Es gibt Parkplätze, die sind erfolgreicher als die besten Partnerbörsen der Welt. Der Parkplatz der Bellevue-Seilbahn in Les Houches ist so einer. An einem Dienstag im Juli hat es hier 33 Grad im Schatten und ein paar mehr auf dem Asphalt. Zu viel, um barfuß zu laufen. Jörn Hellers dürre Beine stecken also schon in den schweren Bergstiefeln, als er zum x-ten Mal in der Saison seinen Rucksack packt. Es steht zwar groß auf seinem Auto, aber es reicht ein Blick auf die verbrannten Ohren: Heller ist Bergführer.
Dann biegt Nadine Vogelsang in den Parkplatz ein. Sie kommt aus Helsa, einem Dorf bei Kassel, und arbeitet als Schaufenster-Dekorateurin. Die 37-Jährige hat auf halber Strecke nach Chamonix im Auto übernachtet und ist froh, überhaupt hergefunden zu haben. Vogelsangs erste Bergtour: der Hohe Göll, im Jahr 2011. Zur Begrüßung sagt Vogelsang in dialektfreiem Flachlanddeutsch: »Ich bin der Typ Schildkröte. Langsam, aber ausdauernd.«
Kurse, Klettern, Kerzen anzünden
Sicher auf den Mont Blanc und wieder runter – das und das Du ist alles, was Heller und Vogelsang am Parkplatz verbindet. Heller ist das gewohnt. Er wappnet sich mit klaren Ansagen, erklärt Abmarschzeiten zu »Gesellschaftsverträgen« und droht grinsend: »Spätestens auf Vierfünf fangen alle an zu japsen. Wenn ich dir dann in den Arsch trete, ist das nur gut gemeint!« Anlass dazu wird er kaum bekommen. Der Westalpen-Novizin Nadine ist klar, wofür sie sich beworben hat.
»Dass ich gewonnen habe, war eine riesige Überraschung. Aber Bammel habe ich nicht. Ich unterschätze mich ganz gerne.« In den Bayerischen Alpen ist sie eine selbständige Bergsteigerin, hat die Watzmannüberschreitung bei Vereisung geführt. Sie hat einen Spaltenbergungskurs und acht Wochen Waldläufe und Klettertraining absolviert, zur Höhenanpassung auf dem Ramolhaus übernachtet, vor der Tour eine Kerze in der Kirche von Chamonix entzündet.
Als erste Seilschaft starten sie um halb zwei Uhr morgens. Ohne Arschtritt, dafür mit Händedruck. Es herrschen »Sechser-im-Lotto-Verhältnisse«, der steile, trockene Fels liegt der Kletterin Nadine. Bis zur Goûterhütte bleiben die Steigeisen im Rucksack, dann beginnt der Gletscher. Die Pickelspitze quietscht in der Dunkelheit so laut wie eine bremsende Lok.
Kurz vor Sonnenaufgang nimmt der Wind zu. Nadine schaut und schnauft, Jörn rudert zum Aufwärmen mit den Armen. Eine hauchdünne Lichterkette aus Stirnlampen zeigt an, wie weit es noch ist.

Aus- und Tiefblicke: Bergsteiger an der Pointe Mieulet.
