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Elizabeth Hawley im Portrait

"Ich hatte noch nie eine Leidenschaft für irgendetwas!" Mit diesem Satz überraschte Himalaya-Chronistin Elizabeth Hawley sogar Billi Bierling. 13 Jahre lang arbeiteten die beiden eng zusammen, nun übernimmt Bierling die Pflege der Datenbank. Und honoriert Hawleys Leistung mit einem sehr persönlichen Porträt.
Veröffentlicht am
Januar 9, 2019
Die 93-jährige Elizabeth Hawley in ihrer Wohnung in Kathmandu

Die 93-jährige Elizabeth Hawley in ihrer Wohnung in Kathmandu

Foto von  Billi Bierling

„Wie kann man denn eine Leidenschaft für eine Datenbank haben?“ Miss Hawley, die 54 Jahre lang akribisch jede Himalaya-Expedition dokumentierte, schüttelt amüsiert den Kopf.

Alles begann im Jahr 1963. Elizabeth Hawley, die bereits seit 1960 als freie Journalistin in Kathmandu lebte, sollte für Reuters über die erste amerikanische Everest-Expedition unter der Leitung von Norman Dyhrenfurth berichten. „Es war sehr aufregend, aber auch aufwändig“, erinnert sich die heute 93-jährige Amerikanerin.

„Nachdem ich per Funk die neuesten Meldungen vom Basislager erhalten hatte, musste ich zur indischen Botschaft. Dort befand sich das einzige Telefon Kathmandus, mit dem ich meine Geschichten an Reuters weiterleitete.“ Die Exklusivität ihrer Berichterstattung, die sie noch heute mit größtem Stolz erfüllt, hatte anfangs wenig mit Bergsteigen zu tun. Im September 1982 war sie die erste Journalistin, die über den Tod des ehemaligen nepalesischen Premierministers BP Koirala berichtete. »Die Geschichte war sogar auf der Titelseite der New York Times«, sagt sie strahlend und beschreibt diesen Artikel als ihren größten Erfolg.


Elizabeth Hawley 1995 mit Teilnehmern einer DAV-Expedition

Wohin aber ihre Bergberichterstattung führen würde, war Miss Hawley, deren Artikel sich bis 1963 um Nepals Politik drehten, damals nicht bewusst. »Ich hatte etwas angefangen und wollte es weitermachen.« Als zwei Jahre später die nächste Everest-Expedition aus Indien in der nepalesischen Hauptstadt ankam, verfolgte Miss Hawley diese ebenso akribisch wie Dyhrenfurths Team. Da weder die Anzahl der Expeditionen noch die der internationalen Flüge zu dieser Zeit besonders hoch waren, fuhr sie in der Bergsteigersaison mehrmals die Woche mit ihrem hellblauen Käfer zum Flughafen, um Expeditionen ausfindig zu machen.

»Es war ganz einfach. Ich inspizierte die Schuhe der Touristen, und wenn sie schwere Bergstiefel trugen, fragte ich sie ungeniert, auf welchen Berg sie steigen wollten.« Die meisten Expeditionsleiter waren gewillt, ihr Vorhaben mit ihr zu teilen. »Wenn sie mich verscheuchen wollten, ließ ich mich einfach nicht verscheuchen und versuchte, so viele Informationen wie möglich zu bekommen. Mit einem netten Lächeln funktionierte das meistens.«

Kommissare sind ihre Freunde

Das waren die Anfänge der heute renommierten Himalayan Database, die der Amerikaner Richard Salisbury 2004 ins Leben gerufen hat und die heute rund 9500 Expeditionen an 456 Bergen in Nepal umfasst. »Als ich im Frühjahr 1991 von der Annapurna 4 zurückkam, schlug ich Elizabeth vor, ihr Archiv zu digitalisieren«, erinnert sich der 73-Jährige. Sie willigte ein, die auf Papier festgehaltenen Interviews wurden in die heutige Himalayan Database umgewandelt; eine Arbeit, die fast zehn Jahre in Anspruch nahm. »Ich arbeitete immer handschriftlich, aber jetzt läuft alles nur noch per Computer«, sagt sie und wirft einen etwas kritischen Blick auf den Laptop zwischen uns.

Von moderner Technologie war sie nie überzeugt, sie hat weder Mobiltelefon noch einen eigenen Internetanschluss. In ihrer Wohnung, in der sie seit 1960 lebt, gibt es weder Radio noch Fernsehen. »Langweilig ist mir nie, ich verbringe meine Zeit mit Lesen.« Jede Woche verschlingt sie mindestens ein Buch der britischen Autorin Dorothy Sayers, und oft liest sie die gleichen Krimis mehrmals. »Warum sollte ich Bücher über Leute lesen, die ich nicht kenne? Die Protagonisten der Krimis sind meine Freunde, ich mag sie.« Zudem durchforstet sie täglich die New York Times. »Ich kann es kaum glauben, aber ich lese diese verdammte Zeitung, seitdem ich ein Teenager bin«, sagt sie, selbst erstaunt über ihre eigene Beharrlichkeit.

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