Liechtensteiner Höhenwege | BERGSTEIGER Magazin

Liechtensteiner Höhenwege

Wem das Fürstentum Liechtenstein nur als Finanzplatz ein Begriff ist, sollte umdenken. Denn die Berge über der Hauptstadt Vaduz bieten, auch begünstigt durch das milde Klima, herrliche Wandermöglichkeiten.

 
Morgenstimmung am Augstenberg © Liechtenstein Tourismus
Morgenstimmung am Augstenberg
Der Weg ist einen Meter breit, ungefähr, und über hundert Jahre alt. Letzteres sieht man ihm durchaus an, da und dort ist ein Stück weggebrochen, was bei dem abschüssigen Gelände nicht weiter verwundert. Das stört uns auch nicht weiter, wir sind gut zu Fuß und haben auch keine Wanderautobahn erwartet. Aber viel Aussicht, und die bietet der »Fürstensteig« tatsächlich. Dabei geht der Blick aus dem (angenehmen) Morgenschatten des Gipsberges zunächst einmal übers Rheintal zum Alpsteinmassiv mit dem Drachenrücken der Kreuzberge, zum »Schlafenden Mann« und zu dem von einem Antennenstachel gekrönten Gipfel des Hohen Kastens. Gut einen Kilometer tiefer fließt der Rhein, längst begradigt und in ein Korsett gezwängt, dem Bodensee zu, mit ihm und gegen seinen Lauf rollt der Verkehr über die Autobahn. Aus der Vogelperspektive ist der breite, flache Talboden mit seinen Äckern, Wiesen und Waldparzellen, mit den Straßen und Siedlungen ein bunter Fleckerlteppich. Der Fluss trennt hier zwei Länder: Sein linkes Ufer gehört zum Schweizer Kanton St. Gallen, das rechte zum Fürstentum Liechtenstein. Dessen Hauptort, das Städtchen Vaduz, liegt uns zu Füßen, buchstäblich und mitsamt seinem Schloss, dem Wohnsitz der Fürstenfamilie seit 1938. Die regiert allerdings schon viel länger den Kleinstaat, der aus den Grafschaften Schellenberg und Vaduz hervorging.

Gratwandern auf dem Fürstensteig

Wir steigen weiter auf dem »fürstlichen« Weg, der schließlich auf den Grat mündet. Knapp dreihundert Höhenmeter noch, dann ist der Kuhgrat (2123 m), der höchste Punkt des Drei-Schwestern-Massivs, gewonnen: Was für eine Schau! Sie reicht vom Bodensee bis tief in die Bündner und Vorarlberger Bergwelt. Von der hohen Warte aus überschaut man fast die gesamten 160 Quadratkilometer des Fürstentums, auch das Saminatal mit seinem Bergkranz, der im Grauspitz (2599 m) kulminiert. Das touristische Zentrum dieses alpinen »Hinterlandes« versteckt sich allerdings hinter den Drei Kapuzinern (2084 m), die im Winkel zwischen Samina- und Valorschtal stehen:

Malbun

Da werden Jugenderinnerungen wach – Ferien bei den Großeltern im Rheintal, ab und zu ein Ausflug mit dem »Käfer« der Tante nach Vaduz und einmal über viele Kurven und Kehren via Triesenberg hinauf zum Kulm, durch den kurzen, engen Tunnel ins Saminatal und weiter nach Malbun. Da gab’s dann Kaffee und Kuchen und für den Knirps aus Zürich ein Vivi Kola, dazu (ganz umsonst) den Blick auf die Berge rundum.
Der ist bis heute unverändert geblieben, doch sonst hat sich einiges verändert. Aus der holperigen Staubstraße ist ein breites Asphaltband geworden, ein neuer, längerer Tunnel wurde in den Berg getrieben, und die beiden Gasthöfe von anno dazumal haben Gesellschaft bekommen: Hotels und Chalets, reichlich moderne Architektur im breiten Talboden und an den Hängen, Liftmasten und Drahtseile. Kühe gibt’s auch noch, und im Winter zudem manchmal viel Betrieb auf den Pisten.

Gipfel und Blumen

Trotzdem: Malbun ist überschaubar geblieben, im Sommer fast noch ein Geheimtipp, wenigstens für Nicht-Liechtensteiner. Dabei lässt es sich auf den Höhen rund um die Sportstation sehr schön wandern. Wer dabei nicht allzu viel Schweiß vergießen möchte, fährt mit dem Sessellift Sareis gleich zur 2000-Meter-Höhenkote hinauf; Gipfelstürmer mit Ausdauer nehmen sich zum Beispiel den Naafkopf (2570 m) oder den Falknis (2562 m) zum Ziel.
Im Frühsommer, wenn in den Nordflanken der beiden Zweieinhalbtausender noch Schnee liegt, der Aufstieg dadurch nicht ganz risikolos ist, beschränkt man sich allerdings mit Vorteil auf eine Alm-, besser: Blumenwanderung. Nicht zufällig hat Liechtenstein sein gesamtes Alpengebiet bereits 1989 zur integralen Pflanzenschutzzone erklärt. So zählt man hier nicht weniger als 48 verschiedene Orchideen, darunter das Waldvögelein in drei Unterarten und – als schönste Orchidee unserer Berge – der Frauenschuh (Cypripedium calceolum). Auch der »Fürstensteig« prunkt mit einer üppigen Flora, die in dem Kalkgestein beste Lebensbedingungen findet: die Blumenwelt des Rätikons. Für Blumenfreunde besonders interessant ist der Höhenweg von der Liftstation Sareis (2003 m) über den Augstenberg (2359 m) zur Pfälzer Hütte, benannt nach der 1989 verstorbenen Fürstin Gina.

Malbuner

»Schau mal, was ich da hab’«, sagt Hildegard, die sich um unser leibliches Wohl kümmert, während ich mit dem Fernglas die abschüssigen westseitigen Karwinkel des Galinakopfs (2198 m) nach Gämsen absuche. Malbuner! Geräucherter Schinken aus dem »Ländle«, den kennt man auch in der Schweiz bestens. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Hildegard packt aus, zwei Büürli (= Krustensemmeln) hat sie auch dabei, und etwas zum Trinken. Fast schon ein kulinarisches Highlight, ganz passend zu dem Umstand, dass wir gerade am höchsten Punkt des Drei-Schwestern-Massivs sitzen. »Danke!« Mir schmeckt’s, klar, obwohl ich in Gedanken ganz woanders gelandet bin: am Falknis. Auf dem Grenzberg zu Graubünden standen wir vor ein paar Jahren nach dem langen, aber sehr schönen Anstieg von St. Luzisteig. »Kannst du dich noch an die Edelweiß am Falknis erinnern?«, frage ich und beiße ein Stück von dem so schön knusperigen Büürli herunter. Natürlich kann sich Hildegard erinnern, am Mittlerspitz (1897 m) entdeckten wir die weißen Sterne, am Weg von Guscha herauf. Der Weiler ist eine uralte Walsersiedlung, wie auch Triesenberg, die flächenmäßig größte Gemeinde Liechtensteins. Das Walsermuseum informiert hier über die Siedlungsgeschichte, das bäuerliche Leben der Walser und den (durchaus noch lebendigen) Wal(li)ser Dialekt.

Über die Drei Schwestern

Es wird Zeit aufzubrechen, am langen Grat warten noch ein »Kopf« (Garselli, 2105 m) und drei unglückliche Mädels. Die sollen – so behauptet wenigstens eine Sage – in Felsgestalten verwandelt worden sein, weil sie, statt den Gottesdienst zu besuchen, lieber oben am Berg zum Beerenklauben gingen. Arme Schwestern! So etwas droht Bergwanderern im 21. Jahrhundert kaum, auch wenn sie sonntags unterwegs sind. Beim Abstieg von den Drei Schwestern (2052 m), der durch ein pittoreskes, verwinkeltes Felslabyrinth führt und mit Drahtseilen und zwei Leitern gesichert wurde, ist aber trotzdem Vorsicht geboten. Ein Fehltritt kann hier durchaus böse Folgen haben. Wer sich diesem anspruchsvollsten Abschnitt der großen Überschreitung nicht gewachsen fühlt, kann ihn auf einem markierten Weg ostseitig via Garsellaalp umgehen.

Abstieg über die Gafadurahütte

Wir nehmen den direkten Weg, den felsigen, und steigen anschließend ab in den Sarojasattel. Genau 200 Meter tiefer liegt die Gafadurahütte (1428 m) des Liechtensteiner Alpenvereins, ursprünglich eine Jagdhütte. Gut eine Stunde ist es dann noch bis Planken, wo die große Höhenwanderung endet, und da darf man sich schon eine Pause gönnen. »Morgen«, sage ich zu Hildegard, nachdem wir es uns auf der Terrasse gemütlich gemacht haben, »würde ich gerne auf den Naafkopf gehen. Schließlich war ich ja schon lange nicht mehr in Malbun.« Wie lange das her ist, darf hier verschwiegen werden. Nur soviel: Es wurde eine schöne Tour, ein bisschen Nostalgie inklusive. Aber wir leben ja alle mit unseren Erinnerungen, vor allem mit den schönen, stimmt’s?

Die schönsten Bergwanderungen und Gipfeltouren in Liechtenstein

Historischer Rundweg über den Eschnerberg:

Leichte Rundwanderung an dem teilweise bewaldeten, lang gestreckten Höhenrücken, der bereits in prähistorischer Zeit besiedelt war. 45 Schautafeln informieren über archäologische, historische und kulturgeschichtliche Aspekte. Bendern (441 m) – Malanserwald – Schellenberg (626 m) – Eschnerberg – Bendern; 3 Std.

WalserSagenWeg:

Der abwechslungsreiche Themenweg erzählt auf Stations- und Informationstafeln die Geschichte der 700 Jahre alten Walsersiedlung Triesenberg; gut zu verbinden mit einem Besuch des Walsermuseums. Triesenberg (884 m) - Gschind - Erbi - Rotaboda - Hinder Prufatscheng (1110 m) - Masescha (1240 m) - Philosophenweg - Mitätsch – Gnalp (1196 m) – Rizlina (1180 M) 3 ½ Std.

Fürstensteig und Drei-Schwestern-Steig:

Der Liechtensteiner Wanderklassiker schlechthin, Ausdauer und ein sicherer Tritt sind unerlässlich. Einige gesicherte Passagen, im Anstieg von Gaflei zum Grat Steinschlaggefahr. Gaflei (1483 m) – »Fürstensteig« – Kuhgrat (2123 m) – Drei Schwestern – Sarojasattel (1628 m) – Gafadurahütte (1428 m) – Planken (786 m); 6 Std.

Schönberg:

Nomen est omen! Eine der schönsten Höhenwanderungen im Saminatal: im Frühsommer herrliche Blumenwiesen, vom Gipfel genießt man eine prächtige Aussicht. Malbun (1602 m) – Sassfürkle (1764 m) – Schönberg (2104 m), mit Abstieg auf dem gleichen Weg 31⁄4 Std.

Galinakopf:

Einer der lohnendsten Aussichtsgipfel Liechtensteins mit Fernblicken bis zum Piz Bernina und zu den Berner Alpen (Lauteraarhorn, Mönch). Berühmte Flora! Malbun (1602 m) – Sassfürkle (1764 m) – Guschgfiel (1764 m) – Galinakopf (2198 m) – Valorsch – Steg (1303 m); 51⁄2 Std.

Fürstin-Gina-Weg:

Mäßig anstrengende, aber sehr aussichtsreiche Kammwanderung, empfehlenswert vor allem im Frühsommer (Blumen!), im Abstieg zur Pfälzer Hütte kurze gesicherte Passagen. Anfahrt von Malbun mit dem Sessellift Sareis (2003 m). Liftstation – Augstenberg (2359 m) – Pfälzer Hütte (2108 m) – Tälihöhi (2056 m) – Malbun (1602 m); 31⁄4 Std.

Naafkopf:

Markanter Gipfelabschluss der Valüna mit markiertem Anstieg. Trittsicherheit und etwas Bergerfahrung notwendig, bei Nässe nicht ratsam. Liftstation Sareis (2003 m) – Augstenberg (2359 m) – Pfälzer Hütte (2108 m) – Naafkopf (2570 m) – Pfälzer Hütte – Tälihöhi (2056 m) – Malbun (1602 m); 53⁄4 Std.

Weitere Höhenwege
Eugen E. Hüsler
Fotos: 
Liechtenstein Tourismus
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 09/2008. Jetzt abonnieren!
 
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