Berglauf-Ikone Kilian Jornet im Interview: "Berge zu besteigen ist egoistisch"
Kilian Jornet: "Der Gedanke, in den Bergen zu sterben, das macht mir schon Angst"
Sie haben gesagt, 2019 war Ihr "bestes und schlechtestes Jahr" zugleich. Was meinten Sie damit?
2019 war das Beste in Bezug auf meine sportlichen Leistungen. Ich bin einige Rennen gelaufen, die ich schon lange vorhatte, wie den Montblanc-Marathon. Und privat war es das Beste, weil unsere Tochter geboren wurde. Dafür bin ich besonders dankbar. Andererseits hatte ich gleich zwei Verletzungen. Bis dahin hatte ich mich nur einmal verletzt, vor zwanzig Jahren.
Was war Ihr Ziel letztes Jahr am Everest?
Ich wollte allein auf dem Berg sein, weil es mit Blick auf die Risikobereitschaft und die Art und Weise, wie man die ganze Expedition angeht, etwas ganz anderes ist. Ich wollte allein gehen, und ohne jegliche Infrastruktur, Logistik oder Basislager klarkommen. Ich glaube, das ist mein größtes Ziel: allein in den Bergen zu sein, nur auf mich allein gestellt zu sein.
Die Reaktion der Menschen, wenn sie Ihnen auf Ihren Social Media Kanälen beim Klettern und beim Skifahren in den steilen Couloirs zuschauen, ist oft so etwas wie: "Dieser Verrückte!" Was macht Ihnen Angst?
Angst ist wichtig, weil sie einen daran erinnert, dass man auf etwas nicht vorbereitet ist. Wenn man also vor etwas Angst hat, ist es wahrscheinlich das Beste, nicht zu gehen. Angst ist eine Grundvoraussetzung, um zu überleben. Es geht darum, die Konsequenzen zu kennen und zu wissen, was passieren kann, Man muss sich selbst und seine Fähigkeiten gut kennen und die Risiken akzeptieren, die man eingehen möchte.
Okay, aber gibt es etwas, wovor Sie sich fürchten?
Ja, sicher. Der Gedanke, in den Bergen zu sterben, das macht mir schon Angst. Wenn ich in einer gefährlichen Situation bin, beginne ich, das Risiko zu analysieren und die Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen, um eine Entscheidung zu treffen.
Ändert es etwas an Ihrem persönlichen Risikomanagement, dass Sie jetzt Vater eines kleinen Mädchens sind?
Jetzt, wo meine Tochter fast ein Jahr alt ist, stelle ich fest, dass es meine Risikowahrnehmung in den Bergen nicht verändert hat. Dafür umso mehr im Alltag, zum Beispiel fahre ich jetzt viel vorsichtiger Auto. Ich mache mir auch mehr Gedanken um die Umwelt und das Klima. Durch meine vielen Reisen ist es aber ein bisschen so, als ob ich meine eigene Zukunft und die unserer Tochter töte.
Einerseits leben Sie die meiste Zeit recht zurückgezogen, andererseits sind Sie auf allen medialen Kanälen präsent. Mal abgesehen, dass Sie als Profi davon leben – wie passt das zusammen?
Das ausführliche Interview mit Kilian Jornet ist im Bergsteiger 07/20 erschienen.