Ihren Ehemann Basti lernte sie in der Bad Tölzer Kletterhalle kennen. Gemeinsam bestiegen sie unter anderem den »Totem Pole« (7b+) in Tasmanien.
Der Beginn einer Leidenschaft
Wahrscheinlich hat sich der Vater von Ulla Lohmann nichts dabei gedacht, als er seine Tochter mit nach Pompeji nahm. Die war damals acht – und den feuerspeienden Bergen sofort verfallen. »Da habe ich die Auswirkungen der Kraft eines Vulkans sehen können. Danach habe ich ›Reise zum Mittelpunkt der Erde‹ und überhaupt alle Bücher über Vulkane gelesen, wollte immer wissen, was in der Erde ist«, erzählt sie heute. 30 Jahre später kam sie diesem Wissen mit ihrem Mann Basti sehr nahe – als erste Menschen, die 600 Meter tief in einen aktiven Vulkan geklettert sind, umgeben von der 1200 Grad heißen Lava des Benbow, einem Feuerspeier auf Vanuatu, ihrer zweiten Heimat am anderen Ende der Welt.

Wie man auf eine solche Idee kommt und sie auch umsetzt? Das ist das Erfolgsgeheimnis dieser zigfach ausgezeichneten Fotografin und Abenteurerin. Wenn sie nicht irgendwo an den entlegensten Plätzen dieses Planeten unterwegs ist, lebt sie mit Mann und Sohn in Hohenschäftlarn. Am naturbelassenen Garten sieht man: Für Zierrasenpflege und akkurat gestutzte Hecken will Ulla Lohmann keine Zeit haben. Sie ist ja eh nie da. »Einmal waren wir im ganzen Jahr nur drei Wochen daheim. Jetzt schaffen wir immerhin ein, zwei Monate.«
Sohn Manuk sei von Geburt an überall dabei, erzählt die Mama: »Mit fünf war er schon in 50 Ländern, hat zehn ausbrechende Vulkane gesehen, war noch nie richtig krank, steht bei unseren Vorträgen mit auf der Bühne und erklärt, wie man eine Made isst.« Und? Wie? »Nie mit dem Hinterteil zuerst! Die werden einem lebend angeboten und können sich in der Zunge verbeißen. Man muss richtig drauf beißen. Während der Schwangerschaft auf Vanuatu habe ich die zum Frühstück bekommen, wegen der Proteine. Ich mag sie in Kokosmilch gegart sehr gern, aber auch roh, wenn sie sauber gemacht sind, sonst knirscht der Sand so zwischen den Zähnen.«
Immer mit Kind unterwegs
Für den Sohn sei es »ganz normal nichts zu haben, auch mal auf dem Boden zu schlafen. Er jagt sein Essen selbst, mit Harpune und Steinschleuder. Erwischt hat er bisher allerdings noch nichts.« Sein erstes Gewitter habe er als Dreijähriger erlebt, in Schäftlarn – und gedacht, es sei ein Vulkanausbruch, »weil er nix anderes kennt«, sagt die Mama.
Seit Manuk in die Schule gekommen ist, seien monatelange Reisen nicht mehr drin, räumt Lohmann ein, schaltet aber gleich wieder in den Abenteuer-Modus: »Wenn man will, gibt es immer einen Weg. Man darf sich halt nicht davon abhalten lassen, was andere über einen denken.« Wer sich wie sie mit 15 statt mit Partys und Jungs mit dem Lurch sclerochephalus beschäftigt, was übersetzt dicker Schädel bedeutet, der bekomme »wunderbare Ohren, die auf Durchzug schalten können«

Lohmann ist das Kind zweier Lehrer aus Enkenbach/Alsenborn in der Pfalz. »Ich war immer schon wissbegierig und sehr mitteilsam, und wollte, sobald ich schreiben konnte, die Geschichten, die ich im Kopf hatte, aufschreiben.« Ihr erstes Buch – ein kleines gelbes Heftchen – schreibt sie mit sechs, über das imaginäre Fohlen Stella: »Dadurch bin ich zum Reiten gekommen.« Da sie keine Hörspiele haben durfte, sprach sie selbst Geschichten auf und verkaufte sie im Kindergarten: »Ich wollte immer schon Geschichten erzählen und Wissenschaft in eine Geschichte verpacken – das ist mir geblieben, bis heute.«
Als Jugendliche fragt sie bei Forschern eines Naturkundemuseums nach, ob sie bei einer Grabung mitmachen dürfe. Sie durfte und findet bei Bad Dürkheim als weltweit Erste ein zwei Meter langes Ur-Amphib, das sie drei Jahre lang rekonstruiert, die Knochen schematisiert und zusammen puzzelt – im Wohnzimmer. Als Lohn für ihre Hartnäckigkeit gibt es den Bundessieg bei »Jugend forscht«, dotiert mit 3000 D-Mark: der Grundstock für die erste Weltreise.
Ein Filmemacher, den sie kennt, lädt sie ein, mit ihm die Salzkarawanen in Nepal zu begleiten, sagt aber kurzfristig ab: »Ich hatte aber schon das Ticket nach Kathmandu, habe im Flieger jemanden kennengelernt, dessen Schwester da verheiratet wurde und der mich zur Hochzeit einlud.« Nach vier Wochen Trekking auf der Annapurna-Runde und einem üblen Sturz beim Eisklettern kommt sie zur Hochzeit, bei der der Bräutigam gleich beide Schwestern heiratet, weil er sich nicht entscheiden kann. Lohmann lebt einen Monat mit der Familie, muss die Männer bedienen, darf nur als Junge verkleidet Motorrad fahren: »Das hat mir die Augen geöffnet, dass meine Sichtweise nicht für alle passt.« Wie heißt es so schön: Reisen bildet.
Große Liebe zum Südpazifik

Ihr Reiseplan: Thailand, Neuseeland, Australien, Samoa und über Hawaii und Amerika zurück.
Sie kommt nur bis Samoa. Zu Hause hat sie die Mutter an der Uni in Kaiserslautern für Chemie und Mathe auf Lehramt eingeschrieben, aber da hat die Tochter gerade eine Art Piratenschiff entdeckt, wovon sie früher geträumt und gelesen hatte: »Den Kapitän habe ich angelogen und dadurch mein weiteres Leben bestimmt: Ich habe behauptet, dass ich kochen kann.« Sie bastelt Lasagne für 18 Mann, wird seekrank, drei Wochen sind es von Samoa nach Tonga. Als sie am geplanten Ankunftstag nicht in Frankfurt erscheint, versucht die Mutter mit Polizeihilfe, sie ausfindig zu machen – vergebens. »Ich kam dann genau ein Jahr später zurück«, erzählt die Weltenbummlerin.
Viele Male wird sie zurückkehren nach Vanuatu und Papua-Neuguinea, jedes Jahr ist sie mindestens ein oder zwei Mal dort, bietet Foto-Kurse »mit Lava-Garantie, sonst Geld zurück« an – und Erlebnisse mit Einheimischen, die kein anderer Anbieter im Portfolio hat. Denn sie ist den Menschen dort so nahe gekommen wie wohl niemand aus der westlichen Hemisphäre.
Nachdem sie in einem Reiseführer aus den 1970er-Jahren liest, dass ein Stamm im Dschungel seine Toten raucht, geht sie auf die Suche. Nach drei Jahren wird sie fündig – und stellt fest, dass Tote hier wirklich nicht beerdigt, sondern geräuchert werden, auf einem Stuhl sitzend, in einer Räucherhütte, drei Monate lang. Ihre Fotos von dieser speziellen Mumifizierung für »National Geographic« gehen um die Welt, ebenso wie die von der Kletterei im Vulkan.
Und das alles nur, weil der Papa sie mal nach Pompeji mitnahm. »Ich war nie damit zufrieden, mir etwas auszudenken, musste das immer in die Realität umsetzen«, sagt Ulla Lohmann. Wo sie den Antrieb hernimmt für all diese Extrem-Touren? »Aus dem Fakt, dass hinter der Macht der Gedanken so viel Kraft steckt. Ich liebe das Wort Leidenschaft! Wenn du für etwas brennst, ist es für dich kein Zwang, sondern gehört dazu, und ich brenne halt für Vulkane.«

Autor Thomas Becker kennt Ulla Lohmanns Heimat Enkenbach-Alsenborn als Saarländer ganz gut. Als Kind musste er oft mit seinen Eltern im Pfälzer Wald wandern.