Das große Bergsteiger-Interview mit Steve House
»Ich war keine besonders nette Person«
© Meike Birck
Das große Bergsteiger-Interview mit Steve House
Das große Bergsteiger-Interview mit Steve House
BERGSTEIGER: Heute werden wir nicht über große Gipfelerfolge reden, sondern über tiefe Stürze. Bereit?
House: Klar.
BERGSTEIGER: Welche Erinnerung haben Sie an den 25. März 2010?
House: Ich erinnere mich so ziemlich an alles – bis zum ersten Krankenhaus … Wollt ihr die ganze Geschichte hören?
BERGSTEIGER: Wir bitten darum. (Stark gekürzt)
House: Ich wollte mit Bruce Miller eine neue Route am Mount Temple in den kanadischen Rockies klettern, gleich bei mir um die Ecke. Der Fels war wirklich schlecht, ziemlich brüchig. Nachdem Bruce zwei, drei Seillängen vorgestiegen war, kam ich an die Reihe. Ich führte also etwa 30 Meter, erst ziemlich einfaches Gelände, dann ein etwas schwierigerer Riss und schließlich fast eine Art Vorsprung…
BERGSTEIGER: Hört sich ja eher nach einer lockeren Trainingseinheit für Sie an.
House: Ja, letztlich war es Training. Ich versuchte auf diesem Vorsprung also etwas Schnee wegzuputzen, bereitete mich auf den nächsten Zug vor – und flog auf einmal. Rückwärts. Ich kann mich sehr klar an den Fall erinnern. Es fühlte sich an wie beim Sportklettern; ich wartete auf den Moment, wenn einen das Seil auffängt. Das Seil straffte sich auch immer wieder, bevor die Sicherungen aus der Wand flogen.
BERGSTEIGER: Wie oft?
House: Drei, vier Mal. Einmal kam ich fast zum Stillstand – und dann zack. Als mich das Seil schließlich endgültig auffing, knallte ich gegen die Wand – mit der rechten Seite. Ich trug die gesamte Ausrüstung am Gurt und an einer Schlinge an der Seite. Das verursachte den ganzen Schlamassel, vor allem die Klemmgeräte.
BERGSTEIGER: Sie bohrten sich in Ihren Körper?
House: Nicht direkt. Die Klemmgeräte brachen mir die Knochen, und die Knochen klappten nach innen, in den rechten Lungenflügel. Ich hatte das Gefühl, nicht atmen zu können. Dann hörte ich Bruce; er war nur noch zehn Meter von mir entfernt. Eine Zeitlang bildete ich mir ein, zu ihm krabbeln zu müssen. Dank des Adrenalins schaffte ich etwa fünf Meter. Dann wurde der Schmerz zu schlimm.
BERGSTEIGER: Der Abschnitt, wo Sie den Stand verloren, war nicht wirklich herausfordernd. Warum fielen Sie? Mangelnde Konzentration?
House: Schwer zu sagen. Stand ich auf einem losen Fels, weil ich nicht konzentriert war? Vielleicht.
BERGSTEIGER: Also einer der Unfälle aus der Rubrik: Shit happens.
House: Irgendwie ja. Aber als Alpinist glaubt man ja daran, auch so etwas irgendwie kontrollieren zu können. Oder sagen wir: zumindest zu merken, dass man auf einem losen Felsen steht. Als ich jedoch endlich an der Reihe war, habe ich regelrecht mit den Hufen gescharrt, wollte die Wand hochrennen. Einige würden das vielleicht Überstürzung nennen. Ich selbst wahrscheinlich auch. Aber in diesem Moment war es pure Begeisterung.
BERGSTEIGER: Der berühmte Flow.
House: Eher der Versuch, in den Flow zu kommen. In der ersten Seillänge bist du niemals im Flow. Ich jedenfalls nicht.
BERGSTEIGER: Kam Ihnen während des Sturzes jemals der Gedanke: Jetzt ist es vorbei?
House: Das kam erst später, als ich auf den Helikopter wartete. Das dauerte mit allem Drum und Dran knapp zwei Stunden, zwei wirklich lange Stunden. Da hatte ich schon ungefähr diagnostiziert, was mit meinem Köper passiert war. Und ich wusste als Bergführer auch, dass die Bedingungen für eine Rettung nicht die besten waren.
BERGSTEIGER: Sie selbst haben ja auch schon jede Menge Freunde in den Bergen verloren.
House: 19, um genau zu sein.
BERGSTEIGER: Neunzehn!?
House: Da sind nur die Leute mitgezählt, mit denen ich auch wirklich geklettert bin. Vielleicht nur einziges Mal. Aber ich klettere ja schließlich nicht mit jedem. Es waren Partner.
House: Klar.
BERGSTEIGER: Welche Erinnerung haben Sie an den 25. März 2010?
House: Ich erinnere mich so ziemlich an alles – bis zum ersten Krankenhaus … Wollt ihr die ganze Geschichte hören?
BERGSTEIGER: Wir bitten darum. (Stark gekürzt)
House: Ich wollte mit Bruce Miller eine neue Route am Mount Temple in den kanadischen Rockies klettern, gleich bei mir um die Ecke. Der Fels war wirklich schlecht, ziemlich brüchig. Nachdem Bruce zwei, drei Seillängen vorgestiegen war, kam ich an die Reihe. Ich führte also etwa 30 Meter, erst ziemlich einfaches Gelände, dann ein etwas schwierigerer Riss und schließlich fast eine Art Vorsprung…
BERGSTEIGER: Hört sich ja eher nach einer lockeren Trainingseinheit für Sie an.
House: Ja, letztlich war es Training. Ich versuchte auf diesem Vorsprung also etwas Schnee wegzuputzen, bereitete mich auf den nächsten Zug vor – und flog auf einmal. Rückwärts. Ich kann mich sehr klar an den Fall erinnern. Es fühlte sich an wie beim Sportklettern; ich wartete auf den Moment, wenn einen das Seil auffängt. Das Seil straffte sich auch immer wieder, bevor die Sicherungen aus der Wand flogen.
BERGSTEIGER: Wie oft?
House: Drei, vier Mal. Einmal kam ich fast zum Stillstand – und dann zack. Als mich das Seil schließlich endgültig auffing, knallte ich gegen die Wand – mit der rechten Seite. Ich trug die gesamte Ausrüstung am Gurt und an einer Schlinge an der Seite. Das verursachte den ganzen Schlamassel, vor allem die Klemmgeräte.
BERGSTEIGER: Sie bohrten sich in Ihren Körper?
House: Nicht direkt. Die Klemmgeräte brachen mir die Knochen, und die Knochen klappten nach innen, in den rechten Lungenflügel. Ich hatte das Gefühl, nicht atmen zu können. Dann hörte ich Bruce; er war nur noch zehn Meter von mir entfernt. Eine Zeitlang bildete ich mir ein, zu ihm krabbeln zu müssen. Dank des Adrenalins schaffte ich etwa fünf Meter. Dann wurde der Schmerz zu schlimm.
BERGSTEIGER: Der Abschnitt, wo Sie den Stand verloren, war nicht wirklich herausfordernd. Warum fielen Sie? Mangelnde Konzentration?
House: Schwer zu sagen. Stand ich auf einem losen Fels, weil ich nicht konzentriert war? Vielleicht.
BERGSTEIGER: Also einer der Unfälle aus der Rubrik: Shit happens.
House: Irgendwie ja. Aber als Alpinist glaubt man ja daran, auch so etwas irgendwie kontrollieren zu können. Oder sagen wir: zumindest zu merken, dass man auf einem losen Felsen steht. Als ich jedoch endlich an der Reihe war, habe ich regelrecht mit den Hufen gescharrt, wollte die Wand hochrennen. Einige würden das vielleicht Überstürzung nennen. Ich selbst wahrscheinlich auch. Aber in diesem Moment war es pure Begeisterung.
BERGSTEIGER: Der berühmte Flow.
House: Eher der Versuch, in den Flow zu kommen. In der ersten Seillänge bist du niemals im Flow. Ich jedenfalls nicht.
BERGSTEIGER: Kam Ihnen während des Sturzes jemals der Gedanke: Jetzt ist es vorbei?
House: Das kam erst später, als ich auf den Helikopter wartete. Das dauerte mit allem Drum und Dran knapp zwei Stunden, zwei wirklich lange Stunden. Da hatte ich schon ungefähr diagnostiziert, was mit meinem Köper passiert war. Und ich wusste als Bergführer auch, dass die Bedingungen für eine Rettung nicht die besten waren.
BERGSTEIGER: Sie selbst haben ja auch schon jede Menge Freunde in den Bergen verloren.
House: 19, um genau zu sein.
BERGSTEIGER: Neunzehn!?
House: Da sind nur die Leute mitgezählt, mit denen ich auch wirklich geklettert bin. Vielleicht nur einziges Mal. Aber ich klettere ja schließlich nicht mit jedem. Es waren Partner.
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Text: Dominik Prantl und Michael Ruhland; Fotos: Meike Birck, Steve House , Rolando Garibotti
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 03/2013. Jetzt abonnieren!
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