DAV kritisiert geplanten Gletscher-Zusammenschluss | BERGSTEIGER Magazin
Gletscherskigebiete Sölden und Pitztal

DAV kritisiert geplanten Gletscher-Zusammenschluss

Sölden, jährlicher Auftaktort des alpinen Skiweltcups und ein Gletscherskigebiet der Superlative, die Bergstation der Pitztaler Gletscherbahn in Sichtnähe. Aus Sicht der Skigebietsbetreiber wie auch der örtlichen Tourismusverbände ein verständlicher Wunsch, die beiden Gletscherskigebiete zusammenzuschließen. Die Alpenvereine sehen in den jüngsten Plänen der Betreiber jedoch die Zerstörung eines extrem schützenswerten, hochalpinen Raumes sowie die Missachtung internationalen Rechts.
 
© Petra Rapp

Zwischen den Gletscherskigebieten von Sölden (Rettenbachferner und Tiefenbachgletscher) und dem Pitztaler Gletscher liegen - in unmittelbarer Nähe zur Braunschweiger Hütte - die beiden bislang unerschlossenen Gletscher Karlesferner und Mittelbergferner. Die Tiroler Landesregierung hat den beiden Skigebietsbetreibern bereits 2013 einen Zusammenschluss in Aussicht gestellt. Im Raumplanungsprotokoll von Tirol wurde das »Ruhegebiet Ötztaler Alpen« entsprechend verkleinert. Ursprünglich vorgesehen war allerdings nur die Überspannung des Gebiets ohne die Anlage von Pistenflächen – das sei jetzt in aktuellen Plänen anders, wo laut DAV-Experte Dr. Tobias Hipp »in Wirklichkeit die größte Neuerschließung von bisher naturbelassener alpiner Landschaft der letzten Jahrzehnte vorgesehen ist.“

Dr. Tobias Hipp (DAV), Foto Petra Rapp
Dr. Tobias Hipp (DAV) erklärt die Ausbaupläne (Foto: Petra Rapp)
 
Gletscherfläche von 90 Fußballfeldern als neue Skipisten
Die beiden bislang unerschlossenen Gletscher Karlesferner und Mittelbergferner kommen zusammen auf mehr als 1.000 Hektar Eisfläche. Geplant seien eine Dreiseil-Umlaufbahn mit Talstation in Mittelberg und Bergstation in der Nähe der Braunschweiger Hütte. Diese Bergstation ist gleichzeitig Talstation für die zwei weitere Gondelbahnen 
(zwei Achter-Gondelbahn, eine vom Skizentrum zur Scharte östl. des Linken Fernerkogels (3.277 m) und weiter in das Skigebiet von Sölden, eine vom Skizentrum nach Westen in das bestehende Skigebiet Pitztaler Gletscher). Die dafür vorgesehene neue Pistenfläche umfasst ca. 64 ha (entspricht einer Fläche von 90 Fußballfeldern), davon 95 % auf Gletscherflächen. Zudem soll ein Skitunnel samt Zufahrtsstraße östlich der Braunschweiger Hütte gebaut werden, um eine skitaugliche Verbindung mit Sölden herstellen zu können. Dazu kommen ein Speicherbecken und eine Beschneiungsanlage. Die Gesamtkosten sollen sich auf rund 120 Millionen Euro belaufen.

Die geplanten Ausbauten auf den beiden Gletschern (Grafik: DAV)
Die geplanten Ausbaumaßnahmen (Grafik: DAV)

Diese Ausbaupläne stehen laut DAV im Kontrast zu den Grundsätzen und Leitlinien der alpinen Vereine in den Bereichen Naturschutz, Raumplanung und Bergsport: Mit dem Bau der Gondelbahnen bis auf den Linken Fernerkogel und dem Skizentrum werde das alpine Landschaftsbild deutlich abgewertet. Für Bergsteigerinnen und Bergsteiger würde das Gebiet rund um den Linken Fernerkogel uninteressant. Die Braunschweiger Hütte, zentraler Stützpunkt des extrem beliebten Fernwanderweg E5 von Oberstdorf nach Meran, befürchtet laut Hüttenwart Armin Rogge durch die Umbaumaßnahmen nicht nur ein Versiegen der Wasserquelle, die die Hütte versorgt, sondern auch den Verlust an Attraktivität als bedeutender Ausbildungsstützpunktes des DAV, wo in vielen Kursen Bergsteigerinnen und Bergsteiger die wichtigsten Grundlagen für Hochtouren vermittelt werden.


Armin Rogge, Hüttenwart der Braunschweiger Hütte (Foto: Petra Rapp)
 
Umdenken erforderlich
Für den DAV, ÖAV wie alle anderen Naturschutzverbände in Österreich sind diese Pläne folglich ein absolutes No-Go.Die Alpen werden für den Skitourismus bereits intensiv genutzt. Das Netz der Skigebiete ist insbesondere in den Ostalpen und vor allem in Tirol dicht gewoben. Angesichts des Klimawandels und der rückläufigen Zahl der Skifahrinnen und Skifahrer wäre eine weitere Verdichtung kontraproduktiv“, sagt der DAV. Zum einen fehlen die eingesetzten Gelder dann für Investitionen in den überfälligen Umbau des Tourismus. Und zum anderen zerstören Neuerschließungen genau diese unberührte Natur, die für einen zukunftsorientierten, nachhaltigen Tourismus Voraussetzung sind. „Der Skitourismus im Rahmen der bestehenden Gebiete ist ein wichtiger Bestandteil des Tourismusangebots im Alpenraum“, sagte DAV-Experte Dr. Tobias Hipp zum Bergsteiger in den Ötztaler Alpen. „Aber jetzt ist es an der Zeit, den Fokus auf die Stärkung anderer Bestandteile zu richten“ , sagt er und verweist dabei auf nachhaltige Tourismuskonzepte wie das der Bergsteigerdörfer. Ein langjähriger Pitztaler Bergführer fühlt wie wohl viele im Tal: „Als Naturliebhaber und Bergführer sag’ ich ganz klar Nein zum Ausbau. Aber ich betreibe im Pitztal auch eine kleine Pension und muss einfach auch an meine Kinder denken. Die brauchen möglichst bald eine Perspektive für die Zukunft, sonst wandern sie ab und ich kann die Pension zumachen.“


Derzeit noch unverbaut: Der schöne E5-Abschnitt von Mittelberg im Pitztal hinauf zur Braunschweiger Hütte (Foto: Petra Rapp)
 
DAV-Vizepräsident Rudi Erlacher zum geplanten Projekt: »Es widerspricht unseren Grundsätzen von Naturschutz und Raumplanung und es missachtet internationales Recht.« Österreich hat sich verpflichtet, den Alpenraum unter der Beachtung der Protokolle der Alpenkonvention nachhaltig und ressourcenschonend zu entwickeln. In Artikel 10 §1 des Tourismusprotokolls steht: „So sind [...] Belastungen und Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu verringern.“ Im selben Protokoll im Artikel 6 verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, „[...] nur landschafts- und umweltschonende Projekte zu fördern und [...] eine Politik einzuleiten, die die Wettbewerbsfähigkeit um- weltschonender Tourismusformen fördert [...].“ 

 
Die Projektpläne der Skigebietsbetreiber, von denen sich vor allem die Pitztaler einen wirtschaftlichen wie touristischen Aufschwung für ihre Region erhoffen, liegen derzeit zur Vollständigkeitsprüfung bei der Tiroler Landesregierung. Eine Entscheidung wird allerdings nicht vor den Tiroler Landtagswahlen im Frühjahr 2018 erwartet.

Petra Rapp
 
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