Wandern

Breithorn in den Walliser Alpen: Ein 4000er für Einsteiger

Das Breithorn ist der am häufigsten bestiegene Viertausender in den Alpen. Der Grund dafür liegt auf der Hand, denn der Normalweg auf seinen Gipfel zählt zu den einfachsten 4000er-Touren überhaupt. Dennoch gibt es auch große, alpine Anstiege auf diesen vielseitigen Gipfel.

Blick aufs Breithorn
Der Blick vom Kleinen Matterhorn auf den Breithorn-Gipfel© Adobe Stock/Bikej Barakus

Der leichteste Viertausender der Alpen ist schon ein ungewöhnlicher Berg: Blickt man nach Verlassen der Klein-Matterhornbahn hinüber zum Normalweg an dessen Südwestflanke, dann präsentiert sich der immerhin 4165 Meter hohe Hauptgipfel des Breithorn im Westen des Massivs als Schneebuckel, der selbst Unerfahrenen kaum Respekt einzuflößen vermag.

Tatsächlich ist der Normalweg im Sommer ein leichter "Gletscherhatscher" mit gerade mal 360 Metern Höhenunterschied, wofür man maximal zwei Stunden für den gemütlichen Aufstieg und etwas mehr als die Hälfte der Zeit für den Abstieg veranschlagen sollte. Es handelt sich also um eine kleine Halbtagestour, die man bei entsprechendem Wetter auch täglich als geführte Gruppentour beim örtlichen Bergführerbüro buchen kann.

Auf das Breithorn wandern

Wer als Neuling der eisigen Höhen seine Fränkli daher lieber in edlen Dôle-Wein investieren möchte als in eine geführte Tour, weil auf dem kurzen, leichten und breit gespurten Normalweg zwischen der Bergstation der Klein-Matterhorn-Bahn und dem Gipfel doch sowieso immer ein menschlicher Tatzelwurm unterwegs ist, der hat damit zwar nicht ganz unrecht, vergisst aber, dass es sich um eine Gletscherregion mit Spalten handelt.

Ferner führt der Aufstieg durch eine bis zu 30 Grad steile Flanke, die im Sommer vereist sein kann. Mit Pickel, Seil und Steigeisen sollte man also unbedingt umgehen können. Das größte Problem ist bei Nebel, starkem Wind oder Schneetreiben allerdings die Orientierung auf dem breiten Breithornplateau, vor allem, wenn man den Umgang mit Karte, Kompass und GPS nicht beherrscht.

Im April 1977 verirrten sich fünf Skibergsteiger trotz Karte und Kompass auf dem Plateau und starben an Erschöpfung. Im Sommer 1991 ereilte dieses Schicksal in einem Sturm mit arktischen Temperaturen eine ganze Gruppe, und das in Sichtweite der Klein-Matterhorn-Bahn.

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Für eine geführte Tour spricht auch, dass der Bergführer unterwegs bestimmt gerne zeigt, wie man richtig geht, und sicher auch geduldig das Gipfelpanorama erklärt.

Und der Rundumblick ist dort mitten in den Walliser Alpen bei halbwegs guter Sicht so beeindruckend, dass selbst die verwöhntesten Alpinisten auf dem Gipfel nicht mehr über den "Almauftrieb" und die "Gipfelpromenade" meckern, sondern ganz versunken dastehen und schauen.

Auch am Breithorn-Normalweg sollte man mit Pickel, Seil und Steigeisen umgehen können.
Auch am Breithorn-Normalweg sollte man mit Pickel, Seil und Steigeisen umgehen können. © Foto: Adobe Stock/Bergfee

Die wilde Nordwand des Breithorn

Neben dem umwerfenden Gipfelblick hat dieser Berg auch noch eine "Schokoladenseite", und zwar die Nordseite. Steht man beispielsweise vor der gemütlichen Gand­egg-Hütte nahe der Mittelstation der Klein-Matterhorn-Bahn, dann biegt man als Westalpenfan hier völlig begeistert den Kopf weit zurück in den Nacken, um die über 1200 Höhenmeter steil aufragende Nordseite mit ihren Hängegletschern "en détail" bewundern zu können.

Seillänge um Seillänge folgt der Blick dann dem gut erkennbaren Verlauf der Nordwestwand-Route. Diese Eistour ist auch als Welzenbach-Führe bekannt, allerdings wurde sie nicht 1926 von Willo Welzenbach und Gefährten erstbegangen, sondern bereits 1919 von Baron Dietrich Bethmann-Hollweg und seinen Bergführern Othmar und Oskar Supersaxo.

Nach dem Erscheinen von Erich Vanis’ Buch "Im steilen Eis" gehörte diese Route bis in die 1990er-Jahre zu den beliebtesten Eistouren-Klassikern im Wallis (1100 Hm, 50 bis 60 Grad). Auch heute wird sie bei entsprechenden Verhältnissen noch begangen, allerdings war dieser Anstieg schon früher dem Stein- und Eisschlag ausgesetzt, was sich in den vergangenen Jahren durch die zunehmende Ausaperung und die höheren Temperaturen noch verstärkt hat.

Nach wie vor beliebt ist dagegen die bereits 1869 erstbegangene und rundum großartige Tour über den markanten Triftjigrat in der Nordflanke (1320 Hm, 55 Grad) zum Hauptgipfel, die man als reine Eistour machen kann. Auch hier spielen die Verhältnisse eine wichtige Rolle, da die Überwindung des Bergschrunds über der Gletscherterrasse auf etwa 3800 Meter Höhe manchmal nicht möglich ist, was dann eine Variante im steileren Eis erfordert.

Der Aufstieg zum Breithorn.
Der Aufstieg zum Breithorn. © Foto: Adobe Stock/Ondra

Weitere Routen am Breithorn: Große Klassiker im Wallis

Von der kleinen Gandegg-Hütte überblickt man jedoch nur einen Teil des Massivs. Wer das komplette Breitformat bewundern will, der muss auf den Gornergrat. Immerhin ist das Breithorn nämlich stolze 2,5 Kilometer breit und hat fünf eigenständige Gipfel (nach UIAA): den Haupt- oder Westgipfel (4165 m), den Mittelgipfel (4159 m), die Breithornzwillinge mit dem Ostgipfel (4135 m) und dem Gendarm (4105 m) sowie die Roccia Nera (4075 m).

So gibt es in dieser langen, gewaltigen Nordflanke auch noch mehr beeindruckende Routen: Zu den großen, beliebten Klassikern zählt der elegant geschwungene Younggrat zum Ostgipfel (1212 Hm, IV, bis 60 Grad), den Michel Vaucher, Genfer Bergführer, Erstbegeher zahlreicher extremer Routen und Autor von "Die 100 schönsten Touren in den Walliser Alpen" in seinem Standardwerk sogar als einen der schönsten Grate der Alpen bezeichnete.

Noch anspruchsvoller und kaum bekannt, da diese Route nur in Spezialführern beschrieben wird, ist die Direttissima durch die Nordwand, die 1973 von Helmut Kiene im Alleingang erstbegangen wurde. Der kühne Kiene war einer der besten Sportkletterer der 1970er-Jahre und wurde vor allem bekannt durch seine Erstbegehung der Pumprisse (erste Alpenroute im VII. Grad) an der Fleischbank im Wilden Kaiser zusammen mit Reinhard Karl. 

Herrliches Bergpanorama am Breithorn-Gipfel.
Herrliches Bergpanorama am Breithorn-Gipfel.© Foto: Adobe Stock/jacekwejster

Eine Traum-Überschreitung des Breithorn

Bei einer stabilenHochdrucklage, einer guten Kondition und Akklimatisation empfiehlt sich die folgende Route: Aufstieg über den Triftjigrat zum Hauptgipfel, Kammüberschreitung in West-Ost-Richtung mit Abstieg zum Bivacco Giorgio Rossi e Cesare Volante, einer kleinen Biwakschachtel an der Roccia Nera, im Fels etwas oberhalb des Schwarztors.

Diese primitive, aber stille Unterkunft mit sechs Schlafplätzen ist ein herrliches Übernachtungsziel in bester Lage, wenn man dem Zermatter Gipfelkamm noch weiter folgen will und einen Kocher dabei hat. Tags darauf kann man den Pollux (4092 m) und den Castor (4228 m) besteigen und übernachtet auf der Aylas- oder Mezzalama-Hütte, um dann bei gutem Wetter noch die Liskamm-Überschreitung zu machen.

Vom Lisjoch geht’s dann über den Grenzgletscher zum Gornergrat hinab. Bei gutem Wetter kann man vom Lisjoch aber auch noch weitergehen zur Capanna Margarita und zur Dufour-Spitze als Kulminationspunkt der Tour. So führen also am Breithorn viele faszinierende Routen zum hochalpinen Glück –  und außer auf dem Normalweg ist dabei garantiert auch weit und breit kein Tatzelwurm zu sehen.

4 Routen auf das Breithorn

Es gibt insgesamt vier mögliche Touren auf das Breithorn. 

Südwestflanke (Normalweg)

Der einfachste und kürzeste Aufstieg zum Gipfel; reine Gletschertour, Seil, Steigeisen und Pickel erforderlich, da im Gipfelhang evtl. Spaltengefahr.

  • Dauer: 1:30 bis 2 Stunden von der Gipfelstation der Klein-Matterhorn-Seilbahn
  • Höhenunterschied: 360 Hm
  • Schwierigkeiten: Gletscherwanderung mit Steilstellen im Gipfelhang bis etwa 40 Grad; auch als Frühjahrs-Skitour sehr beliebt.

Durch die fast 1200 Meter gegen den Gornergrat abfallende Breithorn-Nordflanke, die zu den eindrucksvollsten Westalpenmauern zählt, führen einige große Routen, von denen sich jedoch nur zwei durchgesetzt haben.

Triftjigrat

Vor allem eistechnische Schwierigkeiten und kombiniertes Gelände, einer der großen klassischen Anstiege in den Walliser Alpen

  • Dauer: 7 bis 9 Stunden von der Gandegghütte
  • Höhenunterschied: 1150 Hm
  • Schwierigkeiten: Im Eis bis 55 Grad, dazu im kombinierten Gelände III und II

Younggrat

Anspruchsvoller als der "Triftjigrat", lt. Michel Vaucher "einer der schönsten Grate in den Alpen".

  • Dauer: 8 bis 10 Stunden von der Gandegghütte
  • Höhenunterschied: 1250 Hm
  • Schwierigkeiten: Im Eis bis 55 Grad, dazu im kombinierten Gelände III, die Schlüsselstelle befindet sich am Schluss der Route (Ausstiegsquergang).

Ostgrat

Beliebte kombinierte Überschreitung über fünf Erhebungen über 4000 Meter, lang und anstrengend.

  • Schwierigkeiten: Stellen III, meist kombiniertes Gelände.
  • Zeit: 8 bis 9 Stunden vom Schwarztor (Schwarte zwischen Pollux und Breithorn-Ostgipfel) aus