Wandern

Die schönsten Herbstwanderungen im Allgäu

Im Herbst ist das Wetter oft stabiler und die Fernsicht besser als im Hochsommer – ideal für leichte Wanderungen zu Panoramagipfeln und lange Grattouren. Im Allgäu gibt es links wie rechts der Iller ein paar besonders schöne Touren, die sich auch mit der Bahn bestens erreichen lassen.

Nagelfluh
Die Überschreitung der Nagelfluhkette zählt zu den schönsten Herbst-Touren im Allgäu.© Michael Pröttel

Der Oktober ist bekanntlich die ideale Wander-, aber oft auch Stau-Zeit. An schönen Bergwochenenden wälzen sich kilometerlange Blechlawinen über die Salzburger Autobahn, durch Garmisch-Partenkirchen und auch in Richtung Oberstdorf. In den stehenden Autos sitzen meistens "restless legs". Oft von PC-Arbeit unterfordert warten sie sehnsüchtig darauf, den ersten Schritt zu tun.

Mit der Bahn anreisende Beine haben es nicht nur in Sachen Staugefahr deutlich besser. Spätestens wenn der exponierte Grünten am Zugfenster auftaucht, müssen sich ihre Besitzer entscheiden, ob sie von Immenstadt, Oberstaufen, Fischen oder Oberstdorf aus zur Tat schreiten wollen. Die schönsten Herbstwanderungen im Allgäu, mit atemberaubender Fernsicht, haben wir hier für Sie ausgewählt:

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Herbstwanderung von der Siedelalpe zum Alpseeblick

Direkt am Bahnhof Immenstadt beginnt eine sonnige und leichte Wanderung zum Großen Alpsee, von wo es über den verschlafenen Weiler Zaumberg zur aussichtsreichen Siedelalpe hinauf geht. Für deren satte Almwiesen dürfte ein Allgäuer Wirtschafts- und Tourismus-Visionär mitverantwortlich sein.

Denn als das Allgäuer Leinen im 19. Jahrhundert von der billigeren Baumwolle verdrängt wurde und viele Bauern verarmten, propagierte Karl Hirnbeim die Umstellung auf Milch- und somit Käsewirtschaft. So vollzog sich langsam der Wandel vom "Blauen Allgäu" – Flachs blüht blau – zum "Grünen Allgäu". Was den Bauern bald wieder Wohlstand und Bergwanderern bis heute weite, freie Blicke bescherte.

  • Schwierigkeit: leicht
  • Dauer: 5 Std.
  • Höhendifferenz: 360 Hm
  • Distanz: 15 km
  • Charakter: Herrliche Rundwanderung mit tollen Fernsichten auf zumeist breiteren Fußwegen. Wegen der südseitigen Exposition gerade für den Herbst ideal und sonnig
  • Ausgangs-/Endpunkt: Bahnhof Immenstadt (730 m)
  • Route: Bahnhof Immenstadt – Großer Alpsee – Zamumberg – Siesalalpe – Alpseeblick (1090 m) – Alpe Schönesreuth – Großer Alpsee – Bahnhof Immenstadt
Siedelalpe und Alpsee
Von den Almwiesen der Siedelalpe bieten sich schöne Blicke auf den Allgäuer Alpsee.© Foto: Adobe Stock/Dozey

Die Überschreitung der Nagelfluhkette im Herbst

Direkt gegenüber der Siedelalpe und hoch über dem Großen Alpsee ragt die Nagelfluhkette (1834 m) in die Höhe. Wer den Gipfel-Reigen von Hochgrat, Rindalphorn, Stuiben & Co. zum ersten Mal sieht, wird dieses Allgäuer Grat-Schmankerl so schnell wie möglich in sein Tourenbuch aufnehmen wollen.

Für die Überschreitung der Nagelfluhkette sind Bus und Bahn wegen der weit auseinander liegenden Ausgangs– und Endpunkte das einzig sinnvolle Transportmittel. Ein recht günstiges Verbundticket von Hochgrat- und Mittagbahn macht die lange Unternehmung zudem als Tagestour möglich.

Der Hinweis auf der einschlägigen Website "Die Wanderung über die Nagelfluhkette zählt zu den schönsten Bergtouren des westlichen Allgäus", stellt übrigens eine maßlose Untertreibung dar. Schon am ersten Gipfel, dem Hochgrat wird klar, dass man "des westlichen Allgäus" auch mit "des gesamten deutschen Alpenrands" austauschen könnte.

Bei guter Fernsicht reicht das enorme Panorama vom blauen Bodensee und dem vergletscherten Tödi im Westen bis zur unverkennbaren Silhouette der Zugspitze im Osten. Zudem verleiht der nach Norden senkrecht abstürzende "Hergottsbeton", wie das Nagelfluh-Gestein vor Ort auch liebevoll genannt wird, der Kammüberschreitung schwindelerregend alpinen Flair.

Gut muss man hier auf seine Schritte achten. Und immer wieder kommt man mit den verbackenen, runden Kieseln in direkten Kontakt, bis man nach gut sechs Stunden Ausblick seinen müden Oberschenkeln die Sessellift-Talfahrt zum Bahnhof Immenstadt gönnt.

  • Schwierigkeit: anspruchsvoll
  • Dauer: 6:30 Std. Höhendifferenz: auf 900 Hm, ab 1200 Hm
  • Distanz: 13 km
  • Charakter: Extrem aussichtsreiche, aber lange Kammüberschreitung, die an zwei Passagen gute Trittsicherheit erfordert. Nicht bei Gewittergefahr unternehmen!
  • Ausgangspunkt: Hochgratbahn (1700 m)
  • Endpunkt: Mittagbahn (1400 m)
  • Route: Bergstation Hochgratbahn – Hochgrat – Rindalphorn – Buralpkopf – Stuiben – Steineber – Bergstation Mittagbahn
Nagelfluhkette
Trittsicherheit ist bei der Nagelfluh-Überschreitung unerlässlich.© Foto: Michael Pröttel

Durch die Breitachklamm

Die topografische Antithese zur Nagelfluhkette ist die berühmte Breitachklamm. Die meisten Besucher fahren mit dem Auto zum oft überfüllten Parkplatz und verpassen dabei einen sehr netten Zugang. Vom Bahnhof Oberstdorf wandert man zunächst über den grünen Talboden zum Weiler Reute, der Ausblicke ins Illertal und zur Nebelhorngruppe bietet. Im Anschluss geht es entlang der Breitach zur gleichnamigen Klamm.

Ihre Erschließung geht auf die Initiative eines jungen Priesters zurück. Johannes Schiebel gründete 1904 einen Klammverein und trommelte genügend Geldgeber zusammen. Der Tiefenbacher Pfarrer interpretierte die enge Schlucht nicht (wie in früheren Zeiten) als Teufelswerk, sondern als "Meisterleistung göttlicher Schaffenskraft".

Und diese wollte der mit bergsteigerischem Talent gesegnete Geistliche zur Einnahmequelle für die bettelarme Bevölkerung machen. An einem Hanfseil hängend erkundete Schiebel die unzugängliche Schlucht und kam zu dem Schluss: "Die Klamm muss erschlossen werden, koste es, was es wolle."

So kann man heute auf soliden Stegen über wilde Fluten wandeln, die sich bis zu 150 Meter ins Kalkgestein eingeschnitten haben. Was für Mitteleuropa einen Rekordwert darstellt.

Am oberen Ende der Breitachklamm ist für Bahn-Wanderer die Tour zum Glück noch nicht zu Ende. Sie müssen ja nicht zum Parkplatz zurück, sondern können der nun sanfteren Breitach weiter nach Riezlern folgen, von wo es bequem mit dem "Walserbus" zum Bahnhof Oberstdorf zurück geht.

  • Schwierigkeit: leicht
  • Dauer: 3:30 Std.
  • Höhendifferenz: auf 410 Hm, ab 170 Hm
  • Distanz: 10 km
  • Charakter: Beeindruckende Klammwanderung durch eine der tiefsten Felsschluchten Europas auf gut angelegten Stegen
  • Ausgangspunkt: Bahnhof Oberstdorf (810 m)
  • Endpunkt Bushaltestelle Waldhaus (1040 m)
  • Route: Bahnhof Oberstdorf – Reute – Breitach – Breitachklamm – Waldhaus – Bushaltestelle Waldhaus
Breitachklamm
Gut ausgebaute Stege führen durch die Breitachklamm.© Foto: Adobe Stock/Falko Göthel

Anspruchsvolles Finale: Die Überschreitung des Rauhhorns

Vom tief eingeschnittenen Talweg geht es zum Schluss wieder ganz weit hinauf. Und zwar dorthin wo ein Grat die Grenze nach Tirol markiert. Auch wenn man im Herbst im alles andere als schrecklichen Schrecksee nicht mehr baden kann (was übrigens auch im Hochsommer eine äußerst frische Angelegenheit darstellt), ist das Rauhhorn (2241 m) absolut für diese Jahreszeit zu empfehlen.

Auf seinem exponierten Grat muss man im Oktober kaum Blitz oder Donner befürchten. Und umso klarer öffnen sich die gewaltigen Tiefblicke hinab zum Vilsalpsee und ins Hintersteiner Tal.

Schneefrei sollten die ausgesetzten Wegstücke und Kletterstellen bis Schwierigkeitsgrad II allerdings schon sein. Aber keine Angst. Wenn wider Erwarten Frau Holle doch schon vorbei geschaut hat, kann man den Grat über den deutlich leichteren "Jubiläumsweg" auch ostseitig umgehen. So oder so kommt man beim Abstieg auf einer der urigsten Almen der Allgäuer Alpen vorbei. Fast schon legendär sind die dampfenden Rücken der starken Haflinger Pferde, die schon so manches Bierfass von Hinterstein zur Willersalpe hochgeschleppt haben.

Geht hinter dem Nebelhorn dann die Sonne unter, werden in der Gaststube des uralten Gemäuers statt Glühbirnen noch Wachskerzen entfacht. So lange sollte man an der Willersalpe freilich nicht warten, um auf die grandiose Tour anzustoßen. Auch wenn der Abstieg ins Tal mit einer guten Stirnlampe auch bei Dunkelheit möglich wäre … der letzte Bus Richtung Bahnhof Sonthofen verlässt Hinterstein um zwanzig vor Sieben.

  • Schwierigkeit: anspruchsvoll
  • Dauer: 8 Std.
  • Höhendifferenz: auf 1340 Hm, ab 1420 Hm
  • Distanz: 15 Km
  • Charakter: Konditionell und technisch fordernde Grattour mit ausgesetzten aber seilversicherten Passagen und ungesichertem Gelände bis II UIAA
  • Ausgangspunkt: Bushaltestelle Auele (940 m)
  • Endpunkt: Bushaltestelle Hinterstein (870 m)
  • Route: Bushaltestelle Auele – Taufersalpe – Schrecksee – Hintere Schafwanne – Rauhhorn – Vordere Schafwanne – Willersalpe – Hinterstein
Rauhorn
Bei Schneefall lässt sollte der exponierte Rauhorn-Grat ostseitig umgangen werden.© Foto: Michael Pröttel

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